Das „Vater unser“

Im Lukasevangelium wird uns gesagt, Jesus habe den Jüngern das "Vater-unser" als Antwort auf ihre Bitte, sie beten zu lehren, mitgeteilt. - Wir fragen: "Ja, konnten sie denn nicht beten?" Selbstverständlich konnten sie in traditioneller Art und Weise beten. Aber meist geschah nichts daraufhin. Als sie jedoch Jesus eine Zeit lang beobachtet hatten und sahen, was auf Grund seines Betens passierte, erkannten sie ihren Mangel und wollten von IHM unterrichtet werden.

Es ist auch heute ein großes Geschenk, seine Lernbedürftigkeit im Hinblick auf das Gebet einzusehen und dann in die Schule Jesu zu gehen. Denn noch immer schwanken viele Christen zwischen hochmütigem Selbstbewusstsein ("Das schaffe ich schon!") und sündigem, d.h. von Gott losgelöstem Begehren ("Das muss ich unbedingt haben!"). Das falsche Selbstbewusstsein lässt es erst gar nicht zu wahrem Beten kommen, und das falsche Begehren verhindert die Erhörung des Gebets. Liegen da vielleicht schon die Schlüssel zu deiner Gebetslosigkeit? Durch sein Wort und den Heiligen Geist will Jesus uns deshalb unsere ganze Schwachheit, Unfähigkeit, Unwürdigkeit und Jämmerlichkeit vor Augen führen, damit wir im Geist (d.h. im Vertrauen auf den Geist Gottes) beten lernen. Ebenfalls durch Wort und Geist will ER unser Begehren, unsere Wünsche und Ziele neu ordnen, d.h. sie auf Ewiges, Echtes, Wahres, Bleibendes ausrichten, damit wir in Wahrheit (d.h. in Übereinstimmung mit seinem Willen = erhörlich) beten lernen. (Johannes 4,23)

Wenn wir uns vor Augen halten, dass im geistlichen Leben nichts geschieht und nichts auf Dauer besteht ohne das Gebet; - wenn wir uns bewusst machen, dass der Geist Gottes nur eine "Methode" hat, durch die er wirkt, das Gebet; - wenn uns klar wird, dass Gott nichts tut, es sei denn als Antwort auf Gebet; - wenn uns auf diese Weise der wahre Stellenwert des Gebets deutlich wird, dann drängen sich die Fragen auf:

- Hast du es schon gelernt, so zu beten?

- Bist du wenigstens dabei, es zu lernen?

- Willst du nicht endlich ganz bewusst damit beginnen? Heute?!

Der beste "Grundkurs" und zugleich der tiefgründigste "Kurs für Fortgeschrittene" ist und bleibt für alle Lernwilligen das "Vaterunser", dieses Herzstück des Evangeliums, dieser Schlüssel zur Verkündigung Jesu, dieses Modell- oder Lehrgebet.

„Vater“

Wie das 1. Gebot im Keim alle anderen enthält, so ist die Anrede: "Vater-unser" der Kern und Keim aller folgenden Bitten.

Zuerst weist uns dieses Wort "Vater" auf Jesus hin (Johannes 14,6; Galater 3,26). In ihm ist uns Gott ganz nahe gekommen. Allein durch ihn ist die verschlossene Tür zum Vater wieder geöffnet worden. "Abba" war Kindersprache und gehörte zu den ersten Lauten, die ein Kind plapperte. Niemand würde es damals gewagt haben, Gott so anzusprechen. Jesus tat es in allen seinen Gebeten. Er sprach mit Gott, wie ein Kleinkind mit seinem Vater, so natürlich, so beziehungsreich, so einfach und kindlich, aber doch immer respektvoll.

Er allein hatte das Recht, Gott seinen Vater zu nennen, und zugleich die Vollmacht, dieses Recht an seine Jünger, an seine Gemeinde weiterzugeben. Indem Jesus die Glaubenden zu seinen Brüdern macht, dürfen sie diesen Gott "Vater" nennen. Hier aber taucht für uns und unsere Zeitgenossen eine scheinbar unüberwindliche Schwierigkeit auf: unsere menschlichen Vaterbilder. Die Erfahrungen mit unseren Vätern haben tiefe Spuren hinterlassen und stehen vielen Menschen im Wege, wenn sie versuchen, Gott als Vater verstehen zu wollen.

Da spannt sich dann der Bogen vom tyrannischen oder autoritären Vater über den viel beschäftigten, den gleichgültigen, den stets nachgiebigen bis zu dem entschlussschwachen und standpunktlosen Vatertyp. Das Neue Testament zeigt uns jedoch an dieser Stelle deutlich, dass Rückschlüsse von unseren irdischen Vaterbildern auf das Vatersein Gottes die Dinge auf den Kopf stellt. Denn Gottes Vatersein ist keine Projektion unserer menschlichen Vatervorstellungen und -erfahrungen! Im Gegenteil, das Vatersein Gottes ist Urbild und Maß aller irdischen Vaterschaft. Nicht indem wir auf unsere leiblichen Väter schauen erfahren wir, welch ein Vater Gott ist, sondern allein indem wir auf Jesus schauen! (Johannes 14,9) Es ist für unser gesamtes Christsein entscheidend, ob wir die Tatsache der Vaterschaft Gottes wesensmäßig erfassen. Das war Jesu Anliegen während seines irdischen Lebens und ist es noch heute (Johannes 17,5-6+25-26). Deshalb lehrte er auch seine Jünger, zum Vater zu beten.

Ein echtes, tiefes Vaterbewusstsein würde unser Christsein und da vor allem unser Gebetsleben revolutionieren. Der Vater ist der Lebensspender, der Versorger, Fürsorger, Beschützer, Erzieher, er schenkt Geborgenheit und Liebe, er geht auf mich ein, ist mir wohlgesonnen. Ich muss ihn zu all dem nicht erst in meinen Gebeten überreden! Wir leiden im Grunde ja nur an unserem Widerstand und unserem Misstrauen gegen Gott, der doch durch Jesus unser Vater geworden ist. Eine gute Vaterbeziehung macht z.B. viele Worte unnötig. Deshalb ist das "Vater-unser" ein kurzes Gebet. - Ist unser Hang zum Viele-Worte-machen im Gebet nicht häufig ein Ausdruck unserer schwachen Vaterbeziehung?!

Die Tatsache immer tiefer zu erfassen, dass wir durch den Glauben an Jesus ohne Abstriche Kinder des göttlichen Vaters sind, und in der Gemeinschaft mit IHM alles zu entdecken, was das beinhaltet, ist entscheidend für das gesunde Wachstum eines ganzheitlichen, fruchtbringenden Glaubenslebens. Das Bewusstsein, einen solchen Vater zu haben, verändert unser Leben von Grund auf: Unser Gebet, unser Vertrauen, unsere Liebe, unsere Hoffnung, unseren Dienst, unsere Einstellungen! Gott als Vater zu erkennen, ist der Schlüssel zu echtem christlichen und das heißt auch entspannten Beten.

„unser“

Das besitzanzeigende Fürwort beschränkt und beschreibt den betroffenen Personenkreis. Es sind also nicht automatisch alle Menschen gemeint, sondern nur die, welche durch den Glauben an Jesus Christus wiedergeboren wurden, also Kinder Gottes, d.h. Glieder der Gottesfamilie geworden sind. In der Gemeinde verbindet uns demnach nicht Herkommen, Bildung, soziale Stellung, Hautfarbe, Alter oder Geschlecht, sondern der EINE Vater. Dessen sollten wir uns bewusst bleiben.

Wir sollten auch nie versuchen, dem Vater seine Verantwortung für jedes einzelne Glied seiner Familie aus der Hand zu nehmen. ER sorgt für die Seinen - auch für dich! Ein besonderes Anliegen des Vaters ist die Einheit seiner Familie. Die Liebe zu unserem gemeinsamen Vater und die Wertschätzung des Opfers Jesu sollten für uns eine heilige Verpflichtung zur Einheit sein.

In der Familie Gottes ist man aus Liebe füreinander da; man ist aufeinander angewiesen, nimmt einander an, bejaht sich gegenseitig, hilft einander zurecht, weil Gott genauso des Bruders, der Schwester Vater ist, wie er mein Vater ist. Ohne Jesus wären wir alle nichts. Es gibt in der Familie Gottes Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit, jedoch keine allgemeine Gleichmacherei. Deshalb werden wir vor Überheblichkeit, Stolz, Kritiksucht und Rechthaberei gewarnt (Matthäus 7,1-2)! All das macht den Vater traurig, weil es die Einheit zerstört und die Familie in ein schlechtes Licht stellt (Römer 2,24).

Merke: "Ich, mein, mir, mich" kommen im ganzen "Vater-unser" nicht vor. Beim echten Beten geht es nicht vorrangig um uns, um unsere persönlichen Anliegen, sondern um den Vater, um die Gemeinschaft seiner Kinder und um sein Reich (Matthäus 6,33). Das "Vater-unser" ist kein Gebet für fromme Einzelgänger, sondern das Gebet der Jüngergemeinde.

„im Himmel“

Mit "Himmel" ist die unsichtbare Welt Gottes gemeint. Sie umgibt uns, sie durchdringt alles und in sie haben wir durch unser Gebet Zutritt. Da thront unser Gott in einem unvorstellbaren Licht und hält das ganze Weltgeschehen im Großen, wie im Kleinen, in seiner Hand (Psalm 115,3; 1. Timotheus 2,4; Matthäus 10,29).

Spätestens hier werden wir aber erneut mit drängenden Fragen konfrontiert: "Wie reimt sich der im Himmel thronende Gott mit all dem Schrecklichen, was auf unserer Erde passiert? Wie kann ein liebender, gütiger Gott das alles zulassen?" - Gegenfrage: "Muss ein Vater auch dann weiterhin gütig sein, wenn seine Kinder diese Güte immer wieder ausschlagen, ignorieren, verspotten? Wenn sie sein Wort überhören, seine Gebote missachten, seinen Willen mit Füßen treten?" Gott lässt die Menschen und Völker ihre selbst gewählten Wege der Selbstsucht, des Hochmuts und der Selbstzerstörung gehen - und er lässt sie die Konsequenzen tragen. Sie wollen ohne Gott leben, deshalb müssen sie ohne Gott leben. Hören wir doch auf, den Vater für Dinge verantwortlich zu machen, die abseits von seinen Wegen und gegen seinen erklärten Willen von verblendeten Menschen veranstaltet werden! Jeder, der von seinen selbstherrlichen Wegen umkehrt und Jesus um Vergebung bittet, wird die Freundlichkeit und Liebe des himmlischen Vaters ganz persönlich kennen lernen. Der Himmel ist der Ort, an dem es keine Trübung, keinen Widerspruch, nichts Unreines, keinen Schmerz, keine Tränen, kein Geschrei gibt. Vor allem aber ist er der Ort, an dem es keine Trennung (=Sünde) mehr gibt, wo das Ende, der Ausgang aller Dinge genau so gegenwärtig ist, wie der Anfang. In seiner Liebe hat Gott einigen seiner Kinder einen Blick hinter die Kulissen gestattet und ihnen zu unserer Ermutigung den Ausgang allen Weltgeschehens gezeigt (Offenbarung 21,1-8). Dieser allmächtige Herrscher, bei dem es keine Veränderung, keinen Wechsel seiner Meinung oder Stimmung gibt, dessen Liebe immer gleich stark uns um Jesu Christi willen zugewandt bleibt, ist - unser Vater.

