Die Souveränität Gottes und die Verantwortung des Menschen

Weshalb behandle ich dieses Thema? - Weil die Bibel davon spricht und weil ich davon überzeugt bin, dass das rechte Verständnis der Souveränität Gottes unsere Sicht auf so ziemlich alles, was uns betrifft oder um uns herum vorgeht, verändert. - Wie manche andere Hauptwörter (Wiedergeburt, Bekehrung, Kirche u.a.), so kommt auch das Wort „Souveränität“ in Bezug auf Gott nicht in der Bibel vor, die Sache selbst jedoch sehr wohl. Gottes Souveränität zeigt sich in der Ausübung seiner Herrschaft über seine Schöpfung; d.h. Gott hat einen ewigen, unverrückbaren, vollkommenen Ratschluss oder Plan für seine Schöpfung gefasst und führt ihn auch genau so aus. - Was verstehen wir darunter? Gott unterhält mit allen geschaffenen Dingen fortwährend eine enge Beziehung, indem er

  1. sie in ihrem Dasein erhält (= Erhaltung) – Hebräer 1,3 - Christus „trägt“ alles, d.h. er hat die aktive Kontrolle über das, was er trägt; Christus ist aktiv dabei seinen Willen durchzuführen; Kolosser 1,16-17 – wenn Christus seine Aktivität des Erhaltens ab bräche, würde sofort alles zu existieren aufhören.

  2. mit seiner Schöpfung zusammenwirkt (= Mitwirkung) – Epheser 1,11 (das Wort „wirkt“ in diesem Vers zeigt an, dass Gott alles nach seinem eigenen Willen „wirkt“ oder „zustande bringt“. Nichts geschieht in seiner Schöpfung außerhalb seines Willens.

  3. sie dazu anleitet, seinen Willen zu erfüllen (= Regierung) – Gott verfolgt mit allem, was er in der Welt tut, eine Absicht und er lenkt dabei alle Dinge so, dass sie seinen Ratschluss erfüllen. Daniel 4,35; Römer 11,36; 1. Korinther 15,27; Epheser 1,11; Jesaja 46, 9-10

Die Bibel sagt in diesem Zusammenhang über Gott:

  1. Sein ewiger Ratschluss ist unveränderlich. (Psalm 33,11)

  2. Er tut, was ihm gefällt. (Psalm 135,6; Sprüche 19,21; Jesaja 46,9-11)

  3. Er wirkt direkt ins Herz von Menschen hinein, um ihre Gedanken zu lenken, mitunter auch um sie zu verstocken. (2. Mose 4,21; Esra 6,22; Psalm 105,25; Sprüche 21,1; Römer 9,17-18; 11,25-26)

  4. Sein Erbarmen und seine Gnade wirken nicht in Abhängigkeit von Menschen, sondern nach seiner freien Auswahl. (Römer 9,11+18)

  5. Es gibt nichts im Universum, auch kein Unglück, das der Herr nicht durch sein Agieren oder durch sein Zulassen bewirkt. Gottes Wille geschieht auch durch mancherlei, was er hasst. (Hiob 2,10; Jesaja 45,7; Klagelieder 3,37-38; Amos 3,6; Matthäus 10,29)

  6. Gott weiß alles, bevor es geschieht. Ja die Dinge geschehen nur deshalb, weil Gott sie angekündigt hat. Jesaja 46,10

  7. Gott lenkt die Machthaber – Daniel 2,21 – alle unsere Tage sind ihm im Voraus bekannt – Psalm 139,16

  8. Die ganze Leidensgeschichte Jesu war von dem dreieinigen Gott im Voraus genau geplant (Apostelgeschichte 2,23; 4,27-28). Er hat sowohl Verrat, Verleumdung, Geißelung und Hinrichtung in seinen Plan eingebaut. Es musste so kommen, doch wehe, durch wen es geschah (Lukas 22,22).

  9. Auch die letzten Ereignisse der Weltgeschichte sind von Gott geplant. Er ist nicht nur Beobachter der Gottlosen, er selbst gibt ihnen (mitunter) ins Herz, in der Ausführung ihrer gottlosen Pläne seinen Plan zu erfüllen (Offenbarung 17,17).

  10. Alle Ereignisse werden sowohl vollkommen von Gott, als auch vollkommen von seinen Geschöpfen verursacht. Für alles gibt es sowohl „natürliche“ Erklärungen: 1. Mose 37,28 (für Wind, Regen, Katastrophen etc.) als auch zugleich „übernatürliche“ Erklärungen: Psalm 105,17 (Gott lässt regnen, Gott erschüttert die Erde, es fällt kein Haar von unserem Kopf...) - „Gott bedient sich auch der Taten der Gottlosen und lenkt ihre Gedanken, um seine Gerichte zu vollstrecken; aber er selbst bleibt dabei von jeglichem Vorwurf frei.“ (Calvin) Lukas 22,22

Weil Gott seinem Wesen nach jedoch Wahrheit und Liebe ist, existiert für seine Souveränität folgender Rahmen:

  1. Gott kann nichts tun, was seinem eigenen Charakter widerspräche. Da Gott unwandelbar ist, müssen seine Worte seine Unangreifbarkeit widerspiegeln (4. Mose 23,19). Gott kann nicht lügen (Hebräer 6,18). In allem bleibt Gott nicht nur wahrhaftig, er hält auch jeden Eid und jedes seiner Versprechen.

  2. Gott stellt uns zwar häufig auf die Probe, aber er versucht niemanden zum Bösen (Jakobus 1,13). Im Gegenteil, Gott gebraucht seine unbegrenzte Macht dazu, uns zu stärken, so dass wir dem Bösen widerstehen und entkommen können (1. Korinther 10,13).

