Hebräer 10,19-25

Die Mitarbeit in der Gemeinde im Horizont der Wiederkunft Jesu Christi - Hebräer 10,19-25

Zwar werden im Hebräerbrief, wie überall in der Bibel, tiefgehende Gedankengänge entfaltet, aber nie um ihrer selbst willen, sondern stets haben sie eine ganz konkrete Absicht. Im Alltag der Empfänger soll ein ganz bestimmtes Verhalten erreicht werden. So mündet auch die unserem Abschnitt vorausgegangene Unterweisung des Hebräerbriefes in eine konkrete Ermahnung ein. Das „da wir also“ weist noch einmal auf die gegebene Unterweisung hin, fasst sie prägnant zusammen und zieht die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus.

1. Was wir haben: Die Heilsgrundlage Verse 19-21

  • Wem gelten diese Worte? Für wen sind sie geschrieben worden?

    • Für Christen.

  • Welchen 2fachen Reichtum zeichnet Christen nach den Versen 19-21 aus?

    • Sie haben Freimut, Zuversicht – Vers 19

      Sie haben einen großen Priester – Vers 21

Wir können also in jeder Lebenslage frohen und gewissen Mutes sein, denn wir haben 2erlei, was für Zeit und Ewigkeit eine sichere, tragfähige Grundlage für unser Dasein bildet. Die Ursache unserer Zuversicht ist nicht einfach eine Art von Glaubensoptimismus, sondern sie beruht auf 2 überzeitlichen, übermenschlichen Faktoren:

Wir haben den freien Zutritt ins Heiligtum!

Wir haben den großen/erhabenen Priester Jesus!

Das wird hier aufgrund des bis dahin dargelegten Evangeliums einfach festgestellt: Wir haben „Freimut“! Mit „Freimut/Zuversicht“ ist der frohe und gewisse Mut gemeint, der sein Vorrecht kennt und es nutzt. Wir haben die Möglichkeit, uns Gott zu nahen und nutzen sie fleißig. Diese Zuversicht ist das Charakteristikum christlicher Heilsgewissheit.

  • Was allein ermöglicht uns diesen freien Zutritt in das himmlische Heiligtum?

    • Das für uns geflossene Blut Jesu Christi.

  • Wie nennt der Schreiber des Hebräerbriefes hier diese unglaubliche Möglichkeit?

    • Einen „neuen und lebendigen Weg“.

  • Was bedeutet hier „neuer“ Weg?

    • Er war vorher unbekannt, nicht vorhanden; er ist von dem auferstandenen Herrn Jesus Christus neu geschaffen, geebnet, gebahnt worden!

  • Was bedeutet hier „lebendiger“ Weg?

    • Es ist ein Weg des Lebens, zum Leben, d.h. ein Auferstehungsleben. Nur durch den Geist lebendig gemachte Menschen können und werden ihn gehen.

  • Was bedeutet hier „Weg“?

    • Bevor die Jünger Jesu „Christen“ genannt wurden, nannten sie sich selbst „die des Weges sind“! Ein WEG ist nicht dazu da, bestaunt, beschrieben, gerühmt, analysiert, sondern gegangen zu werden. Ein Weg, den niemand geht, den man sich zu gehen weigert, ist nutzlos und stellt eine Verachtung dessen dar, der ihn vielleicht unter Mühen gebahnt hat. - Wie sieht dein Gebetsleben aus?

  • Was bedeutet wohl der „Vorhang seines Fleisches“?

    • Während seiner Lebzeit hatte sein irdischer Körper genau dieselbe Wirkung wie der Vorhang zwischen dem Heiligen und dem Allerheiligsten im Tempel. Die volle und ungehinderte Gemeinschaft mit dem Vater war, solange Jesus noch lebte, also seinen irdischen Leib hatte, für Menschen noch nicht so möglich, wie sie es nach seinem Opfertode war. Sein Leib war in diesem Sinn der „Vorhang“, der durch seinen Opfertod beseitigt wurde.