Wenn wir diese Wahrheit auf uns wirken lassen, sie tief zu Herzen nehmen, dann wird unser Alltag von Freude, Friede, Gelassenheit, Vertrauen, Hoffnung und Liebe geprägt sein. Dann wird uns das ein großer Ansporn zu treuerem, vertrauensvollerem, gemeinschaftsbezogenerem, den Vater verherrlichendem Beten sein. Und Beten bedeutet, im Glauben daran zu denken, zu fühlen, zu sprechen und zu wollen, dass der Vater hört, sich kümmert und antwortet.

Manchmal stürzt eine Brücke ein, doch deswegen haben die Gesetze der Statik und der Schwerkraft nicht versagt. Es gibt bisweilen einen Kurzschluss, doch deswegen sind nicht die Gesetze der Elektrizität außer Kraft gesetzt. Und manchmal verrät ein Jünger seinen Herrn, aber das heißt nicht, dass deswegen die Gesetzmäßigkeit der Liebe außer Kraft gesetzt worden wäre. Manchmal wird ein Gebet nicht erhört, aber dadurch wird die Macht des Gebets nicht gemindert.

Der Wissenschaftler gibt nicht auf, weil ein Kurzschluss in der Leitung, oder weil eine Brücke eingestürzt ist. Warum sollten Beter aufhören zu beten, wenn einmal ein Gebet nicht erhört wurde? Man stelle sich nur vor, was geschähe, wenn alle Christen sich im Gebet in demselben Glauben an die Ordnungen Gottes vereinten, wie ihn die Wissenschaftler den Gesetzen der Natur entgegenbringen. Wir haben einen guten Vater, der um Jesu willen Gebet erhört!





In dem Wort "Vater" ist das ganze Evangelium, das Jesus Christus ermöglichte und verkündigte, zusammengefasst. Alle, die es sich gefallen lassen, dass Jesus ihnen ihre Schuld vergibt, dass er ihr Denken, Reagieren und Handeln um orientiert, dass er ihnen neues Leben durch den Heiligen Geist schenkt, dürfen "Vater" zu Gott sagen. Jesus hat uns auf diese Weise mit Gott als dem "Vater" bekannt gemacht. Nun sollen wir ihn nicht mehr "Allmächtiger", "Höchster", "großer Gott" oder "All-weiser" nennen, sondern wir sollen ihn mit dem herrlichsten, schönsten und erhabensten Titel anreden, der uns durch den Sohn geoffenbart wurde: "Vater"!

AN diesem Vater und MIT diesem Vater freut sich die ganze Familie Gottes, die Gemeinde. Hier kann man es gemeinsam erleben, dass es in Wahrheit keinen liebevolleren, stärkeren, treueren, zärtlicheren, geduldigeren, wunderbareren Vater gibt, als "UNSEREN VATER IM HIMMEL". Deshalb wird in dem Maße, wie in deinem Leben die Liebe zu diesem Vater zunimmt, auch die erste Bitte des VATERUNSERS immer mehr an Bedeutung gewinnen:

„geheiligt werde“

Diese erste Bitte klingt seltsam abstrakt und scheint meilenweit von den Fragen entfernt zu sein, die uns heute um treiben. - "Was sind schon Namen?" Namen sind "Schall und Rauch", heute gefeiert, morgen gefeuert, - heute fast bis in den Himmel erhoben und morgen vergessen. - "Und was bedeutet es, einen Namen zu heiligen?"

Wenn wir es genau betrachten, ist diese erste Bitte zunächst einmal nichts anderes als ein Sündenbekenntnis. Wir bringen darin zum Ausdruck: "Vater, dein Name - und das heißt ja, du selbst - spielst in meinem Leben, in meiner Familie, in meinem Beruf, in meiner Gemeinde, in meiner Stadt eine so untergeordnete Rolle, d.h. du wirst so wenig für etwas Besonderes, für wichtig und bedeutend gehalten, dass es eine Schande ist. - Zeige mir neu, was ich an dir habe, damit ich dich recht ehren lerne."

Denn der Kern aller Sünde ist nach Römer 1,21 die Weigerung, Gott die Ehre zu geben. Als der Mensch "wie Gott sein wollte", d.h. als er aufhörte, Gott "heilig" zu halten, brach das Chaos der Sünde über die Schöpfung herein. Die neue Schöpfung, die Jesus herauf führt, trägt deshalb als größten Wunsch im Herzen und als erste Bitte auf den Lippen: "geheiligt werde dein Name". (heiligen = absondern, weihen, verehren) Dieses Verlangen, dass Gott, unser Vater, wieder umfassend zu seinem Recht kommt, dass IHM die Ehre zuteil wird, die ihm gebührt, dass er so geliebt wird, wie er es verdient, kennzeichnet jedes wahre Gotteskind! (Dich auch?) Deshalb werden wir uns stets zuerst selbst prüfen, ob etwas in unserem Leben den Vater verunehrt. Wenn sich schon jeder normal empfindende Mensch gegen eine Beleidigung seiner Mutter wendet, um wie viel mehr sollte jedes Gotteskind jeder Verunehrung seines himmlischen Vaters entgegentreten!

Wenn andere Menschen aber das Ansehen unseres himmlischen Vaters in den Schmutz treten, sollten wir uns davor hüten, ihnen mit säuerlichen oder empörten Ermahnungen entgegenzutreten. Wir sollten vielmehr versuchen, ihnen, wenn möglich, die Ursache unserer Wertschätzung und Liebe zu erklären, und sie dann bitten, solche Beleidigungen unseres Gottes doch in Zukunft zu unterlassen. Dennoch wird es aber manchmal nötig sein, eine Gesprächsrunde zu verlassen, eine Fernsehsendung abzuschalten, ein Buch oder eine Zeitschrift weg zulegen (Psalm 1,1).

Auch an dieser ersten Bitte des "Vaterunsers" können wir erkennen, dass es beim rechten Beten nicht in erster Linie um unsere Nöte und Anliegen gehen soll, sondern dass wir des Vaters "Anliegen" und "Nöte" aufnehmen sollen (Matthäus 6,8+33). Diese erste Bitte will uns von aller Ichhaftigkeit beim Beten befreien. Damit diese Herzenseinstellung heranreift, ist es nötig, dass wir viel Zeit im Gebet verbringen. Gott lädt uns wie Mose ein (2. Mose 24,12): - "Steige zu mir herauf" - Anstrengung, Sammlung; - "Bleibe da selbst" - Gemeinschaft, Konzentration; - "So will ich dir geben" - Segen, Frucht, Gottähnlichkeit!

„dein Name“

Gott hat einen Namen. - Namenlos ist die Not und das Elend auf dieser Erde. Namenlos ist die Bosheit und Heimtücke der Menschen. Überall können wir es sehen: Die Sünde liebt die Anonymität, ja sie lebt geradezu von der Heimlichkeit. Anonyme, d.h. namenlose Briefe sind in der Regel gemeine Briefe. Gott aber ist kein anonymer Briefschreiber, Gott steht mit seinem Namen zu allem, was er sagt, tut und lässt. Manch einer fragt: "Welcher von den vielen Namen, die uns schon im Alten Testament von Gott mitgeteilt wurden, ist wohl hier gemeint?" - Ich beziehe ihn auf die höchste und letztgültige Offenbarung eines Gottesnamens, die wir kennen: "VATER". Der Vatername soll geheiligt werden, d.h. er soll als DER besondere Name von jedermann, der mit uns zusammen trifft, erkannt werden.

Ein Name ist ja nicht einfach ein leeres Wort, eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Unser Name, - das sind wir selbst. Unser Name, das ist ein Teil unseres Wesens, das ist unsere nach außen gekehrte Person. Die Nennung des Namens ist wie ein Brückenschlag zu einem anderen Menschen hin. Genauso hat Gott mit der Offenbarung seines Vaternamens durch Jesus einen weiteren Schritt auf uns Menschen zu gemacht. Seit Jesus kam, wissen wir endgültig, wer Gott ist, wie er ist und was er will. Es war sein Auftrag, den Vaternamen, d.h. die Vaterschaft Gottes, in dieser Welt zum strahlen zu bringen. Jesu Geburt, sein Leben, Reden und Wirken, sein Leiden, Sterben und Auferstehen war von Anfang bis Ende nichts anderes als eine Darstellung, eine Demonstration der Vaterliebe Gottes vor den Augen und Ohren eines Volkes, das Gott noch nicht wirklich kannte.

Wenn wir einen Brief oder eine Urkunde unterschreiben, so übernehmen wir damit die Verantwortung für alles, was in diesem Schriftstück geschrieben steht. Der Namenszug unter einem Brief bedeutet, dass ich zu seinem Inhalt "JA" sage, dass ich mich damit identifiziere. Gottes Name wird bei uns dann geheiligt, wenn wir es ihm erlauben,

  • dass er unser ganzes Leben mit seinem Namen unterzeichnet, d.h. Neuhingabe im Gebet

  • dass er, wo nötig, seine Korrekturen anbringt oder unser Leben unter ein neues Thema stellt,

  • dass wir uns ihm mit allem, was wir sind und haben anvertrauen, d.h. Ihm im Heute leben

  • dass wir ihm die Verantwortung für das überlassen, was in unserem Leben geschieht.

Wenn unsere Mitmenschen merken,

  • welch große Stücke wir von unserem himmlischen Vater halten,

  • wie getrost und geborgen wir uns in seiner Nähe fühlen,

  • welcher Friede uns bei dem Gedanken erfüllt: ER sorgt für mich!

  • wie die Liebe zu ihm uns vor Sünde und vor Selbstsucht zurückschrecken lässt,

  • welche Freude wir bei seinem machtvollen Eingreifen in unser kleines, aber für ihn dennoch nicht unbedeutendes Leben erleben,

  • welche Hoffnung uns erfüllt, weil er die Zukunft in seiner Hand behält, dann fassen noch viele von ihnen Vertrauen zu diesem Gott, der durch Jesus auch ihr Gott und Vater werden will. Dann werden auch sie ihn mit dem Vertrauen ihres Herzens und dem Lob ihrer Lippen ehren.

Wer Gott lobt, heiligt seinen Namen, denn er nimmt die richtige Haltung Gott gegenüber ein. Er lässt Gott in seinem Leben wirklich Gott sein, gibt ihm die Ehre, die ihm zusteht und ordnet sich seiner Herrschaft willig unter (Psalm 115,1-3). Wer Gott nicht lobt, sucht bewusst oder unbewusst noch die eigene Ehre (Johannes 5,44; Psalm 135,3-6). Wer Gott lobt, erweist seinen Glauben und seine Liebe zu ihm. Da Gott sich teils durch Worte, teils durch Werke offenbart, so heiligen wir seinen Vaternamen dadurch, dass wir auf sein Wort hören und ihm gehorchen, d.h. seine Werke durch uns geschehen lassen (Epheser 2,10). So steht am Eingang des Gebets, das Jesus seine Jünger lehrte, als erste Bitte eine "enge Pforte". Durch sie müssen wir eintreten, wenn wir den Reichtum all der übrigen Bitten erfahren wollen. Da es sich bei dieser Bitte um den Hauptangriff gegen das zentrale Anliegen Satans, Gott die Ehre streitig zu machen, handelt, müssen wir uns auf starken Widerstand gefasst machen, den wir aber in der Kraft des Heiligen Geistes, den Jesus uns schenkt, überwinden können, um dann noch erwartungsvoller zu bitten: "Bringe deinen Vaternamen bei uns, bei mir, täglich und stündlich voll und ganz zur Geltung!"



Wer sich von Jesus mit Gott versöhnen lässt, erkennt in ihm den VATER. Das Erfassen seiner göttlichen Liebe löst Gegenliebe aus. Diese Liebe, Wertschätzung und Hochachtung des Vaters erzeugt den tiefen Wunsch: "GEHEILIGT WERDE DEIN NAME" d.h.: "Veranlasse doch bitte, dass dein Vatername bei allen Menschen voll und ganz zur Geltung kommt!" Weil das in vollem Umfang erst dann geschieht, wenn das "REICH GOTTES" aufgerichtet wird, lehrt Jesus uns nach dem "GEHEILIGT WERDE DEIN NAME", die zweite Bitte, "DEIN REICH KOMME", zu sprechen.