  3. Gott bleibt sich selbst und seinen Verheißungen treu (Maleachi 3,6).Ein Versprechen ist nur so gut wie die Person, die es gegeben hat. Wie Gott selbst, so ist sein Wort unveränderlich (1. Samuel 15,29). Gott ruft nicht zurück, was er gegeben hat; er verwirft nicht, was er gewählt hat (Römer 11,29).

  4. Gott kann Sünden nicht vergeben, ohne dass sie gesühnt werden. Da Gott gerecht ist, kann er nicht einfach alles wegwischen (Römer 6,23). Im Garten Gethsemane rief Jesus: „Mein Vater! Wenn es möglich ist, lass den Kelch des Leides an mir vorübergehen...“ (Matthäus 26,39). Dennoch musste Christus furchtbare physische und geistige Leiden erdulden – das ist Gottes vollkommene Gerechtigkeit der Sünde gegenüber.

  5. Gott zwingt niemanden, ihn zu lieben oder sein Geschenk der ewigen Erlösung durch Jesus Christus anzunehmen. Das ist ein Akt des freien Willens des Menschen (Johannes 1,11-13). Wenn ein Mensch sich dazu entschließt, im Glauben Jesus in sein Leben einzuladen, dann wird er zu einem neuen Geschöpf.

Und wo bleibt der Mensch? Die logische Spannung

Nun bewegen uns alle wohl Fragen wie: Wenn Gott souverän seinen Willen durchführt, warum soll der Mensch überhaupt noch etwas tun? - Ist angesichts dieser Tatsachen nicht jede ärztliche, diakonische und soziale Tätigkeit ein Streiten gegen Gottes Willen? - Weshalb sollen wir dann noch evangelisieren, beten, Gemeinde bauen? - Kommt nicht alles sowieso auch ohne uns zustande? - Wie passt die Lehre von der Vorherbestimmung Gottes und die Lehre von der Verantwortung des Menschen zusammen? - Schließen sie sich nicht gegenseitig aus? Uns Menschen ist es unmöglich die Beziehung zwischen Gottes Souveränität und dem freien Willen der Menschen komplett zu verstehen. Bei Gott bilden beide eine perfekte Einheit. Die Bibel macht unabweisbar klar, dass beide - die Lehre von der Vorherbestimmung Gottes und die Lehre von der Verantwortung des Menschen - gleichermaßen zu einhundert Prozent wahr und von Gott offenbart sind. - Gott will nicht alles allein machen!

Durch die Souveränität Gottes besitzen wir einen freien Willen, können und sollen wählen und Entscheidungen treffen, die unser Leben formen. Wir besitzen nicht Gottes unbegrenzte Macht, aber wir können nach den uns gegebenen Möglichkeiten unser Herz, unsere Seele, unser Denken Wegen überlassen, die mit Gottes heiligem Willen übereinstimmen. So ehren wir den Schöpfer und Erhalter aller Dinge und erkennen seine wahre Vorherrschaft an (Kolosser 1,16-17).

  • Gott weiß wer errettet werden wird,

  • Gott erwählt diejenigen die errettet werden, und

  • wir müssen Christus wählen um errettet zu werden.

Wir können mit unserem begrenzten Verstand das In- und Miteinander dieser drei Fakten nicht wirklich verstehen, sondern nur unseren Gott und Herrn anbeten (Römer 11,33-36). Gott weiß alles, was in der Zukunft geschehen wird, denn er hat alles, was passieren wird, vorherbestimmt. Der Mensch verfügt insofern über einen freien Willen, als er gemäß seinen eigenen Wünschen handelt. Aber sowohl diese Wünsche als auch die anschließende Willensbetätigung fallen unter die souveräne, vor-zeitliche (ewige) Absicht Gottes.

Das heißt: Wir sollen den Menschen die Wahrheit Gottes so sagen, als hinge alles von ihrer Entscheidung ab. Dabei aber wissen wir, dass nur diejenigen sich für Gottes Wort und für die Rettung entscheiden werden, die Gott vor Grundlegung des Welt dazu erwählt hat. Wir wissen nur nicht, wen Er erwählt hat. Das bleibt ein Geheimnis. Und darum müssen wir das Evangelium allen sagen. Auch die Erwählten werden nicht ohne die Predigt des Evangeliums gerettet. Und darum sind wir verpflichtet, allen die Wahrheit Gottes weiterzugeben (Römer 10,13-14).Die Bibel führt uns hier zu einem erstaunlichen Ergebnis: Die Rettung der Bekehrten erweist sich im Rückblick allein als Gottes Verdienst. Deshalb danken wir ja Gott für unsere Bekehrung und die anderer Menschen. Für die Verdammnis der Verlorenen aber macht die Bibel diese selbst verantwortlich, weil sie an der Sünde festgehalten und den Glauben verweigert haben.

Obwohl Gott ein völlig souveräner Gott ist, haben wir nichtsdestoweniger die größte Freiheit, die Geschöpfe Gottes nur haben können:

  • Wir können und sollen uns im Rahmen der Souveränität Gottes frei entscheiden.

  • Unsere Entscheidungen haben echte Auswirkungen.

  • Wir erleben keine Beschränkungen in unserer Willensausübung.

  • Wir sind und bleiben für unser Tun und Lassen verantwortlich.

Dennoch sagt Hebräer 1,3, dass Christus „alle Dinge durch das Wort seiner Macht trägt“. So gesehen ist eine totale Freiheit außerhalb der Macht Gottes undenkbar.

Manfred Herold

Manfred Herold