      Auch hier zeigt sich wieder deutlich, dass nicht die Lehre und das Beispiel Jesu unsere Gemeinschaft mit dem Vater ermöglichen, sondern allein sein Tod und seine Auferstehung. Unser Weg zum Vater geht immer nur durch diesen „zerrissenen Vorhang“ des Fleisches Christi hindurch, welcher ihn nicht mehr verhüllt, sondern im Gegenteil freien Zutritt gewährt.

Diese subjektive Freiheit zum Gebet wäre für uns Sünder (denn auch als Christen bleiben wir Sünder) Vermessenheit, wenn sie nicht ihre objektive Grundlage und Quelle in dem für uns dahin gegebenen Fleisch und Blut Jesu Christi hätte.

Der 2. Grund unserer Zuversicht ist der große Priester oder unser Hohepriester. Er wurde vom Vater über das Haus Gottes gesetzt und ist jetzt im himmlischen Heiligtum für uns da.

  • Was ist jetzt seine Aufgabe und sein Dienst?

    • Hebräer 7,25 („Daher kann er die auch völlig erretten, die sich durch ihn Gott nahen, weil er immer lebt, um sich für sie zu verwenden.“ oder „für sie einzutreten“) und 9,24 („Denn Christus ist nicht hineingegangen in ein mit Händen gemachtes Heiligtum, ein Gegenbild des wahren <Heiligtums>, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen.“) und 1. Johannes 2,1 („Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand sündigt - wir haben einen Beistand bei dem Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Hier wird Christus unser „Fürsprecher“, „Helfer“; wörtlich „der <zur Unterstützung> Herbeigerufene“ genannt.); Römer 8,34 („Wer ist, der verdamme? Christus Jesus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet.“)

  • Worum geht es hierbei vor allem?

    • Jesus tritt beim Vater für uns gegen die Mächte und Gewalten Satans ein. Er weist den Ankläger zurück. (Hiob 1,6-12 und Offenbarung 12,9-10)

  • Wir haben darüber hinaus noch einen Fürsprecher – wer ist das?

    • Der Heilige Geist, der in uns wohnt. Nur durch diese beiden „Beistände“ wird das ganze Erlösungswerk Jesu für uns und in uns wirksam.

Wenn wir uns den Text nochmals anschauen, wird uns mit dem zweimaligen „DURCH“ die einzigartige Quelle dieser beiden wunderbaren Möglichkeiten gezeigt:

DURCH das BLUT Jesu

d.h. durch das vollkommene Opfer Jesu Christi

DURCH das FLEISCH Jesu


Da Christus uns diese Möglichkeiten zu solch einem Preis (Fleisch und Blut) erworben hat, sollte uns das nicht

  1. den Wert, die Bedeutung dieser Möglichkeiten neu klarmachen?!

  2. unsere Motivation, diese Möglichkeiten zu nutzen, aufs höchste steigern?!

  3. unsere Liebe zu Jesus gegen alle Widerstände festigen?!

  4. unsere Liebe zur Gemeinde, die er sich durch sein Opfer erkaufte, stärken?!

Es sind also diese beiden großen Möglichkeiten (der freie Eintritt und der große Priester), die uns fortgesetzt reizen sollen, zuversichtlichen und andauernden Gebrauch davon zu machen. Ansonsten verachten wir Gott und das Opfer sein Sohnes, das nötig war, um uns diese Möglichkeiten zu eröffnen.

2. Was wir sollen: Die Ermahnungen Verse 22-24

  • Was folgt auf die Beschreibung der Möglichkeiten/Verheißungen?

    • Es folgen Mahnungen, Folgerungen, Verantwortungen. Das ist in der Bibel stets der Fall.

Aus diesen wunderbaren Möglichkeiten (Verse 19-21) ergeben sich nun für den mit neuem Lebensmut/Zuversicht Beschenkten die heiligen Verpflichtungen, welche in den Versen 22-24 in einer dreifachen Art und Weise entfaltet werden:

  • Wie lautet die erste Verpflichtung?