„dein Reich komme“

Was ist das "Reich Gottes"? - Das Reich Gottes ist weder mit einem vollautomatischen Schlaraffenland, noch mit einer klassenlosen Gesellschaft zu vergleichen. Es unterscheidet sich so radikal von allen irdischen Reichen, dass Jesus einmal sagte: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt!" (Johannes 18,36)

Das "Reich Gottes" ist nicht in erster Linie der Herrschaftsbereich Gottes, sondern vor allem das Herrschen Gottes selbst. Die Aufrichtung des "Reiches Gottes" durch den himmlischen Vater ist geradezu die Summe alles dessen, was er nach der Katastrophe des Sündenfalls zur wunderbaren Wiederherstellung seiner Schöpfung getan hat, tut und noch tun wird. Es ist die Therapie Gottes auf Grund seiner Diagnose. Deshalb muss auch das Anliegen des Reiches Gottes in unserem Leben absolute Vorfahrt haben (Matthäus 6,33).

Es ist in der Person Jesu angebrochen (Lukas 17,21). Weil er den Vater in seinem Leben völlig Herr sein ließ, war er der erste Stützpunkt der guten neuen Herrschaft Gottes in der Menschenwelt, ein erster Brückenkopf des Himmels. Trotz all der wütenden Versuche Satans, Jesus zu einem "autonomen" (= selbständigen, unabhängigen, eigen gesetzlichen) Lebensstil zu verführen, lebte er bis zu seinem letzten Atemzug auf Golgatha ganz unter der guten Herrschaft seines Vaters. So hat das Reich Gottes seinen "Durchbruch" geschafft. Und das Reich Gottes wächst heute überall dort, wo Jesus Christus die Herrschaft eingeräumt wird. Es ist der Bereich, in dem Jesu Liebe regiert. Diese durch den Heiligen Geist ausgegossene Liebe Gottes, macht Menschen neu. Und es ist nichts weniger als eine neue Geburt nötig, um in das Reich Gottes zu kommen (Johannes 3,3). Hast du sie schon erlebt? Bist du bereits Teil des Reiches Gottes?

Gottes Reich ist überall da, wo Menschen sich die Vergebung Jesu schenken lassen und dadurch bereit werden, sie weiter zu schenken. Gottes Reich ist da, wo man nicht mehr zuerst an sich selber denkt und um seine eigenen Anliegen und Wünsche kreist, sondern durch freiwilligen Verzicht frei ist für andere. Reich Gottes ist da, wo man Gott mit Willen dient. Es ist der Bereich, in dem Jesus regiert und der Mensch ihm gehorcht (1. Korinther 4,20). Jesus selbst wird es bei seiner Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit vollenden (Offenbarung 19,6). Bis dahin ist es eine allmählich wachsende Größe (Matthäus 13,31-32) und wie rasch es sich ausbreitet, darüber entscheidest du und ich in unserem eigenen Leben. Zusammengefasst: Das Reich Gottes ist da, wo sein Name geheiligt wird, indem man seinen Willen tut!

„dein Reich komme“

Wie oft haben wir diesen Satz nicht schon seufzend gehört und resignierend gesprochen: "Es bleibt ja doch alles beim alten!" Bei mir, bei Menschen in meiner Umgebung, in der Gemeinde, bei Kranken und auch bei den weltumspannenden Missständen, die uns Not machen.

Wenn wir uns heute umsehen, erschauern wir vor der Macht des Bösen, die menschenverachtend, selbstgefällig und schamlos die Wahrheit in Lüge verkehrt, die statt Liebe Selbstsucht lehrt, die den ehrlichen Menschen verlacht und den Verbrecher ehrt. Von der Furchtbarkeit dieses Reiches erschreckt, von den Abgründen des Bösen um uns und in uns erschüttert, sollen wir beten: "Dein Reich komme!" Denn das Evangelium sagt uns: "Es muss nicht alles beim alten bleiben. Es kann heute schon bei uns und sogar durch uns Neues werden!" Das geschieht dann, wenn die "alte Regierung" unseres Lebens, unser Ich, unsere Selbstsucht, unser Eigenwille, unsere Habsucht etc., abgesetzt wird und Jesus Christus die Regierungs- und Befehlsgewalt übernehmen kann.

Und wenn wir es wirklich ernst mit dem Reich Gottes meinen, werden wir in unserem Leben jede erkannte Sünde bekennen und dem Heiligen Geist in uns mehr Rechte einräumen, damit er uns vor Sünde bewahren kann. Nur der betet recht, der die Sünde immer mehr verabscheut, sodass das Reich Gottes in seinem Leben und durch sein Leben wächst.

„dein Reich komme“

Wir dürfen jedoch nicht nur in unseren privaten und gemeindlichen Zusammenhängen vom Reich Gottes sprechen. Das Reich Gottes ist keine Privatsache der Frommen. Gott hat die ganze Welt, ja das Universum im Blick. Deshalb will er diejenigen, die sich von ihm haben retten und erneuern lassen, zu Brückenköpfen seiner Herrschaft auf dieser Erde machen. Durch sie will er sein Reich überall hin ausdehnen.

So ist diese Bitte nichts weniger als ein Eingriff in die Strukturen dieser Welt. Denn Christen können nicht um das Kommen des Gottesreiches bitten und gleichzeitig die Welt sich selber überlassen. Unser Herr will, dass seine Nachfolger das Reich Gottes nicht nur in alle geographischen Räume, sondern auch in alle gesellschaftlichen, sozialen und politischen Bereiche des Lebens hinein tragen. Menschen, die von Christi Geist beherrscht sind, werden diesen Geist in Schulklassen und Betriebsräte tragen, in Mietshäuser und Rathäuser, in Verwaltungen und Parlamente und ihn dort zeichenhaft zur Geltung kommen lassen. Sie wissen sich gesandt als Boten Gottes und Vorhut einer neuen Welt, die nach Gottes Zusage und Verheißung kommen wird.

Sie wissen aber auch, dass alle noch so gut gemeinten Bemühungen, die man heute unternimmt, die Welt zu verändern, am Ende doch nicht das Reich Gottes herbeischaffen werden. Das behält sich Jesus vor, der versprochen hat: "Siehe, ich mache alles neu!" (Offenbarung 21,5)

„dein Reich komme“

Wie geschieht das?

Durch Selbstverleugnung! - Es geht bei dieser Bitte um SEIN Reich; also ist auch diese 2. Bitte ganz dem Anliegen Gottes gewidmet. Dieser Umstand will uns Selbstverleugnung lehren. Uns liegt es von Natur aus viel näher, uns um unser Reich zu kümmern, anstatt um Gottes Reich, uns nach unserem Willen, unseren Wünschen, unseren Absichten zu richten, anstatt nach seinem Willen, seinen Wünschen, seinen Absichten. Deshalb werden wir nur durch konsequente Selbstverleugnung (d.h. indem wir ihm immer völliger das ganze Herrschaftsrecht über unser Leben einräumen) unseren Anteil dazu beitragen, dass sein Reich kommt (Matthäus 6,33). Diese Selbstverleugnung erleben wir als Leiden, als ein Absterben alles Eigenen. Jesus hat auf diesem Weg das Reich für alle Zeiten fest gegründet, und auch wir werden nur durch Leiden zur Herrlichkeit des Reiches Gottes eingehen (Lukas 24,26; 2. Timotheus 2,11-12).

Durch Gehorsam! - Im Reich Gottes, das Jesus einmal hier auf dieser Erde aufrichten wird, werden alle allezeit freiwillig und froh Gott gehorchen. So fordert die himmelschreiende Ungerechtigkeit, die schöpfungszerstörende Dummheit, die menschenmordende Grausamkeit unserer so genannten Zivilisation jeden Christen schon jetzt zu umfassenderem Gehorsam Gott gegenüber heraus, denn das allein ist der Weg zur Rettung. Dazu hat Gott seinen Heiligen Geist gegeben, der nicht nur aus dem Verräter Petrus den furchtlosen Bekenner, nicht nur aus dem Verfolger Paulus den Lehrer der Christenheit, nicht nur aus dem ehrgeizigen Johannes den demütigen Vater in Christus gemacht hat, sondern der auch aus dir und mir gehorsame Kinder Gottes machen wird, wenn wir ihn wirken lassen.

Durch die Verkündigung des Evangeliums! - Wir können das Reich Gottes auf dieser Erde weder herbeiführen, noch vollenden. Das hat sich Jesus selbst vorbehalten. Aber wir können und sollen am Bau des Reiches Gottes - d.h. für uns, am Bau seiner Gemeinde - mitarbeiten, indem wir die Gute Nachricht weitersagen. Das Evangelium davon, dass jeder Mensch geschenkweise dazu eingeladen ist, sich der guten Herrschaft Gottes zu unterstellen, muss von uns verkündigt werden. Denn mit, unter und in diesem Wort erreicht das Reich Gottes die Menschen, lädt sie ein und befreit sie dazu, zu kommen und sich mit hinein nehmen zu lassen. So gibt die christliche Hoffnung auf das kommende Reich starke Impulse für rechtes Aktivsein in der Gegenwart.

Durch Gebet! - Ein mächtiger Gegner Christi und seines Reiches in unserer Zeit ist unsere moderne Auffassung von praktischer Arbeit, eine Auffassung, die nicht aus dem NT, sondern aus den Ordnungen dieser Weltzeit stammt. Danach wird das Hauptgewicht auf ununterbrochene Aktivität und einen ständigen Energieeinsatz gelegt, nicht jedoch auf den persönlichen Umgang mit Gott im Gebet. Das Entscheidende im Reiche Gottes ist jedoch nicht, ob man für Menschen, sondern ob man für Gott nützlich ist. Der Teufel fürchtet sich nicht vor einer durchorganisierten Planung, noch vor einem gut funktionierenden Verwaltungsapparat; er fürchtet sich nur vor Gott. Organisation ohne Gebet ist eine Organisation ohne Gott. Der unerschöpfliche Reichtum Gottes steht allein dem Beter zur Verfügung. Das Gebet ist der einzige Schlüssel zur Schatzkammer Gottes. Wir sollten uns dieses Vorrechtes stets bewusst bleiben (Offenbarung 1,5-6), auf der anderen Seite aber auch wissen: Das Reich Gottes kommt gewiss, selbst wenn es niemand erbitten und niemand erwarten sollte. Gott will es, und was er will, das tut er auch (Psalm 115,3).

„dein Reich komme“

Wie geschieht das? Martin Luther antwortet darauf in seinem Katechismus: "Wenn der himmlische Vater uns seinen Heiligen Geist gibt, dass wir seinem heiligen Wort durch seine Gnade glauben und göttlich leben, hier zeitlich und dort ewiglich!"

Dieser Herr, der mit der Dornenkrone verspottet auf Golgatha starb und der als König aller Könige und Herr aller Herren an jenem großen Tag sein Reich aufrichten wird, ermutigt uns, treu zu sein, und spricht: "Siehe, ich komme bald!"



Erst wenn wir uns den ganzen Umfang unseres Ausgeliefert-seins an die Mächte der Lüge, der Zerstörung und des Todes bewusst machen, spüren wir die unsagbar befreiende Macht der Tatsache, dass wir zu dem allmächtigen Gott durch Jesus Christus "UNSER VATER" sagen dürfen.

