Demut - die schwerste Lektion!

Die Menschen, die zu Lebzeiten Jesu mit Ihm gingen, wurden Jünger, d.h. „Von-Jesus-Lernende“, genannt. Selten hat Jesus sie mit mehr Nachdruck zum Lernen aufgefordert, wie in Matthäus 11,28-29: „Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde euch Ruhe geben. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.“ Eine äußerst wichtige und schwere Lektion! Ich füge heute aus meinem über 50 jährigen Studium der Bibel und meiner eigenen Erfahrung hinzu: Es ist wohl die wichtigste und zugleich schwerste Lektion, die ein Jünger Jesu noch heute zu lernen hat. Es ging damals um die Frage: Wie will, wie kann Jesus die Genervten und Zerbrechenden (also uns) erquicken? Wie können wir echt zur Ruhe kommen? Nur wenn und in dem Maße wie wir Sanftmut und Demut lernen!

Jesus nennt nicht zufällig gerade diese beiden Tugenden, denn Er weiß: Demut ist die Quelle der Sanftmut! Und Sanftmut ist die erste Frucht der Demut! - Demut wird oft mit Kriechertum verwechselt oder als Mangel an Selbstbewusstsein, als ein Leben ohne Rückgrat missverstanden. In der Bibel hat Demut jedoch eine ganz andere Bedeutung: Verzicht auf eigene Ehre, Geltung, Anerkennung, Ruhm. Sanftmut ist der Verzicht auf eigenes Recht.

Frage: Bin ich ein guter Jünger Jesu? Habe ich diese schwere Lektion schon gelernt? Oder bin ich wenigstens dabei, sie zu lernen? Bin ich überhaupt bereit, sie aus Liebe zu Jesus zu lernen? - Wir wollen heute das Thema DEMUT etwas unter die Lupe nehmen, um sie bei uns wachsen zu lassen.

1. Die Wichtigkeit der Demut

Jesus fasste Sein ganzes Lebenswerk mit den Worten in Johannes 17,4a zusammen: „(Vater) ich habe dich verherrlicht auf Erden...“ Und auch Sein Leiden und Sterben erduldete Er aus demselben Motiv heraus. Gott sollte sowohl durch Sein Leben, als auch durch das Zustandekommen des Erlösungswerkes geehrt werden.

Jesus stellte dafür alle eigenen Wünsche, vielleicht hochfliegende Pläne und Hoffnungen zurück, d.h. Er war demütig. Er verzichtete auf eigenen Ruhm, Ehre, Ansehen zugunsten des Vaters im Himmel, d.h. Er war demütig.

In Johannes 5,44 sagt Jesus zu den Juden: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt, aber nach der Ehrung, die vom alleinigen Gott kommt, kein Verlangen tragt?“ Jesus stellt hier deutlich heraus: Nur der Demütige kann richtig glauben! - Warum ist das so? Weil der Hochmütige noch große Stücke von sich selbst hält, d.h. noch auf sich selbst vertraut. Weil er noch von seiner eigenen Stärke und Weisheit überzeugt ist. Weil er von Menschen anerkannt, gelobt, beachtet werden will! Nur der Demütige ist mehr an Gottes als an Seiner Ehre interessiert. Nur der Demütige lässt Gott allein wirklich groß sein. Nur der Demütige kann ohne eigensüchtige Hintergedanken glauben! (Philipper 2,21)

Des Vaters Ehre und Ansehen bei den Menschen wiederherzustellen, war das größte, alles überragende Anliegen Jesu! Nicht die Liebe zu den Menschen! Nicht die Rettung der Menschen! Wie steht es damit bei dir? Du kannst nicht wirklich um Gottes Ehre und Ansehen besorgt sein, solange du noch um dein Ansehen und deine Ehre besorgt bist. Die Demut ist deshalb eine solch schwere Lektion, weil sie uns in unserem innersten Lebensgefühl trifft und in Frage stellt.

Demut ist die völlige Absage an unser Ich, damit Gott ganz Herr sein kann (Johannes 3,30). Rechte Demut ist nie selbstbezogen, sondern sie ist das konsequente Ausleben unserer Taufe. Jesus will Demut durch den Heiligen Geist in dir wirken, wenn du es Ihm in deinem Alltag gestattest (Galater 2,20). Niemand kann sich selbst demütig machen, aber wir können es lernen, d.h. es immer mehr und besser einüben. Spurgeon sagte einmal: „Kein Gegenstand der Betrachtung ist geeigneter, den Geist zur Demut zu bringen, als der Gedanke an Gott.“

Jesu Liebe wurde erst durch Seine Demut (Verzicht auf eigene Geltung) für uns erfahrbar. Sein Weg aus der Herrlichkeit des Vaters, über die Krippe bis zum Kreuz, wo Er der Allerverachtetste wurde, war ein einziger Demutsweg. Seiner liebenden Demut verdanken wir unsere Erlösung. Sind wir Seine rechten Jünger?! Demütig?! Wann willst du damit beginnen, es zu lernen?