    • HINZUTRETEN zu dem Thron der Gnade kann man nur mit einem wahrhaftigen, ehrlichen, aufrichtigen Herzen d.h. in der Vollgewissheit des Glaubens. Solch ein Herz bekommen wir niemals durch eigenes Bemühen, eigene Anstrengung oder Frömmigkeit, sondern nur durch den gewissen Glauben an das vollbrachte Werk Jesu Christi, das wir für uns in Anspruch nehmen:

Innerlich besprengt durch sein Blut,

Beides wird nur für den Glaubenden wirksam.

Äußerlich gewaschen in der Taufe.

Die Besprengung der Herzen mit dem Blute Christi, d.h. die im Glauben angenommene Reinigung von der Schuld, befreit das Gewissen (9,14; 12,24). Dadurch wird diese Person in den Stand gesetzt, priesterlich vor Gott erscheinen zu können. Hier ist also nicht an die Heiligung, sondern an die Rechtfertigung auf Grund der Entsündigung zu denken.

Diese Reinigung geschieht in der Regel nicht einsam und allein, sondern hat ihren Sitz im Leben der Gemeinde. Auch ihr Ziel liegt nicht in einem frommen Einzeldasein, sondern in der Bereitschaft, dem Leib Christi als ein wichtiges und brauchbares, weil gereinigtes Glied zu dienen. (Reinigung zum Dienst!)

Die levitische Reinigung bestand aus dem Waschen mit reinem Wasser, welche Aaron und seine Söhne bei ihrer Einführung (2. Mose 29,4), sowie vor jedem Dienst im Heiligtum aus dem kupfernen Waschgefäß vor dem Eingang ins Heilige an Händen und Füßen (2. Mose 30,20f), der Hohepriester aber am jährlichen Sühntage am ganzen Leibe vorzunehmen hatten (3. Mose 16,4).

Hier wird offenbar darauf angespielt und von der Taufe gesprochen. Denn die Taufe stellt den vollzogenen Übergang des objektiven Heilsgutes in die subjektive Heilsaneignung dar und enthält in sich die Verpflichtung zur Heiligung der Gerechtfertigten (Römer 6,3f; 1. Petrus 3,21). - Auch die Taufe weist in die Gemeinschaft der Heiligen und nicht in ein frommes Individualdasein.

Das HINZUTRETEN spricht von Anbetung, Lob und Dank, sowie von der Fürbitte für unsere Mitgeschwister und für alle Menschen. - Es besteht die Gefahr, dass die Dinge dieser Welt uns so völlig in Anspruch nehmen, dass wir darüber die Realität der anderen Welt vergessen oder vernachlässigen.

  • Wie lautet die zweite Verpflichtung?

    • FESTHALTEN am Bekenntnis der Hoffnung. Der das FESTHALTEN am Bekenntnis der Hoffnung begründende Satz erinnert an 1. Korinther 1,9; 10,13; 1. Thessalonicher 5,24; 2. Thessalonicher 3,3.

  • Worauf deutet die Mahnung zum „festhalten“ hin?

    • Dass uns jemand diese Hoffnung und das Bekenntnis zu ihr rauben will, weil er uns dann als leichte Beute bekommen kann.

      Man mag seine eigenen Mängel oder diejenigen anderer sehen, man mag die Schwierigkeiten des Weges, der eigenen Veranlagung, seiner Umgebung, der gestellten Aufgaben usw. sehen - dennoch gilt es, am Bekenntnis der Hoffnung festzuhalten und sich von ganzem Herzen dazu zu bekennen, dass er, der das gute Werk angefangen hat, es auch vollenden und uns bereit machen wird, ihm am Tag seiner Wiederkunft heilig und unsträflich zu begegnen.

  • Worauf gründet sich unsere Hoffnung?