Erst wenn wir uns durch Jesus die Wohltaten der Liebe Gottes wie Sündenvergebung, Frieden mit Gott und den Menschen, die Gabe seines Heiligen Geistes, haben schenken lassen und sodann mit wehem Herzen die Verhöhnung und Lästerung unseres Gottes in unserer Umwelt und Innenwelt wahrnehmen, wird unsere wichtigste Bitte "GEHEILIGT WERDE DEIN NAME" werden. Erst wenn wir bedenken, unter welch einer Herrschaft von Zwängen, Hass, Vergeltung und Egoismus wir leiden, wie der Mensch immer mehr zum "Wolf des Menschen" wird, wie schrecklich auf tausenderlei Arten und Weisen getötet und gestorben wird, werden wir nie mehr vergessen zu flehen:

„dein Reich komme!“

Und um das Übel mit seiner Wurzel auszureißen, bitten wir weiter:

„dein Wille geschehe“

Zuerst sollten wir mit diesen Worten unseren Eigenwillen bekennen, denn den Hintergrund dieser Bitte bildet eine Welt, die sich weigert, den Willen Gottes zu tun. Weil die Sünde allen Menschen die "Orientierung" geraubt hat, sperrt sich nun jeder von Natur aus gegen den Willen Gottes und meint, sein Leben hinge davon ab, dass er seinen eigenen Willen bekommt. An dieser Fehleinschätzung leiden die Menschen, denn niemand ist jemals durch das Sich verbohren in den eigenen Willen glücklich geworden. Alle Versuche, menschlichen Eigenwillen durchzusetzen, haben im Großen und im Kleinen stets nur Leid, Chaos und Schuld im Gefolge gehabt. Auch da wo es um das Zusammenwirken verschiedener Menschen in Ehe, Beruf und Gemeinde geht!

Jesus will dich von dieser Lebenslüge befreien, indem er dich darauf aufmerksam macht: "Im Tun des Willens Gottes findest du, was du im Tun deines Eigenwillens immer vergeblich zu finden gehofft hast: Glück, Sinnerfüllung, Friede und Freude!" Luther sagte einmal: "Wenn nicht geschieht, was wir wollen, wird geschehen, was besser ist!" Gottes Wille ist seine aktive, zur Tat drängende Entschlossenheit, seine guten Absichten mit den Menschen durchzuführen. Und indem wir uns als seine Kinder in die Verwirklichung dieser Absichten mit hinein nehmen lassen, erfahren wir das Glück und die Freude des Vaters. Deshalb bitten wir: "DEIN WILLE GESCHEHE!"

„dein Wille geschehe!“

Aber lassen wir uns wirklich mit hinein nehmen? WOLLEN wir auch, was Gott will? Viele sagen vorschnell "JA, ich will auch mitarbeiten, mitbeten, Zeuge Jesu sein, neues Vertrauen investieren, mit anderen zusammenzuarbeiten lernen usw.", fügen dann aber häufig hinzu: "Aber ich KANN nicht, weil.....!" Es folgen dann hundert Gründe, die erklären sollen, weshalb sie nicht können. Hier wird deutlich, dass vielen Christen der Stellenwert ihres Willens überhaupt nicht bewusst ist. In 98% der Fälle müsste die zutreffende Entgegnung richtig lauten: "Ich WILL nicht, weil...!" Zu häufig lassen wir nämlich unsere Gefühle über unseren Willen herrschen und so KÖNNEN wir nicht, was wir SOLLEN. Wenn wir uns jedoch entschließen, im Vertrauen auf Gottes Hilfe und Kraft, das zu WOLLEN, was wir SOLLEN - "sollte Gott irgend etwas unmöglich sein?" - werden wir es erleben, dass wir KÖNNEN, was wir SOLLEN. (Beispiel: Johannes 5,6) Wenn wir uns jedoch nicht dazu entschließen, das Rechte zu WOLLEN, dann KANN Gott bei uns nichts ausrichten. (Wenn ich nicht umkehren WILL, KANN Gott mir nicht neues Leben durch die Wiedergeburt schenken! Wenn ich mit anderen nicht beten WILL, KANN Gott mich auch nicht erleben lassen, dass er neue Anfänge schenkt.)

Hierdurch wird auch klar erkennbar, dass man dieser Bitte nicht gerecht wird, wenn man sie allein auf ein leidendes Erdulden des göttlichen Willens bezieht. Nicht das resignierende Hinnehmen von scheinbar Unabänderlichem,sondern eine zu neuen Ufern vorwärts drängende Dynamik unseres an Gott orientierten Willens ist der beherrschende Aspekt dieser 3. Bitte. Bei ihr geht es nicht um Fatalismus, sondern um Aktivismus, nicht um Rückzug, sondern um Angriff.

„wie im Himmel“

Mit diesen Worten weist uns Jesus auf die Herrlichkeit des Willens Gottes hin. Nach allem, was wir aus der Bibel vom Himmel wissen, besteht seine Herrlichkeit nicht etwa aus den Perlentoren oder den Straßen von Gold, sondern daraus, dass dort alle, zu jeder Zeit, mit Freuden den Willen Gottes tun. Viele Christen leben nur deshalb in Schwachheit und dumpfer Mittelmäßigkeit dahin, weil sie nicht wissen, wie herrlich es ist, Gottes Willen zu tun. Im Tun des Willens Gottes bekommen wir schon hier Anteil am himmlischen Glück. Jesus lebte nach dem Grundsatz: "Meine Nahrung ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat." (Johannes 4,34). Ist die "Hauptmahlzeit" deines Lebens, d.h. das, wovon du lebst, das bewusste Tun des Willens Gottes? Oder ist es nur der "fromme Nachtisch"? Das war das Zentrum des Lebenswerkes Jesu, dass er seinen eigenen Willen vollständig mit dem Willen des Vaters in Einklang brachte. Diese Willenseinigung unseres Willens mit dem Willen Gottes nennt die Bibel GEHORSAM.

Wir wissen, dass nichts eine Speise so schmackhaft macht wie der Hunger. Sorge dafür, dass ein starkes Verlangen, den Willen Gottes um jeden Preis zu tun, in dir wächst. Bitte Gott um diesen Hunger! Viele Christen hoffen, in den Himmel zu kommen, haben aber nicht die geringsten Aussichten darauf, weil die Freude des Himmels, das Tun des Willens Gottes, nicht ihre Freude ist.

In Gethsemane (Lukas 22,42) kämpfte Jesus nicht darum, dass sein eigener Lebensplan vom Vater akzeptiert würde, sondern er rang darum, dass sein eigener Wille nicht zwischen ihn und den Vater trat. Und er sprach das "Ja, Vater!" auch nicht mit zusammengebissenen Zähnen oder gar resignierend, sondern befreit, als wolle er sagen: "Vater, dir sei Dank, dass ich mich dir anvertrauen darf, dass ich allen Eigenwillen, alle eigenen Träume und Hoffnungen über Bord werfen darf. Dein Wille geschehe!" Und als dann sein eigener Wille vollständig eins mit dem des Vaters war, wartete er nicht, bis sie kamen, um ihn zu holen, sondern er aktivierte seinen Willen und sprach: "Auf, lasst uns gehen..." (Markus 14,42).

Wir können nie etwas von Gott erbitten, was er nicht tun will. Wir können und sollen aber im Gebet mit seinem Willen so in Übereinstimmung kommen, dass er uns zur Erhörung unserer eigenen Gebete gebrauchen kann.

„so auf Erden“

Mit derselben Selbstverständlichkeit wie im Himmel soll auch auf Erden der Wille Gottes getan werden, denn das Tun des Willens Gottes ist der einzige Weg, auf dem das Reich Gottes kommt und der Vatername geheiligt wird. Da Gott so großen Wert darauf legt, dass sein Wille geschieht, lässt er auch niemanden im Unklaren, was sein Wille ist. Durch sein Wort, durch den Heiligen Geist, durch Geschwister oder gewisse Umstände ist der Wille Gottes eindeutig, wenn auch nicht immer im Handumdrehen zu erkennen.

Bevor du aber damit beginnen kannst, den Willen Gottes zu tun, musst du zuerst aufhören, deinen eigenen Willen zu tun. Nur wenn du bereit bist, das Steuer deines Lebens Jesus Christus anzuvertrauen, wird es dir möglich werden, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun. Gott will dein Leben so umgestalten, dass sein Wille für dich mehr als nur eine unverbindliche Diskussionsgrundlage ist, sondern dass er die Norm deines Denkens und Handelns, der Impuls, das Maß und die Grenze für all dein Tun und Lassen wird.

Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist: "Liebst du Gott? Liebst du, was er liebt und hasst du, was er hasst? LIEBST DU DEN WILLEN GOTTES?" Wenn ich jemanden liebe, versuche ich um jeden Preis herauszubekommen, was er/sie liebt, gern hat, haben will. Sein/Ihr Wunsch ist mir dann Befehl. Ich will dann nicht weil ich muss, sondern ich will, weil ich liebe. Es fällt mir dann gar nicht schwer, seinen/ihren Willen zu erkennen und zu tun. Liebe zu Gott ist der Wille zur Gemeinschaft mit Gott im Gebet und im Hören auf sein Wort. Liebe hat starke Auswirkungen (Johannes 14,23).

Zu unserer Gemeinde gehörte ein Student, der immer sehr beschäftigt zu sein schien. Traten wir mit einer Bitte an ihn heran, wich er jedes mal aus: "Es tut mir Leid, aber ich habe keine Zeit. Mein Studium und daneben arbeite ich noch jeden Tag. Ihr versteht sicher, dass ich mich da nicht noch mit anderen Dingen abgeben kann. Einmal in der Woche reicht es gerade für den Gottesdienstbesuch, aber die übrige Zeit bin ich voll ausgelastet." - Eines schönen Tages verliebte er sich, und siehe da, plötzlich hatte er Zeit, seine Freundin drei- oder viermal in der Woche zu besuchen. - Wie brachte er das fertig? Ich weiß es nicht. Aber die Liebe machte es möglich! - Wenn es uns schwer fällt, den Willen Gottes zu erkennen oder froh zu bejahen, so ist das eine ernste Anfrage an unsere Liebe zu ihm.

Kolosser 1,8-10 Bei den Kolossern war durch ihre Liebe im Geist (Vers 8) die denkbar beste Voraussetzung gegeben, dass es zu weiterem geistlichen Wachstum kommen konnte. Auf Grund dieser Tatsache betete Paulus nun, dass sie erfüllt würden mit der Erkenntnis seines Willen, damit sie würdig des Herrn wandeln könnten. Wie steht es damit bei dir? Nur wenn ich den Willen Gottes, die Wahrheit Gottes liebe, wird sie mir wertvoll bleiben, werde ich daran festhalten (2. Thessalonicher 2,10) und sie tun (Matthäus 7,21; Lukas 6,46). Gott sucht Menschen, die dafür eintreten, dass sein Wille auf dieser Erde so geschieht, wie er jetzt schon und von Ewigkeiten her bei Gott geschieht und die hier und heute damit in ihrem Leben anfangen.

Da Gott genau weiß, dass wir nicht die Kraft haben, den Willen Gottes zu tun, hat er es so eingerichtet, dass er auch dies in uns vollbringen will, wenn wir es uns nur gefallen lassen und dankbar erwarten (Hebräer 13,21). Beginne heute ganz neu damit, den Willen Gottes als dein höchstes Glück zu erwählen und zu tun!



Dieses Gebet umfasst die denkbar größten und die denkbar kleinsten Dinge des Lebens. Da werden wir angeleitet, um die Veränderung der Machtstrukturen in dieser Welt genau so zu bitten, wie um unsere tägliche Brotration. Auch diese Bitte hat ihren Platz in dem Modellgebet unseres Herrn. Aber beachten wir: Jesus hat diese Bitte weder an den Anfang noch an das Ende des "Vater-unsers" gesetzt. Sie ist weder Ausgangspunkt noch Zielpunkt unseres Lebens.