2. Die Notwendigkeit der Demut

Wenn wir uns bewusst machen, dass der Stolz (das Sein-wollen-wie-Gott – 1. Mose 3,5) DIE Ursünde schlechthin ist, dann wird klar, weshalb die Demut so notwendig ist. Ja im wahrsten Sinn: Nur die Demut wendet unsere Not! Nur die Demut lässt uns auf Distanz zum Stolz, dem Hochmut, der Selbstsucht und dem Egoismus gehen. Das ist jedoch bis heute die natürliche Lebensart des Menschen. Gott Seine Position streitig zu machen, ist der innerste Kern der Sünde. Hieran können wir bereits klar erkennen, dass Sünde immer auf einen Mangel an Demut zurückzuführen ist. Dieser Mangel an Demut ist eine ausreichende, wenn auch bestimmt nicht immer die vollständige Erklärung für jede Sünde in unserem Leben. Umgekehrt können wir sagen: Jede Sünde ist auf Stolz, Eigensinn und Egoismus zurückzuführen!

In Daniel 4,26-34 wird uns Nebukadnezars Hochmut und Fall, sowie seine Wiederherstellung, nachdem er sich gedemütigt hatte geschildert. Nebukadnezar kam zu der entscheidenden Einsicht: Verstand haben, heißt demütig zu sein! Nur der Demütige ist der Verständige! Deshalb ist es geradezu ein besonderes Zeichen der Fürsorge und Liebe Gottes, wenn Er uns demütigt („Ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich; nun aber befolge ich dein Wort.“ Psalm 119,67). Denn jede Demütigung entzieht der Sünde ihren Wurzelboden. Deshalb macht Gott manchmal zunichte worauf wir uns verlassen (was ist das nicht alles?!), lässt uns bittere „Ent-täuschungen“ erleben, verschließt bisher offene Türen, windet oder schlägt uns aus der Hand, was uns schadet, wir aber nicht loslassen wollen. Nur wer klein von sich denkt, ist nicht weit entfernt von dem Glauben, den Jesus groß nennt (Matthäus 8,7-10).

Ein Gottesmann sagte einmal:„Ich will im Himmel bekannt und in der Hölle gefürchtet sein.“ Das Paradoxe dabei ist: Wenn wir das wirklich wollen, dann müssen wir bereit sein, unser Ansehen auf der Erde zu verlieren (Philipper 2,5f).

Natürlich sollten wir die Aussagen der Bibel über die Demut im Gleichgewicht der gesamten biblischen Offenbarung betrachten und beachten. Demut soll uns lehren, unser Unabhängigkeitsstreben, unseren Stolz und unseren Hochmut Gott und Menschen gegenüber den Abschied zu geben. Aber genauso falsch ist es, zu sagen: „Ich bin ein Nichts! Ich bin gar nichts wert!“ Jeder von uns ist ein einzigartiger Gedanke Gottes. Du magst bestimmte Gaben nicht haben, hast jedoch andere und kannst deshalb im Einsatz derselben, ein wichtiger Mitarbeiter Gottes sein. Wenn du von dir sagst, du wärst ein Nichts, dann beleidigst du Gott. Er hat keine Nichtse geschaffen. Jeder sollte ein JA zu den ihm von Gott geschenkten Gaben, sowie zu seinem ihm von Gott zugewiesenen Platz sagen lernen.

Von Filippo Neri dem Gottesmann aus dem 16. Jhd. wird folgende Geschichte überliefert: In einem Kloster lebte eine junge Frau, die angeblich nahezu unglaubliche Wunder vollbrachte. Der Papst schickte Filippo Neri zur Prüfung dieses Sachverhalts in jenes Kloster. Als dieser nach einer langen Reise dort ankam, verlangte er als erstes, die junge Frau zu sehen. Als sie den Raum betrat, zog er seine schmutzigen Schuhe aus und bat sie, diese zu reinigen. Sie jedoch zuckte nur mit den Schultern, wandte sich ab und ging. Daraufhin brach Filippo in derselben Stunde wieder auf, wanderte nach Rom zurück und meldete dem Papst: „Man darf dem Gerede von den Wundern keinen Glauben schenken. Wo keine Demut ist, kann es keine echten Wunder geben!" - Glaube und Demut gehören zusammen. Wenn ein Teil fehlt, stirbt der andere schnell. Ohne Glaube keine Demut, ohne Demut keinen Glauben!