    • Diese unsere Hoffnung ist auf den nie schwankenden Grund der Treue dessen, der uns die Verheißungen gegeben hat gegründet. Wie Gott zu den Verheißungen steht, so soll die Gemeinde zum Bekenntnis der Hoffnung stehen.

Es ist auffällig, dass die einzige Aufforderung, die in diesem Abschnitt unser Reden zu Menschen betrifft, uns auf das Bekenntnis der Hoffnung hinweist. Alles, was wir sagen, sollte Ausdruck jener unerschütterlichen, ewigen Hoffnung sein, die Jesus selbst ist (1. Timotheus 1,1). Macht unser Reden anderen Mut und Hoffnung?! - Auch die Hoffnung haben wir als Christen gemeinsam und kein einziger von uns, als „Privatbesitz“.

  • Wie lautet die dritte Verpflichtung?

    • ACHTHABEN aufeinander. Wir müssen uns stets vor Augen halten, dass der christliche Glaube kein innerliches Ideal ist, das man in seinen Wünschen oder im Herzen verbirgt, sondern er ist etwas sehr Praktisches: Ein Flüssigmachen der von Gott geschenkten Kräfte und das Mittel zum Säen einer Liebessaat, die in den Herzen unserer Mitmenschen zur Ehre Gottes aufgehen soll.

  • Welches Ziel sollen wir beim Achthaben aufeinander verfolgen?

    • Wir sollen uns gegenseitig zur Liebe anreizen. Das Achthaben soll nicht zum Zwecke der Kontrolle geschehen, nicht um sich ungefragt einzumischen, sondern sie soll andere zur Liebe zu Gott und Menschen anreizen.

    • Der Zweck der gegenseitigen wachsamen und wirksamen Beachtung ist der Anreiz zur Liebe, der gegeben werden soll. - Auch dies ist, im Sinne dessen, der uns diese Botschaft mitteilen ließ, nur im Rahmen der Gemeinschaft der Gemeinde möglich.

3. Wie wir es vermögen: Die Mittel Vers 25

Für das richtige Verständnis dieses Abschnitts und der gerade ergangenen Ermahnungen ist es wichtig, dass wir die Partizipialform am Anfang von Vers 25 recht beachten und einordnen: Hier wird hinsichtlich des HINZUTRETENS, des FESTHALTENS und des ACHTHABENS eine negative und eine positive Aussage gemacht, die beschreibt, WIE diesen 3 Verpflichtungen nachgekommen werden kann und soll.

  • Wie allein können wir den 3 Verpflichtungen recht nachkommen? -

    • 1. indem wir die VERSAMMLUNGEN NICHT VERLASSEN (negativ) und

      2. indem wir EINANDER ZUSPRUCH GEBEN (positiv).

Wenn wir uns klarmachen, dass wir unserer heiligen Verpflichtung nur im Raum der Gemeinde recht nachkommen können, dann werden wir die Gemeinde anders einschätzen lernen. Das HINZUTRETEN, FESTHALTEN und das ACHTGEBEN aufeinander ist zwar eine Aufgabe, die jeder Christ zunächst für sich selbst hat, der er aber nur eingebunden in die Gemeinschaft der Gemeinde wirklich nachkommen kann.

Beachten wir, was oft übersehen wird: Die Ermahnungen stehen in den Versen 22-24. Vers 25 zeigt uns die Mittel, wie wir diesen Ermahnungen nachkommen können. Vers 25 ist keine zusätzliche Ermahnung, sondern sie ergibt sich aus den vorausgehenden. Wer wirklich HINZUTRETEN, FESTHALTEN, ACHTHABEN will, der WIRD die Versammlungen nicht verlassen, der WIRD Mitgeschwister „ermahnen“. Der ist, weil der Herr vielleicht schon sehr bald wiederkommt, dankbar, im Worte Gottes auf die Mittel hingewiesen zu werden, durch die er diesen seinen Aufgaben allein recht nachkommen kann.