Die drei ersten Bitten fordern dazu heraus, uns betend den großen Ziele zu widmen, die Gott in dieser Welt verfolgt: die Heiligkeit seines Namens, das Kommen seines Reiches, die Durchsetzung seines Willens. Im zweiten Teil des "Vater-unsers" geht es um die innersten Grundfragen, die ein Menschenleben bewegen können, um die Frage der Schuld, um Versuchung und Anfechtung. Dazwischen steht unsere 4. Bitte. Sie macht uns deutlich: Es gibt nichts, was wir unserem Vater nicht sagen dürfen. Er will jedoch, indem er die drei ersten Bitten sich und seinen Anliegen vorbehält, unser Vertrauen und unsere Liebe zu ihm prüfen. Nimmt er wirklich den ersten Platz in unserem Leben und in unseren Gebeten ein? (Psalm 73,25) Dann dürfen wir auch bitten:

„unser nötiges Brot“

Jesus lehrt uns, mit dieser Bitte um die Kleinigkeiten des Lebens zu bitten, um alles, was zu unserem Leben nötig ist. Heute meinen viele Menschen, man solle Gott doch nicht mit so vielen alltäglichen Anliegen, Nöten und Problemen in den Ohren liegen. Er könne sich doch unmöglich um all diesen "Kleinkram" kümmern.

Jesus war offenbar anderer Ansicht und ermutigt uns in seinem Lehrgebet ausdrücklich dazu. Gott nimmt uns in unserem Mensch sein, das nun einmal zum größten Teil aus einer Unsumme von "Kleinigkeiten" besteht, ernst und möchte sich gerade in den kleinen Dingen als der große Gott erweisen. Gott will als Vater, der sich gerade auch in die vielen kleinen Dinge unseres Lebens hineinziehen lässt, ernst genommen werden.

Wer das nicht glauben kann, der schaue sich Jesus während seines Erdenlebens an, wie er sich mit seiner ganzen liebenden Aufmerksamkeit den "Kleinigkeiten des Lebens" widmete: Der Lähmung eines Gichtbrüchigen, der Müdigkeit seiner Jünger, dem Hunger der Menschenmenge, dem Wein bei der Hochzeit... Er sprach eben nicht nur großartig vom "Reich Gottes", sondern wusste, dass es die Kleinigkeiten des Lebens sind, die uns zermürben wollen, dass es die kleinen Sorgengeister sind, die uns ängstigen wollen, dass es die Routine des Alltags ist, die uns gleichgültig machen will. Von jeher waren es die so genannten "Kleinigkeiten", wie die Liebe zu 30 Silberlingen (Matthäus 26,15), das Beschäftigt sein mit 5 Joch eben gekauften Ochsen (Lukas 14,19), der Appetit auf ein Linsengericht (1. Mose 25,30f), die Menschen je und je um ihre Ewigkeit und allen Segen brachten.

Wir leben eben in einer doppelten Beziehung: zu Gott hin und zur Erde hin - und deshalb trennt Gott auch Seelsorge und Fürsorge nicht voneinander. Er ist für alle Bereiche unseres Menschseins zuständig. Wir bringen Gott in der Regel mit dem Außergewöhnlichen in Verbindung, und unser "gewöhnliches Leben" bleibt unversehens "gottlos". Wir wollen gern das Außerordentliche für Gott tun und versäumen es dabei, unsere "normale" Arbeit ihm zur Ehre zu verrichten. Hierzu will uns dieses Gebet helfen.

Du magst noch so herrliche Ausgießungen des Heiligen Geistes in deinem Leben erfahren haben, wenn sie nicht in einem Leben des Gebets ihren Ausdruck und Niederschlag finden, wird ihr Segen bald entschwunden sein. Und eine Bewegung, die Gott ins Leben ruft, wird nur solange anhalten, solange der Geist des Gebets anhält, der sie entfacht hat. - Dein geistliches Leben reicht nicht tiefer, als dein Gebetsleben reicht und deine geistlichen Möglichkeiten sind nicht größer, als dein Gebetsleben ist. Ein Mensch ist in Wahrheit das, was er auf den Knien vor Gott ist, kein Stückchen mehr.

„unser nötiges Brot gib uns“

Die 4. Bitte kann auch die politische Bitte genannt werden, denn zum täglichen Brot gehört auch Friede und Freiheit, eine gute Regierung, geordnete Finanzen, eine gesunde Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit. So beten wir in der 4. Bitte auch um versöhnungsbereite Tarifpartner, um Maß und Vernunft im Arbeitskampf, um eine gerechte Verteilung der Güter zwischen reichen und armen Völkern. Wir beten für den Schutz unserer Umwelt, um gesunde Luft, für saubere Gewässer. All diese Dinge heiligt Jesus, indem er uns für sie beten lehrt.

Aber er ordnet sie auch eindeutig dem Trachten nach dem Reich Gottes unter, und so allein erhält die Brotfrage für den Christen ihren wahren Stellenwert. Ein Christ, der die 4. Bitte des "Vater-unsers" ernsthaft betet, sieht in der Nahrung, die er täglich zu sich nimmt, zugleich die Verpflichtung, Mitverantwortung für hungernde Menschen und unterentwickelte Völker zu übernehmen. Denn wer sich einmal klar zumachen versucht, dass in jeder Sekunde irgendwo in der Welt ein Mensch am Hunger oder an seinen Folgen stirbt und dass zwei Drittel der Menschheit sich nie satt essen können, der kann als Bürger eines Wohlstandslandes nicht mehr länger nur gedankenlos dahin leben und seine Wünsche immer höher schrauben. Mit dieser Erkenntnis beten und arbeiten wir. Denn Gott füttert ja niemanden mit dem Löffel. Wir beten, weil wir wissen, dass ohne sein Schenken, sich niemand etwas nehmen kann (Haggai 1,6-7; Johannes 3,27), und wir arbeiten, weil wir wissen, dass Gott uns zur Erhörung unserer eigenen Gebete gebrauchen will.

„unser nötiges Brot gib uns heute“

Durch die Formulierung der Bitte lehrt uns Jesus, jeden Morgen für den bevorstehenden Tag zu bitten. Auch hierin war Jesus uns Vorbild. Wie oft lesen wir von ihm, dass er sich früh am Morgen zum Gebet zurückzog (Markus 1,35; Lukas 4,42; 6,12). Erbitte dir jeden Morgen, was du für den Tag nötig hast. Schon bei den Israeliten in der Wüste hatte Gott es nach dem Grundsatz eingerichtet: "Täglich, für des Tages Bedürfnis!" (2. Mose 16,4) Was du am Morgen erbittest und empfängst, reicht für den Tag aus, aber eben nur für diesen. Diese Bitte ist ein Frontalangriff gegen alle Sorgengeister. Sie belasten den Menschen und machen ihn kaputt, gleichgültig, ob es sich dabei um Sorgen aus Mangel oder um Sorgen aus Überfluss handelt. Gewiss sollen wir Vorsorge treffen, haben eine Fürsorgepflicht, aber wir dürfen uns nicht vom Geist der Sorge um das tägliche Brot und die Sicherung der Lebenswerte bestimmen und beherrschen lassen.

Denn die Sorge hat die Eigenschaft, die Gedanken eines Menschen vollständig zu besetzen und zu blockieren, ihn in Depressionen zu treiben und innerlich aufzufressen. Das gilt für die leibliche und für die geistliche Versorgung, denn: Mth.4,4! DAS Wort Gottes ist Jesus Christus, das Brot des Lebens (Johannes 6,35). Er will sich gern jedem schenken, der ihn erbittet und aufnimmt (Johannes 1,12). Frage: Tun wir das täglich? Ist uns bewusst, dass wir Jesus Tag für Tag nötiger als Brot haben? Wer sich nur an den Lebensmitteln orientiert und sich von der Sorge um ihre Beschaffung und Erhaltung aufzehren lässt, wird für Jesus, die Lebensmitte, für sein vergebendes Wort und sein helfendes Tun nichts übrig haben.

Wie viel Anstrengungen, Aufmerksamkeit, Zeit und Geld setzt der Mensch für sein leibliches Wohl ein. Wie viel mehr sollten wir für das einsetzen, was wir noch nötiger haben, - für Jesus?! Er will sich dir täglich schenken, damit du hast, was du brauchst und auch an andere weitergeben kannst. Denn mit Jesus ist es wie mit dem Brot: Wenn alle von dem, was sie haben, weitergeben würden, hätten bald alle genug! Gott möchte uns klarmachen: Deine Aufgabe besteht einzig und allein darin, JETZT Gott treu zu sein. Sorge dich nicht um morgen, lebe HEUTE mit Jesus und aus seiner Kraft. So gibt uns ja auch das Wort, die geistliche Speise, keine Totalanweisung fürs gesamte Leben, es leuchtet unseren einzelnen Schritten (Ps.119,105), die wir jetzt zu tun haben, nur die nächsten Meter, ansonsten ist es ein Wandern im Dunkeln.

Gott will uns auf diese Weise das Bewusstsein unserer Abhängigkeit von ihm stärken, uns aber gleichzeitig auf Grund der Überzeugung, dass der Vater für uns sorgt, froh und gelassen machen. A.T. Pierson, der Biograph Georg Müllers fragte ihn kurze Zeit vor seinem Tod, ob er jemals lange Zeit um etwas gebetet habe, ohne eine Antwort von Gott zu erhalten. Er erwiderte mit seiner üblichen Genauigkeit, er habe mehr als 65 Jahre und 4 Monate Gott um die Errettung von 2 Männern angefleht, die jedoch immer noch in ihren Sünden lebten. Aber er fügte hinzu: "Ich werde sie beide im Himmel wiedersehen. Mein himmlischer Vater würde mir nicht diese beiden Seelen so lange als Last auferlegen, wenn er keine Gnadenabsichten mit ihnen hätte."

Er starb, ohne schauen zu dürfen, aber auch ohne Zweifel. Ein seltenes Beispiel eines Glaubens, der im Vertrauen auf den unveränderlichen Geber der Verheißungen ruhen konnte. Über 65 Jahre scheinbar vergeblichen Bittens hatten Glauben und Geduld bis zum äußersten auf die Probe gestellt, aber nicht erschüttern können.



Manchmal wird Christen vorgeworfen, sie hielten sich für etwas Besseres. Das mag zwar leider vorkommen, hat aber keinen realen Hintergrund. Christen sind nicht besser als andere Menschen, sie sind nur besser DRAN als die anderen, weil sie Vergebung ihrer Schuld empfangen haben.

Zum Glück kann jeder diese Entlastung von Schuld und Sünde erleben, wenn er die rettende Hand Gottes, die sich ihm in Jesus Christus entgegenstreckt, ergreift. Plötzlich wird ihm dann bewusst, dass die ihn bisher beunruhigende Schuld von Jesus am Kreuz getilgt wurde. Aus Freude darüber und aus Dankbarkeit dafür schenkt er sein Leben Jesus Christus und wird so ein Christ. Unter dem Vorzeichen der Vergebung beginnt für ihn ein neues Leben in der Gemeinschaft mit Jesus Christus und seiner Gemeinde.

Wie die leibliche Existenz der Jünger erst durch die Erfüllung der 4. Bitte ("unser täglich Brot gib und heute") möglich ist und erhalten wird, so die geistliche erst durch die Erfüllung der 5. Bitte:

„und vergib uns unsere Schuld“

Sünde ist Leben in Eigenregie, außerhalb der guten, bewahrenden Ordnungen Gottes (1.Joh.3,4). So tief ist der Mensch gesunken: Er glaubt es Gott nicht mehr, dass dieser es gut mit ihm meint. Das schmerzt Gott am meisten. Deshalb nennt Jesus den Unglaube die Sünde (Joh.16,9).

