Schein oder Sein - Heuchelei, eine unbeachtete Gefahr

Viele Menschen möchten im Grunde lieber jemand ganz anderes sein. Schon Kinder lieben es, sich zu verkleiden und in andere Rollen zu schlüpfen. Das ist wohl angeboren und natürlich.

Nicht ganz so natürlich ist es, wenn Erwachsene jemand anderes sein wollen, weil sie sich selbst nicht akzeptieren oder sich von anderen nicht akzeptiert fühlen. Sie meinen, wenn sie anders (reicher, frommer, fleißiger, schöner) oder jemand anderes (ein Star, Lottogewinner, erfolgreich) wären, würden sie eher anerkannt und geliebt werden. Das hat zur Folge, dass sie sich weder selbst wirklich kennen lernen, noch bejahen können. Sie spielen eine Rolle, anstatt ihr eigenes Leben zu leben und lernen es deshalb nie, sie selbst zu sein. Sie wissen gar nicht, wer sie eigentlich sind und was sie wollen. Sie spielen fortwährend Rollen, die entweder von ihnen erwartet werden oder die sie sich wünschen.

Gott möchte nicht, dass wir so leben. Er will „echte Menschen“. Gott sind „echte“ Menschen mit Fehlern lieber, als „gespielte“, die fehlerlos erscheinen. Hier sind wir bereits bei unserem Thema „Heuchelei“! Viele halten „Heuchelei“ heute für veraltet und überholt. Aber es ist ein hochaktuelles und hochbrisantes Thema, zu dem Jesus deutliche und helfende Worte sagte.

1. Was versteht Jesus unter „Heuchelei“?

Das in der Bibel gebrauchte griechische Wort für „heucheln“ hatte zunächst gar keine negative Bedeutung. Er war die Berufsbezeichnung des Schauspielers, der eine Maske trug und eine Rolle spielte.

Der Vorwurf Jesu gegen die „Heuchelei“ der Frommen Seiner Zeit in Matthäus 23 ging aber noch einen Schritt weiter. Er wendete sich nicht nur gegen das „so tun als ob“, sondern Er bezeichnete auch das nur äußerliche Befolgen der Gebote Gottes als „Heuchelei“. Und da kommen alle Frommen aller Zeiten sofort wieder mit ins Spiel.

„Alle ihre Werke (sagte Jesus über die Pharisäer) tun sie in der Absicht, von den Leuten gesehen zu werden.“ (Matthäus 23,5) Solche Menschen meinen, sie wären bereits durch die äußere Befolgung der Worte Gottes Seine rechten Zeugen. Dabei wollen sie nur ihre inakzeptable innere Einstellung hinter einer frommen Maske verstecken. Der Heuchelei liegt oft gar keine Absicht zugrunde. Man will nicht bewusst täuschen, ist aber einfach nicht wahr, nicht echt.

Haben wir uns nicht auch schon sehr daran gewöhnt?

·         Freundlich ins Gesicht - hinter dem Rücken?!

·         Demonstratives Beten im Restaurant - kaum Gebetsleben sonst!

·         In der Gemeinde als fromme Jünger Jesu erscheinen – doch was sagen unsere Nachbarn und Kollegen über uns?

·         In der Gruppe und im Hauskreis besonders bibeltreu – doch nach welchem Maßstab verhältst du dich im Straßenverkehr?

·         In Gemeinde bist du liebevoll und hilfsbereit - zu Hause lässt du alles deine Frau/Mann machen!

·         Anderen hörst du eifrig zu und berätst sensibel - Kinder/Ehefrau/Ehemann erhalten jedoch nicht die nötige Aufmerksamkeit!

·         Du versprichst füreinander zu beten und hast doch gleich wieder vergessen, was eben noch so wichtig erschien!

·         Du signalisierst Anteilnahme, weil man in der Gemeinde eben Anteilnahme zeigt. („Wie geht es dir?“)

·         Du legst großen Wert auf äußere Formen, auf dein äußeres Erscheinungsbild, den äußeren Wohlklang, den Schein, aber wie sehen die wahren Inhalte deines Lebens aus? „Wie es drinnen aussieht, geht niemanden etwas an!“

Wir dürfen uns niemals mit dem Widerspruch zwischen Wissen und Tun abfinden. Vor allem sollte in unserem Leben nicht das Wissen und Verkündigen des Willens Gottes auf der einen Seite, der Flucht vor dem Gehorsam durch die Erfüllung von Äußerlichkeiten auf der anderen Seite gegenüberstehen.

„Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! Denn ihr verzehntet die Minze und den Anis und den Kümmel und habt die wichtigeren Dinge des Gesetzes beiseite gelassen: das Recht und die Barmherzigkeit und den Glauben; diese hättet ihr tun und jene nicht lassen sollen.“ (Matthäus 23,23) Die Pharisäer erkannten wohl das Wichtigste am Gesetz, sie umgingen es aber durch die Erfüllung geringfügiger Einzelvorschriften („Ersatzhandlungen“).

Haben wir noch den Blick für die göttlichen Prioritäten? Oder ist uns an vielen Stellen nicht auch schon Zweit- und Drittrangiges wichtiger, als das, was die Bibel den „Endzweck des Gebotes“ nennt, nämlich „Liebe aus reinem Herzen, aus gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“? (1. Timotheus 1,5)

2. Warum ist „Heuchelei“ falsch und gefährlich?

Im Grunde soll sie verbergen, dass wir den Willen Gottes nicht erfüllen können und deshalb auf die Gnade Gottes angewiesen sind. Hier wird auch die eigentliche Stoßrichtung des Angriffs Jesu deutlich: Er will uns die Maske der Heuchelei herunterreißen, um uns den Wert der Gnade Gottes, die Er anbietet, deutlich zu machen. - Lege heute deine Masken ab!

Heuchelei ist die Gefahr aller zur Gewohnheit gewordenen Frömmigkeit. Deshalb ist sie auch stets das Problem der Rechtgläubigen. Jesus hatte z.B. nichts an der Lehre der Pharisäer auszusetzen, wohl aber an ihrem Lebensstil.

„Alles nun, was sie euch sagen, tut und haltet; aber handelt nicht nach ihren Werken! Denn sie sagen es und tun es nicht.“ (Matthäus 23,3) Rechte biblische Lehre kann als vortreffliche Maske missbraucht werden, die eine Illusion der Sicherheit bietet, welche jedoch durch nichts gerechtfertigt ist. Und weil dabei vieles unbewusst geschieht, ist Heuchelei so gefährlich. - Lass´ dich heute wachrütteln und ändere dein Leben! Jesus will das durch Seinen Heiligen Geist in dir wirken!

Die Frömmigkeit des Heuchlers ist mehr auf Menschen, als auf Gott ausgerichtet. (Matthäus 6,2+5+16; 23,13; 24,51)

·       Sie fragt mehr nach dem Eindruck, den ihr Verhalten auf Menschen, als auf Gott macht.

·       Es wäre ihm/ihr z.B. furchtbar peinlich, wenn der Pastor dies oder jenes aus ihrem Leben wüsste; dass es Gott aber sehr wohl weiß, beunruhigt den Heuchler längst nicht so sehr.

·       Auf diesem Hintergrund müssen wir auch unsere kleinen Zweck-, Not- und Alltagslügen sehen. Zu ihnen greifen wir, wenn wir unser wahres Gesicht hinter einer Maske verbergen, aus Angst, es wäre gar zu hässlich.

„Heuchelei“ lebt vom Unterschied zwischen dem Inneren und dem Äußeren. Für die letzte Zeit, in der wir heute leben, wurde die „Heuchelei“ als besondere Gefährdung in 2. Timotheus 3,2-5 beschrieben: „Denn die Menschen werden sich selbst lieben,…sie lieben das Vergnügen mehr als Gott; dabei haben sie den äußeren Schein von Gottesfurcht, deren Kraft aber verleugnen sie. Von solchen wende dich ab!“ - Hier wird deutlich davor gewarnt, Schein und Sein zu verwechseln. „Heuchelei“ ist gelebte Distanzierung von Gott. Jesus lässt es nicht zu, dass die Form an die Stelle des Inhalts tritt. Außen schön und innen hässlich, das ist Ihm zuwider.

Es gibt keine sicherere Methode, Kinder vom Weg mit Jesus zurückzuhalten oder abzubringen, als die fortgesetzte Heuchelei der Eltern. Das ist der Punkt, der Heranwachsende immer wieder besonders abstößt. Das bedeutet nicht, dass Kinder sich perfekte Eltern wünschen, sehr wohl aber, dass auch Eltern ihre Fehler einsehen, sich dafür entschuldigen und wirklich Buße tun, d.h. sie mit Gottes Hilfe nicht mehr begehen.

Heuchelei bietet dem Menschen die Möglichkeit, innere Unwahrhaftigkeit unter dem Anschein von Frömmigkeit durchzuhalten. Gehe auf diesem gefährlichen Weg nicht mehr weiter!

3. Wie kann die „Heuchelei“ überwunden werden?

·       Zuerst einmal ist Mut zur Ehrlichkeit gefragt. Mut, sich selbst so zu sehen, wie man wirklich ist und nicht nur so, wie man sich gern sehen möchte. Dazu benötigen wir mutige und liebevolle Geschwister in der Gemeinde. - Wenn du diesen Mut und diese Liebe nicht hast, dann bitte Jesus darum. Er schenkt sie dir.

