Der zweifache Wille Gottes

Die Frage: „Wie erkenne ich den Willen Gottes?“ bleibt für Christen eine lebenslange Herausforderung. Drei Grundthesen müssen wir berücksichtigen:

  1. Gott führt uns stets Schritt für Schritt.

  2. Eine beständige, intakte Beziehung zu ihm ist deshalb absolut nötig.

  3. Führung geschieht in einem Geflecht von Vorgängen, die miteinander verbunden erst die rechte Klarheit ergeben.

Nur wenn wir den Willen Gottes immer klarer erkennen, können wir ihn immer eindeutiger tun. Das ist das A und das O geistlichen Wachstums. - Deshalb will ich heute den 3. Punkt erläutern und ergänzen. Ich habe erkannt, dass eine grundsätzliche Unterscheidung des „zweifachen Willens Gottes“ äußerst wichtig ist.

1. Der souveräne Wille Gottes

Wir betrachten dazu einige Schriftstellen, die klar machen, was ich meine. Zuerst geht es um Gottes souveräne Kontrolle von allem, was passiert. Eine der klarsten Stellen hierzu ist das Gebet Jesu in Gethsemane: „Mein Vater! Ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus 26,39)

Von welchem Willen wird in diesem Vers gesprochen? - Einmal auf seinen menschlichen Willen, den er dem souveränen Willen des Vaters, der sich in den nächsten Stunden erfüllen sollte, unterstellt. - Apostelgeschichte 4,27-28 sagt es so: „Ja, wahrhaftig, gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, haben sich Herodes und Pontius Pilatus versammelt zusammen mit den Heiden und dem Volk Israel, um zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt hatte, dass es geschehen sollte.“ - Wenn wir diese Aussage zugrunde legen, woran starb Jesus? - Am Willen Gottes, planmäßig, nach seiner Anordnung. Hier gab es keine Veränderungen und Jesus beugte sich darunter: „doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ Das ist der souveräne Wille Gottes. - Was fällt uns Bemerkenswertes am souveränen Willen Gottes auf? - Er beinhaltet auch Sünden der Menschen. Also blieben und bleiben die Menschen für ihr undankbares, verräterisches, grausames Tun verantwortlich. z.B. Herodes, Pilatus, die Soldaten, die jüdischen Anführer und du und ich gestern und heute – sie alle sündigten und erfüllten damit Gottes Willen, dass sein Sohn gekreuzigt wurde (Jesaja 53,10). Seien wir uns also klar: Gottes Wille geschieht auch durch mancherlei, was er hasst. - Wir lesen 1. Petrus 3,17: „Denn es ist besser, dass ihr für Gutes-tun leidet, wenn das der Wille Gottes sein sollte, als für Böses-tun.“ - Was erfahren wir hier über Gottes Willen? - Es ist manchmal Gottes Wille, dass Christen für Gutes-tun leiden. Aber Christen ohne Grund leiden zu lassen ist Sünde. Wir sehen auch hier: Manchmal will Gott etwas von uns, was die Sünde anderer einschließt. - Wir lesen 1. Mose 50,20 – was macht dieser Vers deutlich? - Die Brüder, die Aktiven; Josef, der Leidende; die Midianiter, die Werkzeuge (1. Mose 37,28), Gott, der Initiator.

Der Wille Gottes ist Gottes souveräne Herrschaft über allem, was geschah ,

geschieht und noch geschehen wird.

Es gibt noch viele andere Stellen in der Bibel, die Gottes Vorsehung und Herrschaft über das ganze Universum, sowohl in der Natur, als auch in menschlichen Entscheidungen bestätigen. (1. Chronik 29,12; Psalm 115,3; 119,91; 135,6; Sprüche 16,33; Jesaja 14,27; 46,10; Daniel 4,32; Matthäus 10,29-30; Epheser 1,10-11) Übrigens: Nirgends in der Bibel wird gesagt, dass wir den souveränen Willen Gottes erkennen sollten oder könnten (5. Mose 29,28). Das ist die erste Bedeutung des Willens Gottes: Es ist Gottes souveräne Kontrolle über alle Dinge. Wir nennen dies den „souveränen Willen Gottes“. Dieser kann nicht gebrochen werden. Er kommt immer und unter allen Umständen zustande.