Weil nun das angeborene Misstrauen gegen Gott, unsere Hauptsünde ist (Joh.16,9), passiert es auch einem Jünger Jesu leider hier und da, dass er ganz unbewusst eine Mauer, die ihn von Gott trennt, um sich herum errichtet. Er will sich zwar nicht bewusst von Gott abwenden, aber Stolz, Eigenwille, lieblose Kritik, Lüge, Geiz, Neid usw. bilden solch eine Mauer und machen es Gott schwer oder gar unmöglich, ihm wohlzutun.

Gott straft also nicht so sehr WEGEN der Sünde, wie DURCH die Sünde. Du wirst zu dem was du wählst, womit du Umgang hast. (Mehl, Ruß, Welt, Geist, Brüdern, Herrn, Gott) Du wolltest diesen Weg unbedingt gehen, jetzt musst du ihn gehen. Du wolltest dir selbst und deinen Plänen leben, jetzt musst du dir selbst leben und kannst dir nicht entrinnen.

Es ist daher einfach ein Kurzschluss, zu meinen, wer die Brotfrage zu lösen vermag, habe damit das Hauptproblem der Menschheit bewältigt. Die heute so viel diskutierte "Qualität des Lebens" ist nur zu einem geringen Teil von äußeren Werten abhängig. Weit wichtiger, als selbst viele Christen erkennen, ist die Sündenvergebung.

„und vergib uns unsere Schuld“

Eine große Anzahl von Christen legen jedoch ein seltsam passives Verhalten ihren Sünden gegenüber an den Tag. Dabei registrieren sie die Schuld ihrer Mitmenschen äußerst aufmerksam. Manchmal scheint es, als hielten sie ihre Sünden für etwas Unabwendbares, Schicksalhaftes. Dabei ist sie doch so gefährlich und auch zu überwinden: 1.Joh.3,8+5

Lassen wir den Heiligen Geist seine Arbeit tun, uns unsere Sünden zu zeigen? (Joh.16,8) Viele Christen suchen heute im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist allerlei große und wunderbare Erfahrungen, - aber tiefere Sündenerkenntnis durch das Wirken des Heiligen Geistes wird selten oder kaum erwartet. Dabei habe ich den Eindruck, dass ein tieferes Erschrecken und Weinen über unsere Sünde heute viel deutlicher auf ein echtes Wirken des Heiligen Geistes hinweisen würde, als emotional überhitzte Jubelveranstaltungen. (Keine Erweckung ohne Ernstnehmen der Sünde.)

Lassen wir uns doch, indem wir unsere Schuld bekennen und Jesus um Reinigung bitten, die Sünden abnehmen und die Mauer, welche seinen Segen aufhält, einreißen (1.Joh.1,9)! Dann kann seine Liebe, seine Güte und Barmherzigkeit uns wieder erreichen, uns froh und brauchbar machen. Die Sünde fordert Gericht (=Scheidung) heraus (1.Petr.4,17). Christen steht der Weg des Selbstgerichts offen, d.h. sie sollen ihre Sünden selbst beim Namen nennen, bekennen und um Vergebung und Reinigung bitten (1.Kor.11,31).

"Schulden" sind aber nicht nur die aktiven Verstöße gegen Gott, sondern auch das, was wir Gott und den Menschen schuldig geblieben sind, was wir versäumt oder unterlassen haben. Das Versäumnis, Gott nicht geehrt und ihm nicht angemessen gedankt zu haben, ist die Grundschuld aller Menschen (Röm.1,21). Hier sollte sich im Leben eines jeden Christen die erneuernde Kraft der Vergebung besonders deutlich zeigen, indem er - je länger, je mehr - Gott durch frohen Gehorsam, Glauben und Vertrauen ehrt und ihm für alle empfangenen Wohltaten von Herzen dankt.

Und unseren Mitmenschen gegenüber? Wie viele Hilferufe haben wir überhört?! Wie viele Wunden übersehen?! Wie viel Not nicht abgewendet?! Wie viele Ängste ließen uns unberührt?! Wie vielen blieben wir das Zeugnis von Jesus Christus schuldig?! Wie viele haben wir nicht aufgenommen, nicht gespeist, nicht besucht?! Wird Jesus einst auch zu uns sagen müssen: Mth.25,42-45? Hier brauchen wir Vergebung, deshalb bitten wir:

„und vergib uns unsere Schuld“

Vergebung verlangt Stellvertretung! Gott konnte nicht einfach ein Auge zudrücken und unsere Sünden übersehen. Er nahm unsere Sünde so ernst, dass er in Jesus selbst nach Golgatha ging, um zu sterben. Er nahm aus Liebe unsere Stelle ein, indem er seinen Zorn über unsere Sünde selbst trug. Das ist der Preis der Vergebung, und jedes mal, wenn wir an die Leiden und das grausame Sterben unseres Herrn denken, sollte unsere Abscheu vor der Sünde zunehmen, deren Tilgung solch einen Preis erfordert hat.

Einige Beispiele sollen uns den Grundsatz der Stellvertretung verdeutlichen: Wenn ich deine schöne chinesische Blumenvase versehentlich umstoße und sie geht dabei kaputt und du vergibst mir, hast du den Schaden, und ich gehe frei aus. - Wenn der Staat einen Verbrecher begnadigt, trägt das Volk stellvertretend die Last des Verbrechens. - Wenn ich dir etwas Schlechtes nachsage und du vergibst mir, gehe ich frei aus, und du musst dich mit den Folgen meiner Sünde abfinden.

Deshalb ist wirkliche Vergebung so selten, weil sie so teuer ist. Diese Stellvertretung fand in Jesus Christus ihren vollkommenen Ausdruck. Gott will nun jedem, der sich zu seiner Schuld bekennt (auf andere Art und Weise ist der Sünde nicht beizukommen) und so zu Jesus kommt, Vergebung, Befreiung und Freiheit schenken (Ps.32,3-5). Wer um Vergebung bittet, bekennt sich schuldig und nur ein Schuldiger kann Vergebung und Gnade empfangen. So ist und bleibt Jesus ein Heiland NUR FÜR DIE, welche ihn nötig haben, ein Retter NUR FÜR SOLCHE, die ihre Verlorenheit sehen, ein gnädiger Gott NUR FÜR DIEJENIGEN, die schuldig sind.

„wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“

Wir wollen jetzt noch die Verpflichtung betrachten, die jedem aus empfangener Vergebung erwächst. Zuerst sehen wir uns den Text genau an. Jesus lehrt uns beten: "Vergib uns, wie auch wir vergeben.." - nicht: "Vergib uns, weil auch wir vergeben.." Hier ist keine Aufrechnung denkbar, kein Anspruch, den wir geltend machen könnten. Es wird lediglich die Tatsache ausgedrückt: Nur ein Mensch, der zur Vergebung bereit ist, sucht und empfängt seinerseits Gottes Vergebung.

Dies ist eine äußerst ernste Tatsache, an der es nichts zu rütteln gibt, wo Gott auch keine Ausnahmen zulässt. Gott will um Jesu willen gern vergeben! WOLLEN wir das auch? Viele sagen hier "JA, ich will auch vergeben!" fügen dann aber hinzu: "Aber ich KANN nicht, weil.....!" Und es folgen dann zumeist scheinbar gute Gründe, die erklären sollen, weshalb sie nicht vergeben können. Auch hier wird deutlich, dass vielen Christen der hohe Stellenwert ihrer Willensentscheidung überhaupt nicht bewusst ist. Denn zumeist müsste die zutreffende Erklärung lauten: "Ich WILL nicht, weil...!" Zu häufig lassen wir unsere verletzten Gefühle und unsere negativen Erfahrungen über unseren Willen herrschen und so KÖNNEN wir nicht, was wir SOLLEN. Wir müssen es lernen, im Vertrauen auf Gottes Hilfe das zu WOLLEN, was wir SOLLEN. Deshalb sprich: ICH WILL DEM ANDEREN VERGEBEN! Wenn du im Vertrauen auf Jesu Erlösungswerk das willst, was Gott will - wirst du es erleben, dass du KANNST, was du SOLLST, nämlich Anderen vergeben. Wenn du dich jedoch nicht dazu entschließt, das Rechte zu WOLLEN, dann KANN Gott bei dir nichts mehr ausrichten. Wenn du nicht vergeben WILLST, KANN Gott dir nicht mehr vergeben!

Ein Christ, der anderen nicht vergeben will, sie nicht aus ihrer Schuldverhaftung freilassen will, ihre Sünden nicht loslassen und vergessen will, bringt sich damit selbst um die Vergebung. Mit den Sünden anderer hält man immer auch die eigenen fest. Gott will uns entweder alle Sünden abnehmen, d.h. unsere und die der anderen, oder wir behalten alle.

Solche Leute behandelt Gott "gerecht", denn wer nicht vergibt, darf nicht auf Vergebung hoffen (Mth.18,23,f), wie jemand richtet, wird er gerichtet werden (Mth.7,1f), wer reichlich gibt, wird reichlich empfangen, mit dem Maß, mit dem einer misst, wird er gemessen werden (Lk.6,38), wer barmherzig ist, wird Barmherzigkeit empfangen (Jak.2,13).

Das Evangelium zeigt uns, dass dort die stärkste Liebe wächst, wo die meiste Vergebung in Anspruch genommen worden ist. (Lk.7,47b) General Oglethorpe sagte einmal zu John Wesley: "Ich vergebe nie!" Darauf John Wesley: "Dann kann ich nur hoffen, dass sie niemals sündigen!" Vergebung empfangen wir unverdient als ein Geschenk, um es weiterzugeben. Denn wenn der große, heilige und gerechte Gott uns unsere Geringschätzung, unsere Undankbarkeit, unsere Rebellion, unsere Lügen, unsere Ablehnung ihm gegenüber vergibt, können wir dann unseren Mitmenschen die Vergebung verweigern? Sollten wir uns nicht gerade in unserer Vergebungsbereitschaft als echte "Gottes-Kinder" erweisen? Allein auf diesem Weg kann der Teufelskreis von Sünde und Schuld durchbrochen werden.

Welch ein Glück, welche Freude erfüllt unser Leben, wenn wir nicht nur selbst Vergebung empfangen haben, sondern auch andere freilassen, indem wir ihnen vergeben. Denn Vergebung ist wie ein Brückenbau. Wo Menschen einander Gottes Vergebung weiter schenken, da werden Brücken gebaut, Brücken des Vertrauens, Brücken der Liebe und der gegenseitigen Annahme. Da kann und wird Gemeinschaft entstehen und fruchtbringend wachsen.



Wir leben heute gefährlich. Den meisten Menschen ist das wohl bewusst. Viele verschiedene Gefahren bedrohen uns, angefangen von den Risiken im Straßenverkehr, über die Vergiftung unserer Lebensgrundlagen, bis hin zu den Gefahren eines möglichen Krieges. Unsere Gesundheit ist bedroht, unsere Arbeitsplätze, Familien, Ehen sind bedroht - der Gefahren sind unzählige. Diese Gefahren für Leib und Leben abzuwenden ist bei vielen Zeitgenossen das einzige, was zählt.

Aber kennen wir die schlimmste Gefahr, der wir alle ausgesetzt sind? Ist es nicht eigenartig, dass in unserer Zeit, die wie kaum eine andere sensibel wurde für die Gefahren, die unserem Leben drohen, die Gefahr, die Wurzel, der gemeinsame Nenner alles Bösen - der Teufel - als nicht vorhanden, als Hirngespinst oder als Instrument frommer Unterdrückung hingestellt wird?! Aß sogar viele, die sich bewusste Christen nennen, die Existenz des Teufels rundweg leugnen?

