Lektion 17 - Liebe

Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander lieben sollt; wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Johannes 13, 34+35)

Geliebte, wenn Gott uns so sehr geliebt hat, so sind auch wir verpflichtet, einander zu lieben. Niemand hat Gott jemals (mit Augen) gesehen; doch wenn wir einander lieben, so bleibt Gott dauernd in uns, und seine Liebe ist in uns zur Vollendung gekommen.“ (1. Johannes 4, 11+12)

Im Wort des Propheten Micha war ‑ wie wir im vorigen Abschnitt sahen ‑ die Gerechtigkeit das Erste und die Liebe zum Erbarmen das zweite, was Gott verlangt. Im Alten Testament stand Gerechtigkeit mehr im Vordergrund. Im Neuen Testament jedoch sehen wir, dass die Liebe noch darüber steht. Aussagen, die darauf hinweisen, sind nicht schwer zu finden. Im Kommen Jesu hat sich die Liebe Gottes völlig geoffenbart; das neue, ewige Leben ist uns gegeben in seiner Fülle; wir werden Kinder des Vaters und untereinander Geschwister.

Auf dieser Grundlage kann dann der Herr zum ersten mal von einem neuen Gebot sprechen ‑ dem Gebot der brüderlichen Liebe. Gerechtigkeit wird im Neuen Testament ebenso wie im Alten gefordert. (Matthäus 5,6) Aber der Schwerpunkt liegt im Neuen Testament darauf, dass uns die Kraft gegeben wurde für eine Liebe, wie sie in früheren Tagen unmöglich war. (Johannes 13,34; Römer 5,5) Möge jeder Christ es sich tief zu Herzen nehmen, dass im ersten und größten Gebot ‑ dem neuen Gebot, das uns Jesus bei seinem Abschied gab ‑ die besondere Charakteristik eines Jüngers Jesu die brüderliche Liebe ist. Möge er sich mit ganzem Herzen Jesus ausliefern, um diesem Gebot zu gehorchen. Denn zur rechten Ausübung dieser brüderlichen Liebe muss man mehr als einen Punkt beachten.

Liebe zu den Geschwistern fließt aus der Liebe des Vaters. Durch den Heiligen Geist ist die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen. Die wunderbare Liebe des Vaters ist uns geoffenbart, so dass seine Liebe das Leben und die Freude unserer Seele wird. Aus diesem Quell seiner Liebe zu uns entspringt auch unsere Liebe zu ihm. (Römer 5,5; 1. Johannes 4,19) Und unsere Liebe zu ihm bewirkt ganz natürlich auch Liebe zu den Geschwistern. (Epheser 4,2; 1. Johannes 4,7) Versuche also nicht, das Gebot brüderlicher Liebe aus eigener Kraft zu erfüllen. Du bist dazu nicht imstande. Glaube jedoch, dass der Heilige Geist, der in dir ist, um die Liebe Gottes zu enthüllen, dich befähigt, diese Liebe hervorzubringen. Sage nie: „Ich empfinde keine Liebe. Ich spüre nicht, dass ich diesem Menschen vergeben kann.“ Gefühle sind nicht das Ausschlaggebende bei dieser Pflicht, sondern das Gebot und die Überzeugung, dass Gott uns die Kraft gibt, das Gebot auch zu erfüllen.

Im Gehorsam zum Vater, mit der Ausübung deines Willens, und im Glauben, dass der Heilige Geist dich befähigt, sage einfach: „Ich will ihn lieben. Ich liebe ihn.“ Das Gefühl wird dem Glaubensgehorsam folgen. Die Gnade befähigt dich zu allem, was der Vater von dir verlangt.(Philipper 4,13; 1. Petrus 1,22) Brüderliche Liebe hat ihren Maßstab und ihr Gesetz in der Liebe Jesu. „Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe.“ (Johannes 13,34) Das ewige Leben in uns ist das Leben Jesu. Es kennt kein anderes Gesetz als sein Vorbild. Es bewirkt kraftvoll in uns, was es durch ihn bewirkte. Jesus selbst lebt in uns und liebt in uns und durch uns. Wir müssen an die Kraft dieser Liebe in uns glauben. In diesem Glauben können wir lieben, wie er geliebt hat. Oh, glaubt mir, dies ist wahre Erlösung ‑ so zu lieben wie Jesus liebt! Brüderliche Liebe muss in der Tat und in der Wahrheit geschehen. (Jakobus 2,15-16; Galater 5,6) Sie ist nicht bloß ein Gefühl. Glaube, der durch Liebe wirkt, hat in Christus Kraft. Er bekundet sich in all den Eigenschaften, die im Wort Gottes aufgezählt werden. Betrachte die herrliche Darstellung in 1. Korinther 13, 4‑7. Entdecke all die großartigen Ermutigungen, freundlich, langmütig und barmherzig zu sein. (Galater 5,22; Epheser 4,2+32) Lass es in deinem ganzen Benehmen sichtbar werden, dass die Liebe Christi in dir wohnt.