Unter „Versammlung“ wird hier die Gemeinde Jesu verstanden. Das ist stets die sich versammelnde Gemeinde. Da, wo Gläubige sich im Namen Jesu unter der Leitung der dafür von Gott Berufenen versammeln, um auf ihren Herrn, d.h. auf sein Wort, seinen Geist, seine Glieder zu hören und einander zu dienen, da ist Gemeinde Jesu! (Gottesdienst, Bibelstunde) - Wenn man die Alpen sehen will, muss man in den Süden reisen. Wenn ein Mensch das neue Leben mit Christus führen will, muss er sich mit der Gemeinde versammeln. Ein Mensch, der das neue Leben in Christus führen will, hat keine andere Möglichkeit, als diese Bedingungen anzunehmen und sich ihnen persönlich unterzuordnen.

  • Inwiefern können wir nur in der Gemeinschaft der Gemeinde recht HINZUTRETEN?

    • Wir leben allein von dem, was wir in der Gemeinschaft, d.h. vom Leibe Christi empfangen und nicht umgekehrt.

      Das wahrhaftige Herz können wir uns nicht selbst schaffen, es wird in der Gemeinschaft der Gemeinde geschenkt und geformt.

      Auch bei der Reinigung sind wir aufeinander angewiesen. Man kann sich von einem bösen Gewissen nicht ohne weiteres selbst reinigen. Solche Selbstreinigungsversuche sind allzu oft nur eine Selbsttäuschung (Epheser 4,32; Jakobus 5,16).

      Die Taufe weist uns ebenso in die Mitte der Gemeinde. Das ist uns noch am ehesten einsichtig.

  • Inwiefern können wir nur in der Gemeinschaft der Gemeinde recht am Bekenntnis der Hoffnung FESTHALTEN?

    • Es ist nicht unsere private Hoffnung, es ist keine Hoffnung von Einzelnen, es ist und bleibt die Hoffnung der Gemeinde und nur in dem Maße, wie wir an der Gemeinde tatsächlichen Anteil haben, können wir die Hoffnung kennenlernen und festhalten. Niemand kann auf Dauer allein die christliche Hoffnung festhalten. Die Gemeindehoffnung kann nur gemeindemäßig festgehalten werden.

  • Inwiefern können wir nur in der Gemeinschaft der Gemeinde recht aufeinander ACHTHABEN?

    • Aufeinander ACHTHABEN können wir nur in der Gemeinschaft. Das ist einleuchtend. Aber wir sollten uns gerade hier klarmachen, dass genau wie die Liebe nur dann christliche Liebe ist, wenn sie in einer verbindlichen Gemeinschaft gelebt wird, es sich auch nur dann um wahren christlichen Glauben und Hoffnung handelt, wenn sie aus dem „Leib Christi“ fließen und der Auferbauung desselben dienen.

Wir müssen uns den Stellenwert, den die Gemeinde für das Christsein des Christen hat, neu bewusst machen, um aus unserem frommen Individualismus herauszukommen und wirklich Gemeinde Jesu zu bauen. Wenn wir das Neue Testament untersuchen, können wir unschwer erkennen, dass alle christlichen Tugenden nur in engster Verbindung mit Christus, d.h. seiner Gemeinde hervorgebracht werden können (Weinstock, Frucht des Geistes). Für individuelle „Sondersegnungen“ ist kein Raum. Wenn Einzelne besondere Segnungen, Beauftragungen etc. erfahren, dann immer nur als lebendige Glieder am Leibe Jesu Christi und für den Leib Christi.

Der Nebensatz („wie es bei etlichen Gewohnheit ist“) zeigt, dass das Wegbleiben von den gottesdienstlichen Zusammenkünften bei einigen schon damals anfing Gewohnheit zu werden und dass der Herr darin eine Gefahr sieht, die von einer dem Abfall nicht sehr fernen Erkaltung der Liebe zeugt.