Nein, es ist keineswegs verwunderlich, sondern offenbart lediglich die Raffinesse Satans, mit der er die Menschen in all ihrem Idealismus, Humanismus und sozialem Engagement an der Nase herumführt, indem er ihnen den wahren Urgrund alles Bösen vernebelt und so ihre Bemühungen zur Überwindung des Übels in der Welt wirkungslos macht. Die menschliche Existenz ist nicht nur eine verschuldete,sondern immer auch eine angefochtene. In der Vergebung macht Gott uns von unserer Vergangenheit frei, indem er uns ihre Lasten abnimmt. Mit dieser Bitte rufen wir ihn um seinen Beistand an, damit wir das neue, von Gott geschenkte Leben der Vergebung gegen alles und alle, die es uns streitig machen wollen, festhalten können. (Luther soll gesagt haben: "Mit der 5. Bitte lege ich mich schlafen, mit der 6. Bitte stehe ich auf!") Für Christen besitzen die Fragen nach Gott und den Engeln, sowie nach Satan und seinen Helfern einen solchen Realitätsrang, dass sie zu den eigentlichen Lebens- und Schicksalsfragen werden. Deshalb bitten wir auch:

„und führe uns nicht in Versuchung“

Ein Christ befindet sich, solange er auf dieser Erde lebt, in "Feindesland". Satan, der Fürst dieser Welt, ist zwar gerichtet (Joh.16,11), aber das Urteil ist noch nicht vollstreckt. So versucht er auf alle möglichen Arten und Weisen diejenigen, die ihr Leben einmal Jesus Christus anvertraut haben, wieder für sich zu gewinnen (1.Petr.5,8). Er befiehlt nicht wie ein Tyrann befiehlt. Meist lockt er auch nicht, wie man einen Vogel lockt. Am häufigsten ködert er die Menschen. Er hat ein unerschöpfliches Arsenal von Dingen, die er uns als Köder vor die Nase hält. Bei Kain war es die Eifersucht, die ihn übermannte. Bei Achan war es eine Stange Gold, der er nicht widerstehen konnte. Bei Simson war es eine Frau, die ihm die Augen aus stach. Bei Absalom war es eine Königskrone, die er sich so sehnlich wünschte.

Diese Versuche Satans, uns von Gott wegzuziehen, erleben wir als "Versuchungen". Dabei knüpft er sowohl bei unseren Stärken, als auch bei unseren Schwächen an; sowohl bei unseren Trieben, als auch bei unseren Idealen; sowohl bei unseren Wünschen, als auch bei unseren Abneigungen; sowohl bei guten, richtigen und schönen, als auch bei bösen, falschen und hässlichen Dingen. Entweder will er uns stolz, hochmütig und selbstsicher oder niedergeschlagen, deprimiert und ängstlich machen. Durch all das will er uns von Gott weglocken.

Aber Gott sieht dem nicht tatenlos zu. Die übliche Übersetzung dieser Bitte des "Vaterunsers" könnte den falschen Eindruck erwecken, als ob Gott uns in solche Situationen bringen würde. Das ist falsch! (Jak.1,13f) Gott verführt niemanden zum Bösen. Die Bitte sollte besser übersetzt lauten: "Lass uns nichts zur Versuchung werden!" Es ist eine Bitte um Bewahrung. Nichts, was vom Bösen an uns herangetragen wird, soll eine solche Anziehungskraft auf uns ausüben können, dass wir uns von Gott abwenden. Dabei beachten wir: Versuchungen sind noch keine Sünde! Erst wenn wir der Versuchung nachgeben, geraten wir in Sünde. Joh.17,15 ist unsere Situation. Wir werden in der Regel nicht VOR den Versuchungen bewahrt, Gott will uns aber entweder AUS den Versuchungen retten oder IN den Versuchungen bewahren.

Das bedeutet: Jesus erspart uns das Leid nicht, ABER er ist im Leid an unserer Seite. Er befreit uns nicht von den Lasten des Lebens, ABER er hilft uns tragen, oder er nimmt sie nach einiger Zeit weg. Er bewahrt uns nicht vor jeder Krankheit, ABER er hilft uns, sie durchzustehen, oder er heilt uns zu seiner Zeit! (1.Kor.10,13) Gott lässt die Versuchungen zu. Aber während uns Satan dadurch von Gott wegziehen will, gebraucht der Vater auf der anderen Seite dieselbe Versuchung als Prüfung, durch die er die Qualität unseres Glaubens, unserer Treue, unserer Liebe zu ihm testen und verbessern will (Gen.22,1). So können wir feststellen: In dem Maße, wie Satan mit jeder Versuchung etwas Böses im Schilde führt, will Gott etwas Herrliches erreichen. In dem Maße, wie der Böse uns verwirren, in Verzweiflung stürzen und ruinieren möchte, will Gott uns stärken, getroster machen und befestigen. Und je mehr wir im Gebet mit Gott verbunden bleiben, desto widerstandsfähiger werden wir den Angriffen Satans gegenüber.

Es ist nun einmal so, dass sich erst im äußersten Gefordert sein unser wahres Wesen deutlich zeigt. So finden wir ja auch nirgends deutlicher, größer und überwältigender das Wesen Jesu geoffenbart, als auf Golgatha.

„sondern erlöse uns von dem Bösen“

Diese 7. Bitte ist eine Bitte um Erlösung und die konsequente Weiterführung der vorhergehenden. Es geht dabei nicht um irgendein Prinzip, nicht um eine abstrakte Idee des Bösen, es geht um eine Person: Satan, den Widersacher Gottes (Eph.6,12).

Unsere Zeit hat es wohl auf der einen Seite besonders schwer, die personale Existenz des Teufels ernst zunehmen, auf der anderen Seite gab es wohl noch nie so viele Menschen, die mit den Stricken des Feindes, wie Wahrsagerei, Horoskopgläubigkeit, Handlinienlesen, Spiritismus, okkulte Heilmethoden wie Besprechen, Irisdiagnose, Homöopathie, Fußreflexionsmassage, bependelte Arzneien usw. gefesselt waren, wie heute.

Und auch wir Christen "glauben" ja nicht an den Teufel; denn "glauben" hat es immer mit "vertrauen" und "sich anvertrauen" zu tun, aber wir wissen um die reale Existenz des großen Durcheinanderwerfers. Viele halten solch ein Reden vom Teufel für ein mittelalterliches Relikt und sind stolz darauf, dass bei ihnen die "Sicherungen des Intellekts" noch funktionieren. - Aber es ist für unsere Auseinandersetzung mit dem Feind entscheidend wichtig, dass wir erkennen: Hinter allen Versuchungen steht der Versucher, hinter allen Lügen steht der Lügner, hinter allem Blutvergießen steht der Mörder von Anbeginn (Joh.8,44). Deshalb entschuldigen wir uns nicht, wenn wir vom Teufel reden, sondern tun es ohne Scheu, um ihm so seine Tarnung zu entreißen, und seine beste ist ja von jeher die Leugnung oder der Zweifel an seiner Existenz. Satan steht in jeder Beziehung im Widerspruch zu Gott, dem Heiligen Geist:

Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit (Joh.14,17), der Teufel ist der Geist des Irrtums und der Lüge (1.Joh.4,6; Joh.8,44) Der Heilige Geist ist ein lebenspendender Geist (1.Kor.15,45), der Teufel ist ein Mörder von Anfang an (Joh.8,44). Der Heilige Geist ist ein heiligender Geist (Röm.1,4), der Teufel ist der Ursprung alles Unreinen und Bösen (Mth.6,13; Lk.11,24). Der Heilige Geist ist unser Helfer (Röm.8,26), der Teufel ist unser Widersacher (1.Petr.5,8). Der Heilige Geist ist unser Tröster und Fürsprecher (Joh.14,16), der Teufel ist unser Verleumder (Hiob 1,9-11) und Verkläger (Off.12,10). Der Heilige Geist verleiht dem Menschen Ausdrucksfähigkeit (Apg.1,8), der Teufel macht ihn stumm (Mk.9,17). Wenn wir heute diese Bitte vor den Vater bringen, sind wir in einer ungleich besseren Situation als die ersten Beter damals, weil Jesus auf Golgatha den Hauptkampf mit dem Feind bereits gewonnen hat. Der Feind ist entlarvt, er ist besiegt, er ist überwunden, seine Macht ist gebrochen. Das Urteil ist aber noch nicht vollstreckt, das kommt noch (Offb.12,10; 20,10). Er sitzt sozusagen in "Untersuchungshaft" und versucht von dort aus, durch seine Helfershelfer weiter seine dunklen Machenschaften zu treiben. Es sind Nachhutgefechte, die er liefert, es ist ein verzweifeltes letztes Aufbäumen. Er will noch so viele Menschen wie möglich mit sich in den Abgrund reißen.

Aber selbst bei Christen, die mit der Existenz des Teufels rechnen, finden wir oft eine bemerkenswerte Blindheit angesichts der Realität des geistlichen Kampfes und der Taktiken des Feindes. Man hat manchmal den Eindruck, dass ein Großteil dieses Kampfes der Gemeinde heute von Soldaten mit verbundenen Augen geführt wird, die nicht in der Lage sind, die Kräfte zu erkennen, die gegen sie gerichtet sind, und die deshalb laufend von ihren unsichtbaren Gegnern geschlagen werden. Darauf reagieren sie dann oft so, dass sie anfangen blindlings aufeinander los zuschlagen. Das ist sicherlich die Hauptursache für die häufig auftretende Bitterkeit, den Grolls, die Unversöhnlichkeit, das Misstrauen und die Feindschaft innerhalb der christlichen Gemeinde: Wir stehen unter Beschuss aus der unsichtbaren Welt der widergöttlichen Mächte und Gewalten. Aber weil wir den eigentlichen Ursprung und die Absicht dieser Angriffe nicht durchschauen, greifen wir in unserer Frustration sichtbare Ziele, d.h. unsere Nächsten an. Jeder, der heute dieser guten Nachricht vom Sieg Jesu glaubt, darf sich in seiner Auseinandersetzung mit Satan und seinen Helfern im Gebet auf dieses von Jesus erstrittene "rechtskräftige Urteil" berufen und erfahren, dass "im Namen Jesu" d.h. im Sich-berufen auf ihn, Kraft liegt, der kein Feind gewachsen ist (Jak.4,7-8). Sei deshalb kühn in deinem Gebetsleben, aber nicht dreist oder hochmütig. Setze deine Vollmacht wie ein Verwalter als eine dir übertragene Autorität mit Eifer, doch ohne Anmaßung ein. Sei bereit, dir den geistlichen Kampf als einen Lebensstil an zueignen und nicht nur als eine Lehre. Wir können niemanden in diesen Auseinandersetzungen gebrauchen, der sonntags voller Begeisterung mit einem "Halleluja" auf den Lippen die Festungen der Hölle angreifen will, am Dienstag jedoch schon keine Lust mehr zum Kämpfen und Beten hat. Hier ist deine und meine anhaltende Treue gefragt. Eph.1,19-23 "Er (d.h. der Vater) hat alles unter seine (Christi) Füße getan." Füße sind Glieder des Leibes, d.h. seiner Gemeinde. Jesus hat also die "Mächte und Gewalten" zu dem Zweck besiegt, damit die Glieder seiner Gemeinde schon hier in dieser Zeit nicht länger unter der Tyrannei des Bösen leiden müssten. Wir sollten unsere einzigartige Stellung, die uns Jesus erworben hat, kennen und sie zu seines Namens Ehre und Verherrlichung in froher Dankbarkeit einnehmen und in der uns verliehenen Vollmacht beten. Der Sieg beginnt mit dem Namen Jesu auf unseren Lippen; er wird jedoch erst vollendet, wenn wir in unserem Herzen wie Jesus werden.