2. Der befohlene oder der moralische Wille Gottes

Die zweite Bedeutung des Willens Gottes in der Bibel nenne ich den „befohlenen, den moralischen Willen Gottes“ oder den Willen Gottes „zweiter Ordnung“. - Was könnte unter dem „befohlenen oder moralischen Willen Gottes“ verstanden werden? - Alles, was Gott uns in seinem Wort befiehlt, ist sein Wille. – Wie kann man sich diesem Willen Gottes gegenüber verhalten? - Wir können gehorsam oder ungehorsam sein. Ihn tun, oder es unterlassen. Den souveränen Willen Gottes tun alle Menschen, ob sie glauben oder nicht. Dem befohlenen Willen Gottes können wir uns widersetzen. – Was können wir Matthäus 7,21 zu unserem Thema entnehmen? - Nur „Herr Jesus“ zu sagen, also nur ihn verbal zu bekennen, offenbart noch kein echtes Christsein, sondern nur das Tun des Willens Gottes, d.h. praktischer Gehorsam. –- Was können wir 1. Thessalonicher 4,3 zu unserem Thema entnehmen? - Hier haben wir ein sehr klares Beispiel, was der Wille Gottes ist: Heiligung, d.h. unter anderem sexuelle Reinheit. – Was können wir 1. Thessalonicher 5,18 zu unserem Thema entnehmen? - Hier haben wir erneut den klar ausgesprochenen, d.h. befohlenen Willen Gottes: Dankbarkeit! Wenige gehorchen ihm. – Was können wir 1. Johannes 2,17 zu unserem Thema entnehmen? - Nicht alles bleibt für immer. Einiges bleibt, anderes nicht. Den Unterschied macht aus: Einige tun den Willen Gottes, einige nicht. In diesem Sinne geschieht der Wille Gottes nicht immer.

Aus diesen und vielen anderen Bibelstellen entnehme ich, dass es zwei Arten des Willens Gottes gibt. Beide sind wahr. Es ist wichtig, dass man sie versteht, unterscheidet und an sie glaubt. Den einen können wir den „souveränen Willen Gottes“ nennen und den anderen können wir den „befohlenen oder moralischen Willen Gottes“ nennen. Der souveräne Wille Gottes geschieht immer, ob wir es glauben oder nicht. Seinem befohlenen oder moralischen Willen können wir widerstehen, indem wir ungehorsam sind und das geschieht täglich.

Die Kostbarkeit dieser Wahrheit

Wir wollen uns nun noch bewusst machen, wie kostbar diese beiden Wahrheiten sind. Beide haben es mit tiefen menschlichen Bedürfnissen zu tun. Auf der einen Seite brauchen wir die Gewissheit, dass Gott wirklich alles unter Kontrolle hat und deshalb alle meine Schmerzen und Verluste zu meinem Besten mitwirken lassen kann. - Andererseits sollen wir wissen, dass Gott uns völlig versteht und Mitgefühl mit uns hat und dass er deshalb weder Sünde, noch Schmerzen an und für sich will. Diese beiden Bedürfnisse stimmen sowohl mit Gottes souveränem, als auch seinem befohlenen moralischen Willen überein.

Wenn du z.B. als Kind sexuell missbraucht wurdest und jemand fragt dich: „Denkst du, dass dies Gottes Wille war?“ kannst du dies schlimme Geschehen jetzt biblisch richtig einordnen. Du kannst sagen: „Nein, das war nicht Gottes Wille!“ Denn er befiehlt ausdrücklich, dass Menschen nicht missbraucht werden dürfen, sondern einander lieben sollen. Der Missbrauch verstieß gegen seinen Befehl und deshalb bewegte dieses Geschehen sein Herz mit Ärger und tiefer Trauer (Markus 3,5). Aber in einem anderen Sinn war es Gottes Wille (sein souveräner Wille), denn es gab hunderte Möglichkeiten, wodurch er das hätte stoppen und so verhindern können. Aber aus Gründen, die wir jetzt noch nicht verstehen, tat er es nicht.

Und deshalb ist es wichtig für dich, dass dir zweierlei aufgrund des Zeugnisses der Heiligen Schrift völlig klar ist: Gott - Jesus ist absolut souverän; er ist stark und mächtig genug, alles, was passiert zum Guten zu wenden. (Römer 8,28; Matthäus 28,18)-- Gott – ist in Jesus unser mitleidiger, verständnisvoller Hohepriester, der mit unseren Schwachheiten und Schmerzen Mitleid hat (Hebräer 4,15). Wir leben also in der Spannung: Der Heilige Geist kann uns und unsere Sünde überwinden, besiegen, niederhalten, wenn er das will (Johannes 1,13; Römer 9,15-16) und er erlaubt es, dass wir erschrecken, traurig und ärgerlich werden, wenn er es will (Epheser 4,30; 1. Thessalonicher 5,19). Sein souveräner Wille ist nicht zu besiegen, sein befohlener Wille jedoch kann schmerzlich gebrochen werden.