Das zweite übergreifende Partizip, das uns einen positiven Hinweis für unser Verhalten und Tun gibt, lautet: „Einander ermahnend, Zuspruch gebend, ermutigend“. - Das griechische Wort, das hier gebraucht wird heißt parakaleo und kommt 114 mal im Neuen Testament vor. Es wir wie folgt übersetzt: bitten (39x), ermahnen (34x), trösten (19x), ermuntern (6x), zureden (3x), beschwören (1x), eindringen (1x), flehen (1x),herbeirufen (1x) etc.

Biblisches „Ermahnen“ meint, einem Menschen den in seiner Lage von Gott her nötigen Zuspruch zu geben!

Jeder wahre Christ wird den Wunsch haben, um jeden Preis in der Nachfolge Jesu weiter zu kommen und so bereit und offen sein, sich etwas sagen zu lassen und anderen etwas zu sagen.

  • Was soll unsere Zusammenkünfte nach diesen Worten kennzeichnen?

    • Einer soll dem anderen dazu verhelfen, dass er empfängt, was er in der jeweiligen Situation benötigt: Ermutigung, Ermahnung, Trost, Stärkung, Korrektur, Unterweisung,...

  • Was setzt das voraus?

    • Dass man sich gut kennt. Dass ich die Bibel gut kenne und einen guten Draht zu Jesus habe, wodurch er mich auf das hinweisen kann, was jetzt gerade angebracht und nötig ist. Dass ich den Mut habe, das dann auch zu sagen und zu tun, was ich vor Gott erkannt habe. Dass ich zu erkennen gebe, dass ich auch noch Fehler mache, sündige und deshalb auch noch lerne. Nur das wird eine „von-oben-herab-Begegnung“ verhindern. Ermahnen und ermutigen zu wollen, ohne sich in vertrauensvoller Haltung innerlich Gott zu nähern, zeugt von Überheblichkeit, Selbstsicherheit, Unabhängigkeit oder Unkenntnis und bringt deshalb keine optimalen Früchte.

Wir hörten in Vers 22, dass wir zu dem Thron der Gnade nur mit einem wahrhaftigen, ehrlichen, aufrichtigen Herzen HINZUTRETEN können.

  • In welchem Zusammenhang steht dies nun zu der Aufforderung einander Zuspruch zu geben?

    • Nur in dem Maße, wie wir uns in der Gemeinde gegenseitig dazu verhelfen, dass wir empfangen, was wir in der jeweiligen Situation benötigen (d.h. Ermutigung, Ermahnung, Trost, Stärkung, Korrektur, Unterweisung...) kann und wird es zu dem wahrhaftigen, ehrlichen, aufrichtigen gemeinsamen Beten (d.h. treten vor den Thron der Gnade) kommen. Und wenn wir uns in einer solchen Weise mehr vor dem Thron Gottes begegnen würden, hätte die Macht der Sünde, welche die Herzen beschwert und stiehlt, welche die Einheit zerstört und verhindert, nicht solch große Chancen unter uns.

  • In welchem Zusammenhang steht das festhalten am BEKENNTNIS DER HOFFNUNG mit der Aufforderung zur Ermahnung in den Versammlungen?

    • Wir sollen uns gegenseitig mahnend, tröstend, korrigierend, ermutigend, belehrend, zurechtweisend, erfreuend Hoffnung machen, Mut machen. Das ist dann sowohl meilenweit von einem oberflächlichen Glaubensoptimismus entfernt, der nach dem Motto lebt: „ich bin o.k. - du bist o.k.“, - als auch von einer Haltung, die sich mit dem Hinweis auf den wiederkommenden Herrn Jesus Christus Spekulationen hingibt und Angst macht.

      Die christliche Hoffnung, welche sich an den gegebenen Gottesverheißungen festmacht, ist von ihrem Wesen her schon aufbauend, ermutigend, stärkend, sie kann jedoch wie alle gute Gabe Gottes von uns Menschen missbraucht werden, deshalb dieser besondere Hinweis.