Die Erlösung besteht also nicht in der Bewahrung vor der Versuchung, sondern in ihrer Überwindung. Und zu solch einem Überwinder kann und will Jesus auch dich machen (Joh.16,33; 1.Joh.5,4-5).



Viele Menschen fragen heute offen oder hinter vorgehaltener Hand: "Warum soll ich eigentlich beten?" Am Ende des "Vater-unsers" wird diese Frage noch einmal eindeutig und klar beantwortet. Es wird der entscheidende Grund, weshalb wir zuversichtlich beten können und sollen, genannt: Weil unser Vater DIE HERRSCHAFT, DIE KRAFT und DIE HERRLICHKEIT jetzt und in alle Ewigkeit besitzt, deshalb können und sollen wir beten. Wenn uns diese Tatsachen nicht zum Beten veranlassen, dann wird es wohl nichts anderes schaffen. Jeder Christ wird, wenn auch nur noch eine Spur von Liebe zu Gott in ihm ist, selbst bei kurzem Nachdenken über diese Aussage große Freude und tiefen Frieden empfinden, wird in staunenden Jubel über diesen Vater ausbrechen und den Wunsch verspüren, ihn angemessener zu loben. Denn der Lobpreis lenkt unseren Blick immer wieder von all dem Vielen (Brot, Schuld, Versuchung, Satan) auf den Einen zurück, von all dem Zeitlichen auf das Ewige, von dem Sichtbaren auf das Unsichtbare, vom Vergänglichen aufs Unvergängliche. Nur wenn das immer wieder geschieht, bleiben wir frei und offen für Gott. Deshalb ist der Lobpreis in unserem Leben so wichtig, deshalb soll unser ganzes Leben mehr und mehr ein Lobpreis seiner Herrlichkeit werden (Eph.1,12). Und das geschieht in dem Maße, wie wir ihn anschauen und dann als "Gott-begeisterte" leben. - Mit einem unser Gebet begründenden Lobpreis schließt das "Vater-unser".

„denn dein ist das Reich“

Diese kurze Aussage ist nichts anderes als eine Absage an alle imponierenden und faszinierenden Reiche dieser Welt. Der Herr verweist sie auf nachgeordnete Plätze und nimmt ihnen ihren Schrecken, weil er ihnen ihre Endgültigkeit abspricht und ihren wahren Charakter enthüllt. Dieses Wort steht nicht, wie man vielleicht meinen könnte, im Widerspruch zur 2. Bitte, sondern es stellt fest, was bei unserem Gott schon Wahrheit ist. Wir beten zwar darum, dass das Reich auch zu uns komme, dass wir es erleben und uns daran freuen können, aber wir bitten auf Grund der Tatsache, dass bei Gott alles schon ans Ziel gekommen ist, dass er sowohl den Anfang, als auch das Ende schon vor sich hat, dass es bei ihm kein Bangen, Zittern und Zagen, ob das Ziel erreicht würde, gibt.

Niemals war seine Herrschermacht in irgend einer Weise eingeschränkt, und niemals wird solch eine Situation eintreten. Er hat und behält alles in seiner Hand (2.Chr.20,6). Gott muss einfach alles dienen (Ps.119,91; 135,6). Am deutlichsten erwies sich das beim Tod unseres Heilandes. Wie viele falschen Zeugnisse, wie viel Treulosigkeit und Hass, Sünde und Schuld brachten Jesus ans Kreuz. Und doch benutzte der Vater dies alles, um die größte Liebestat daraus werden zu lassen, welche die Erde je gesehen hat: die Erlösung der Menschheit. Wenn unser Gott nun aber aus dem fluchwürdigsten aller Verbrechen einen solchen Strom von Segen fließen lassen kann, so erkennen wir daran, dass ihm tatsächlich alles dient und dass er in der Lage ist, auch das Sündigste, Schrecklichste und Verdrehteste so einzusetzen, dass alles zum Erreichen seiner Liebesziele beitragen muss.

Von diesem Blick auf das Ende aller Wege Gottes gewinnt der Christ und mit ihm die Gemeinde, Kraft, Gewissheit, Trost und Hoffnung in allen Anfechtungen. Die Gemeinde ist deshalb die Schar derer, die ihre Häupter erhebt, weil ihre endgültige Rettung nahe ist (Lk.21,28), die weiß, dass die Finsternis schwindet und das wahre Licht schon leuchtet (1.Joh.2,8), die durch Gehorsam das Kommen des Reiches Gottes beschleunigt (2.Petr.3,12). Das ist praktiziertes d.h. durch ein bestimmtes Verhalten zum Ausdruck gebrachtes Gotteslob. Lobpreis hebt die Augen und das Herz vom Kampf zum Sieg empor, vom beschwerlichen Weg zum herrlichen Ziel, vom Begonnenen zur Vollendung.

„und die Kraft“

KRAFT, zweifellos eines der Traumworte unserer Zeit. Die Kraft wird angebetet, ganz gleich, ob es die PS sind oder die Atomkraft, die Muskelkraft oder die Nervenkraft, die Geisteskraft oder die Finanzkraft. Kraft und Leistung sind die Götzen der Gegenwart. Diesem Kraftdenken, dieser Leistungsanbetung wird nun mit aller Entschlossenheit die Axt an die Wurzel gelegt, wenn wir beten: "Dein ist die Kraft!"

Weshalb beten wir? Weil Gott DIE KRAFT hat, die wir nicht haben, die wir so dringend brauchen und die er uns gern geben will, wenn wir ihn nur darum bitten (Kol.1,19+2,9-10). Die ganze Fülle seiner Macht und Kraft will der Vater uns in der Lebensgemeinschaft mit Christus schenken. Die Gemeinschaft mit Jesus macht uns klein und arm in uns selbst und auf diese Weise aufnahmefähig für seine Kraft, seine Macht, seinen Reichtum (2.Kor.12,9). Gottes Kraft erlebt man nur auf dem Hintergrund der eigenen Ohnmacht. Es ist die Kraft, die unser eigen wird, wenn unsere Stärke zerbrochen ist, wenn wir frei gemacht wurden von allem eigenen Machtdenken und Machtstreben. Wenn du unter deiner Kraftlosigkeit, die es dir unmöglich macht zu lieben, leidest, so gehe in der Gewissheit zu Jesus: Er hat Kraft zu lieben, auch für mich! Er hat Kraft zu vergeben, Kraft zu bewahren, Kraft zu erneuern, Kraft zu dienen, Kraft zu heilen, Kraft zu ermutigen, Kraft, ein reines Leben zu führen, Kraft zu gehorchen... Er hat alles, was du nicht hast und will sich dir im Heiligen Geist selbst schenken.

Glaube es doch und nutze diese Möglichkeit! (Jak.4,2) Haben wir nicht allen Grund, diesem Vater immer größeres Vertrauen entgegenzubringen?! Haben wir nicht allen Grund, diesen Vater zu loben?! Der Lobpreis stärkt unseren Glauben, weil wir uns an die großen Taten Gottes erinnern und uns bewusst werden, dass dieser Gott heute noch derselbe ist. Im echten Gotteslob kommt der Wunsch eines liebenden Herzens (Schlüssel zum Gotteslob) zum Ausdruck, den Geliebten im rechten Licht erscheinen zu lassen. Dabei verändert oder bewirkt ja nicht das Lob an und für sich irgend etwas, sondern Gott, der auf die sich im Lob äußernde Herzenseinstellung reagiert.

Das Lob hat auch starke missionarische Wirkungen. Wir können es am Beispiel der Werbung sehen: Sie ist ganz auf den Grundsatz des Lobes aufgebaut. Je größer, eindrücklicher, überzeugender das Lob ist, umso mehr Menschen werden davon beeinflusst. Unsere Mitmenschen sollten es uns abspüren: Wir halten große Stücke von unserem Gott. Wir kennen ihn. Wir lieben ihn. Wir sind stolz auf ihn. Wir schämen uns seiner nicht. Lobpreis ist der Ausdruck unserer Freude an Gott. Und solch ein Jubel über Gott, der uns durch Jesus Christus errettet hat und alle Menschen retten will, legt allein ein richtiges Zeugnis von unserem Gott ab (Ps.89,16). Eine Gott-lobende Gemeinde hat deshalb automatisch eine große Anziehungskraft.

Nichts ehrt Gott gerade in den dunkelsten Stunden unseres Lebens mehr als unser Lob (Hiob 1,21-22). Nichts bringt uns in solchen Zeiten mehr neuen Mut, neue Hoffnung und oft auch Befreiung, sowie Frieden und Freude, wie der Lobpreis Gottes (Apg.16,25; 2.Chr.20,22).

„und die Herrlichkeit in Ewigkeit“

Herrlichkeit, das ist die biblische Umschreibung für das ewige Herr sein Gottes; damit ist Gottes Hoheit und Majestät, seine unbedingte Souveränität, seine Macht, seine Vollkommenheit, seine Schönheit und Reinheit gemeint. Mit dem Hinweis auf die Herrlichkeit des Vaters werden wir eingeladen, in seiner Gegenwart zu bleiben, uns an seiner Schönheit satt zu sehen (Ps.17,15).

Denn wie oft waren wir nur an seinem Segen, seinen Gaben und Kräften, an seiner Hilfe oder seiner Bewahrung interessiert, und wenn die Not vorüber war, hatte sich unser Herz schnell wieder von Gott abgewandt?! Damit dieser beschämende Missbrauch der Hilfe Gottes endlich aufhöre, will uns der Hinweis auf die Herrlichkeit Gottes ganz für Gott "gefangen nehmen". Wir sollen es lernen, dem Vater viel mehr ins Angesicht statt nur auf seine Hände zu schauen. So werden seine Eigenschaften, sein Wesen, seine Schönheit und nicht nur seine Gaben, sein Segen und seine Hilfe unsere Herzen und unsere Liebe gewinnen. Das Anschauen der Herrlichkeit und Schönheit unseres Gottes macht Christen nun aber nicht, wie vielleicht manche annehmen, zu faulen Träumern und weltabgewandten Mystikern, sondern, wie biblische Beispiele zeigen, im Gegenteil zu aktiven Mitarbeitern Gottes.

Paulus sah die Herrlichkeit des Herrn vor Damaskus, und die Folge war: Selbsterkenntnis und totaler Einsatz (Phil.3,7f). Jesaja sah den Herrn auf dem hohen und erhabenen Thron, und die Folge war: Selbsterkenntnis, Reinigung, Hingabe, Vollmacht und ein unerschrockener Dienst (Jes.6,5f). Josua sah den Herrn der Heerscharen, und die Folge war: Sieg über Jericho und Einnahme des verheißenen Landes (Jos.5,14f). Die Jünger sahen den Auferstandenen, und die Folge war: Freude, Friede, neuer Mut (Joh.20,20-21). Sollten wir solch einen Gott nicht viel mehr anschauen? Wenn wir Gott loben und anbeten, schauen wir ihn an und werden durch dieses Anschauen in sein Bild verwandelt (2.Kor.3,18).

Er ist so herrlich, dass wir in Ewigkeiten nicht fertig werden, ihn gebührend zu preisen. Sollten wir deshalb nicht schon hier damit anfangen?! Heute ist Gottes Herrlichkeit für die meisten Menschen eine verhüllte Herrlichkeit. Aber es wird der Tag kommen, an dem die Herrlichkeit des Vaters in Jesus Christus vor aller Menschen Augen offenbar werden wird (Ps.97,6). So beginnt das "Vater-unser" mit dem frohen Anruf des Vaters im Himmel und schließt mit dem Lobpreis seiner Herrlichkeit.

A M E N





Manfred Herold



Manfred Herold