Lass deine Liebe eine hilfsbereite, aufopfernde Liebe sein ‑wie die von Jesus. Hab alle Kinder Gottes, wie schwach und fehlerhaft sie auch sein mögen, innig lieb. Lass die Liebe zu ihnen dich lehren, alle Menschen zu lieben. (Lukas 6,32+35) O lass deine Familie, deine Gemeinde und die ganze Welt sehen, dass für dich „die Liebe das Größte“ ist. Lass die Liebe Gottes in dir wohnen und sich völlig auswirken. Gott ist Liebe. Jesus ist das Geschenk dieser Liebe, er bringt dir die Liebe und versetzt dich in dieses Leben göttlicher Liebe. Lebe in diesem Glauben und du wirst dich nicht über einen Mangel an Liebe beklagen müssen; die Liebe des Geistes wird deine Kraft und dein Leben sein.

Gebet

Geliebter Heiland, ich sehe nun klarer, dass das ganze neue Leben ein Leben in der Liebe ist. Du bist der Sohn der Liebe Gottes, das Geschenk seiner Liebe. Komm und führe uns in seine Liebe ein. Und der Heilige Geist ist uns gegeben, um die Liebe Gottes in unsere Herzen auszugießen, um eine Quelle zu eröffnen, aus der dir Liebe entgegen strömt und zu allen Geschwistern und zur ganzen Menschheit weiterfließt. Herr, hier bin ich, durch Liebe erlöst, bestimmt für die Liebe zu leben und in ihrer Kraft alle zu lieben. Amen.

Denke darüber nach und sprecht miteinander über:

  1. Die, welche das Wort Gottes ablehnen, sagen manchmal, es sei unwichtig, was wir glauben, solange wir nur Liebe haben. So machen sie die Liebe zu der einzigen Bedingung der Erlösung. In ihrem Eifer gegen diesen Standpunkt hat die orthodoxe Partei den Glauben an die Rechtfertigung so dargestellt, als sei die Liebe nicht so wichtig. Das kann sehr gefährlich werden. Gott ist Liebe. Sein Sohn ist die Gabe - der Vermittler seiner Liebe zu uns. Der Heilige Geist gießt die Liebe Gottes in das Herz aus. Das neue Leben ist ein Leben in der Liebe. Die Liebe ist das Größte. Lass sie das hauptsächliche Element deines Lebens sein ‑nämlich jene wahre Liebe, die sich im Halten der Gebote Gottes erweist. (Siehe 1. Johannes 3, 10+23+ 24; 5, 2)

  2. Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe, dass du lieben musst, auch wenn du nicht die geringste Liebe empfindest. Nicht was du fühlst, sondern was du willst, liegt in deiner Macht. Nicht im Gefühl, sondern im Glauben ist der Geist in dir fähig, das Wollen zu bewirken für alles, was der Vater von dir verlangt. Deshalb sagst du im Glaubensgehorsam, auch wenn du absolut keine Liebe zu deinem Feind empfindest: „Vater, ich liebe ihn. Im Glauben an das verborgene Wirken des Heiligen Geistes in meinem Herzen liebe ich ihn.“

  3. Denke nicht, dass das schon Liebe ist, wenn du niemandem etwas Böses wünschst, oder wenn du bereit bist, im Notfall zu helfen. Nein, Liebe ist viel mehr; Liebe ist die Gesinnung, in der Gott sich dir zugewendet hat, als du noch sein Feind warst, und dir entgegen lief in dem zärtlichen Verlangen, dich zu segnen.



(A. Murray „Spurwechsel – Orientierung zum Leben“ – bearbeitet von Manfred Herold)



Manfred Herold