3. Die Wirkungen der Demut

In 2. Chronik 7,14 steht: „(Wenn) ..Mein Volk, das nach Meinem Namen genannt ist, sich demütigt und (zu Mir) betet und Mein Angesicht sucht und sich von seinem bösen Tun bekehrt: so will Ich sie vom Himmel her erhören und ihnen ihre Sünden vergeben und ihrem Lande Rettung schaffen.“ Nur Demütige erlangen die Verheißungen Gottes, denn 1. Petrus 5,5f! Gott kann dich nur in dem Umfang beschenken, wie du leer von dir selbst (= demütig) bist, d.h. wie du deine Taufe auslebst. Demut kann auf verschiedene Art und Weise zum Ausdruck kommen:

a) Der getaufte d.h. der demütige Mensch sorgt sich nicht, sondern vertraut Gott, dass Er für ihn sorgt. Das heißt also: Ich muss meiner hochmütigen Überzeugung, ich könne für mich selbst sorgen den Abschied geben. Erst dann bin ich in der Lage, Gott wirklich zu vertrauen. Mangel an Vertrauen ist immer auf Hochmut, d.h. auf einen Mangel an Demut zurückzuführen.

b) Bitterkeit, Groll, Hass und Rachegedanken sind ebenfalls auf ein stolzes Herz zurückzuführen. Wahre Demut ist vergebungsbereit, verzichtet auf Rache, richtet nicht, weil sie um die empfangene eigene Vergebung weiß und weil sie ihr Schicksal dem anheimstellt, der recht richtet (1. Petrus 2,23).

c) Sich gegenseitig nicht anzunehmen, wie man ist, ist ebenfalls ein Zeichen von Stolz und Hochmut. Der Demütige, der sich aus Gnaden von Gott angenommen weiß, nimmt auch den Bruder oder die Schwester so an, wie sie sind.

Wenn man nun durch das Wirken des Geistes auf die Wichtigkeit der Demut aufmerksam wurde, kann es sein, dass man eine Zeit demütig zu sein versucht. Da man aber noch nicht wirklich demütig ist, sondern es nur zu sein versucht, hat das zur Folge, dass man nach einer gewissen Zeit wieder genau so selbstsicher und hochmütig ist, wie zuvor. Der Geist Gottes wird aber nicht nachlassen, uns wesensmäßig demütig zu machen, sodass wir nichts mehr bei uns selbst und alles beim Herrn suchen.

Echte geistliche Erfahrungen lassen uns immer tiefer erfassen, was Jesus bereits für uns vollbracht hat. Da bleibt kein Platz mehr für Selbstruhm. Echtes Christenleben ist ein ständiges Offenbarwerden der Gnade Gottes. Das ist beleidigend für denjenigen, der meint, auch ohne Jesus vor Gott etwas gelten zu können. Aber es ist Musik in den Ohren desjenigen, der um seine völlige Abhängigkeit von Gott weiß.

In einer Gemeinde in der Demut etwas gilt, wird auch der Hinweis des Paulus in Philipper 2,3: „..in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst“ verwirklicht werden. Stellen wir uns das vor: Wer auf freundliche Beachtung aus ist – beachtet selbst jeden anderen in freundlicher Art und Weise. Wer gern gelobt werden will – achtet besonders aufmerksam darauf, wo und wie er andere loben kann. Wer eingeladen werden will, weil er einsam ist, der lädt andere zu sich ein und bietet seine Gesellschaft an. - Welch eine Revolution würde das im Gemeindeleben auslösen!

Die Gesundheit und Stärke unseres geistlichen Lebens hängt davon ab, ob wir die Demut, die wir an Jesus bewundern, zur Hauptsache in unserem Leben machen. Demut weist immer vom alten Ich weg, auf Jesus, auf den Vater hin. So ist des Demütigen einzige Kraft und Stärke die Freude an Seinem Herrn (Nehemia 8,10). Der Demütige weiß es, erlebt es und bekennt es: 1. Mose 32,11: „Herr ich bin zu gering für all die Gnadenerweise und all die Treue, die du deinem Knecht erwiesen hast!“

Überlege dir konkrete Schritte, die du heute auf diesem Weg gehen solltest! Bitte jemanden um Vergebung, bekenne jemandem deine Schuld, sei zu einem Dienst bereit, versöhne dich mit einem Bruder, auch wenn er noch nicht so ist, wie du meinst, dass er sein sollte, sei zur Mitarbeit in der Gemeinde bereit, melde dich zur Taufe, bekehre dich endlich, gib deinen Trotz in einer ganz bestimmten Sache auf! Tue es heute! - Amen



Manfred Herold


Manfred Herold