  • In welchem Zusammenhang steht das reizen zur Liebe und zu guten Werken mit der Aufforderung zur Ermahnung in den Versammlungen?

    • Wir sollen einander helfen Gutes zu tun, wir sollen einander ermutigen, darin nicht nachzulassen, auch da, wo Böses mit Gutem vergolten werden soll, wir sollen einander unser Vorbild Jesus vor Augen stellen und von ihm die Kraft erbitten, das Rechte zu tun. Die Phantasie unserer Liebe sollte wachsen und so das Gemeindeleben blühend, anziehend, fruchtbar machen.

      Auf diesem Wege soll deutlich werden, dass die Liebe zu unserem Nächsten tatsächlich wächst.

Die scharfen Formen der Gemeindezucht, nämlich die Meidung und der Ausschluss, wären nicht so oft anzuwenden, wenn dieses Ermahnen, Zusprechen, Trösten, Zureden treuer geübt würde. Denn dieses Ermahnen setzt nicht erst dann ein, wenn ein Fehler begangen wurde, sondern soll ein normaler Bestandteil unserer Versammlungen, wie z.B. der Lobpreis sein.

  • Wodurch wird die Dringlichkeit dieser Ermahnungen noch unterstrichen?

    • Durch den Hinweis auf die nahe bevorstehende Wiederkunft Jesu Christi, unseres Herrn. Der Tag der Wiederkunft Jesu Christi wird hier einfach „der Tag“ genannt (1. Korinther 3,13).

Das hieße praktisch, dass wir..

..UMSO MEHR - hinzutreten sollten zum Gnadenthron,

..UMSO MEHR - festhalten sollten am Bekenntnis der Hoffnung,

..UMSO MEHR - achthaben sollten zum anreizen zur Liebe,

..UMSO MEHR - die Versammlungen nicht verlassen sollten,

..UMSO MEHR - einander Zuspruch geben sollten.

Hier sehen wir deutlich, wie sich das ganze Leben und der ganze Dienst der frühen Gemeinde im Horizont der Wiederkunft Jesu abspielte und nur so zu verstehen ist. Die Tatsache, dass das Haupt der Gemeinde unmittelbar vor der Tür steht, schenkte ihnen Freimut/Zuversicht und motivierte sie zu dem Hinzutreten, zu dem Festhalten und dem Achthaben, hielt in ihnen das Verlangen wach, soviel Zeit wie nur möglich mit denen zu verbringen, die sie mit Jesus verbanden und drängte sie dazu einander Mut zu machen, Trost und Korrektur zu geben. Alles in der Erwartung des Wiederkommenden.

Das gegenseitige Korrigieren fällt uns z.B. nur dann schwer, wenn wir nur das Hier und Jetzt bedenken. Wenn wir im Auge haben, dass der Herr bald kommt, vor dem ohnehin alles offenbar ist, dann werden wir auch bereit sein, wo es denn sein muss, eher ein menschliches Beleidigt-sein zu ertragen, als etwas zu verschweigen, was dem Bruder vielleicht geholfen hätte, bereiteter für die Ankunft unseres Herrn zu sein.

  • Lieben wir unsere Geschwister angesichts der Ewigkeit, oder sind wir nur darauf aus, in dieser Zeit Ansehen, Ehre, Respekt von ihnen zu genießen?

  • Leben wir jeden Tag so, als sei es unser letzter? Wir brauchen den Tag der Wiederkunft Jesu nicht zu fürchten, wenn wir jeweils den heutigen Tag recht nutzen.

  • Den Tag des Herrn sollen wir nicht nur erwarten, wir sollen uns auch gegenseitig darauf vorbereiten.

  • Oder „SEHEN“ wir vielleicht gar nicht, wie nahe der Tag der Wiederkunft Jesu schon vor der Tür steht?





Manfred Herold

Manfred Herold