Wir brauchen beide Wahrheiten – diese beiden Erkenntnisse des Willens Gottes – nicht nur damit die Bibel Sinn macht, sondern auch um in unserem Leiden an Gott festzuhalten.

Drei Stufen, wie der Wille Gottes erkannt und getan werden soll:

Stufe eins

Gottes befohlener Wille ist mit letzter Autorität einzig und allein in der Bibel geoffenbart und wir benötigen einen erneuerten Sinn, um Gottes Gebote zu verstehen und zu begrüßen. Ohne einen erneuerten Sinn werden wir die Heilige Schrift verdrehen, um ihren radikalen Weisungen zur Selbstverleugnung, zur Liebe und Reinheit und der höchsten Befriedigung in Christus allein, auszuweichen.

Paulus sagt, dass die Schriften inspiriert sind und Christen „zurüsten und für jedes gute Werk geschickt machen“ (2. Timotheus 3,16-17). Nicht nur für einige gute Werke, sondern für alle! Welche Energie, Zeit und Konzentration sollten Christen dem betrachtenden Bibelstudium widmen.

Stufe zwei

Die zweite Stufe besteht in der Anwendung der biblischen Wahrheit in Situationen, die entweder ausdrücklich in der Bibel benannt werden oder nicht. Die Bibel sagt uns ja nicht, welche Person wir heiraten sollen und welche nicht, welches Auto wir fahren sollen und welches nicht, ob wir uns eine Wohnung mieten oder ein Haus bauen sollen. Tausende solcher Dinge müssen wir selbst entscheiden.

Entscheidend dabei ist es, dass wir einen erneuerten Sinn bekommen, der so vom offenbarten Willen Gottes geprägt und regiert wird, dass wir mit den Augen Jesu alle relevanten Faktoren sehen und einschätzen, damit wir erkennen, was Gott von uns möchte. Menschen, die versuchen, durch das Hören auf innere Stimmen ihr Leben zu gestalten, sind nicht in Übereinstimmung mit Römer 12,2.

Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen der Bitte für und dem Arbeiten an einem erneuerten Sinn, der prüfen kann, was Gottes Wille ist und der Haltung, die Gott um eine neue Offenbarung seines Willens bittet. Gottes Ziel für uns ist ein erneuerter Wille, eine neue Art zu denken und zu richten, nicht nur neue Informationen zu bekommen. Sein Ziel ist es, dass wir umgewandelt werden, geheiligt werden, befreit von der Wahrheit seines geoffenbarten Wortes (Johannes 8,32; 17,17).

Die zweite Stufe ist also die Anwendung der biblischen Wahrheiten auf neue Situationen in unserem Leben durch einen erneuerten Verstand.

Stufe drei

Zuletzt, die dritte Stufe des Erkennens des Willens Gottes betrifft die große Mehrheit unseres Lebens, bei dem wir nicht handeln auf Grund von intensivem Nachdenken. Wohl gegen 95% unseres täglichen Redens und Handelns geschieht nicht nach gründlichem Nachdenken, sondern spontan. Sie sind nur der Überlauf dessen, was in uns ist. Jesus sagte: Matthäus 12,34-36

Warum nenne ich diesen Teil von Gottes Willen, den befohlenen Willen Gottes? Aus einem Grund. Gott befiehlt uns z.B. „Sei nicht ängstlich! - sei nicht stolz – du sollst nicht begehren – sei nicht ärgerlich – sei nicht neidisch – sei nicht eifersüchtig! Keine dieser Haltungen entstehen aus überlegten Entschlüssen. All diese Eigenschaften sind einfach da, steigen aus unserem Herzen auf, völlig ohne Berechnung. Und wir sind deshalb schuldig. Wir vergehen uns an Gottes Gebot.

Macht das nicht die große Aufgabe deutlich, vor der jeder Christ steht? „Werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes!“ Wir brauchen neue Herzen, neues Denken, einen neuen Verstand. Mache den Baum gut und du hast gute Früchte (Matthäus 12,33). Das ist eine große Herausforderung. Das befiehlt Gott dir. Du bist dafür verantwortlich. Du brauchst Christus, der für deine Sünden starb. Und du brauchst den Heiligen Geist, um dich in die Christus verherrlichende Wahrheit einzuführen und dich demütig zu machen.

Gib dich dazu hin. Tauche ein in das Wort Gottes; sättige deinen Verstand damit. Und bete darum, dass der Geist Christi dich so neu macht, dass du überläufst, um den guten, wohlgefälligen und perfekten Willen Gottes zu tun.

Manfred Herold

Manfred Herold