·       Werde dir darüber klar: Du hast nicht nur die Aufgabe „ehrlich“, sondern auch „wahr“ zu sein. „Ehrlich“ ist ein subjektiver Begriff und signalisiert, dass ich mich ehrlich um die Wahrheit bemühe. „Wahr“ ist ein objektiver Begriff und besagt, dass etwas vor dem ewigen Richter richtig ist. Christen sollen nicht nur subjektiv „ehrlich“, sondern auch objektiv „wahr“ sein.

·       Du sagst: „Ich habe jetzt keine Lust, meine Bibel zu lesen.“ Das mag deine subjektiv ehrliche Meinung sein. Aber ist sie auch „wahr“? Gott möchte gerade jetzt zu dir reden und deshalb solltest du Gottes Wort lesen, obwohl du keine Lust dazu hast.

·       Du sagst: „Dieses Lied gefällt mir nicht, deshalb singe ich es nicht mit!“ Das ist deine ehrliche Meinung. Aber ist sie auch richtig vor Gott? Solltest du, wenn du Deinem Gott schon keine eigenen Loblieder singen kannst, dich nicht einladen lassen, mit der 2000 Jahre alten Gemeinde, Gottes Lob zu singen? Es geht häufiger als wir ahnen um mehr, als um unsere subjektiv ehrliche Meinung. So wichtig ist die oft gar nicht, angesichts der Wahrheit Gottes. - Du sagst zu mir: „Du bist ein Idiot!“ Das mag deine ehrliche Meinung sein, aber ist es auch wahr?

Wir müssen es lernen, Schmerzen über uns selbst auszuhalten und durch sie zu reifen. Hier brauchen wir geschwisterliche Hilfe, damit wir nicht nur „ehrlich“ sind, sondern auch „wahr“ werden. (Die Wahrheit in Liebe festhalten – Epheser 4,15) Davon hängt viel für uns ab.

„Da ihr eure Seelen durch den Gehorsam gegen die Wahrheit zur ungeheuchelten Bruderliebe gereinigt habt, so liebt einander anhaltend, aus reinem Herzen!“ (1. Petrus 1,22)

·       Du kannst und solltest alle Eigensicherungen aufgeben und deine Lebens- und Zukunftsplanung getrost Jesus überlassen.

·       Du solltest alle deine Verstecke verlassen, alle deine Masken ablegen, um dich Gottes Zuspruch und Anspruch zu stellen.

·       Nur konsequenter Gehorsam gegen die erkannte göttliche Wahrheit hilft dir aus dem Irrgarten der Heuchelei heraus.

·       Das bedeutet eine ungeheure Entlastung und Befreiung. Du darfst vor Jesus du selbst sein und erwarten, dass Er dich zu einer Persönlichkeit macht, wie Er sie sich vorstellt. Du musst dich nicht mehr darum sorgen, vor Menschen in einem guten Licht dazustehen, - Hauptsache, du bist Gott recht. Und wer sich zu Jesus hält, der ist Gott recht.

Alles, was man tut, um vor den Menschen als fromm zu erscheinen, ist Heuchelei. In manchen christlichen Kreisen wird der fromme Schein geradezu erwartet. Bei uns sollte das nicht so sein, selbst wenn es uns ab und zu bequemer vorkommt.

„Denn wir vermögen nichts gegen die Wahrheit, sondern [nur] für die Wahrheit.“ (2. Korinther 13,8) Weshalb ist das so? Am Ende fallen alle Masken, hört alle Schauspielerei auf (Lukas 12,1-2). Diese Tatsache sollte uns anspornen, schon jetzt ehrlich und wahr zu sein. Jesus will „echte“ Leute haben. Er ruft uns in die Gemeinde, damit wir es lernen „authentisch“ zu leben.

Noch 3 Vorschläge, wie du dich konsequent von aller „Heuchelei“ befreien kannst:

➢   Raffe dich neu dazu auf, dich der Wahrheit Gottes, wie sie dir in der Bibel begegnet, zu stellen. Darin begegnest du Jesus Christus.

➢   Bringe den Mut auf, die erkannte Wahrheit konsequent in die Tat umzusetzen. Nur so wird die Botschaft Jesu Christi wieder glaubwürdig.

➢   Bitte um Geistesgegenwart, damit du in den jeweiligen Situationen daran erinnert wirst, in Liebe die Wahrheit zu sagen, damit Jesus, die Wahrheit, durch dich geehrt wird.

Manfred Herold

Manfred Herold