Lektion 35 - Gebet

Du aber, wenn du beten willst, so geh in deine Kammer, schließe deine Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; dein Vater aber, der auch ins Verborgene hineinsieht, wird es dir alsdann vergelten.“ (Matthäus 6,6)

Das Wachstum unseres geistlichen Lebens hängt in großem Maß vom Gebet ab. Je nachdem ob ich viel oder wenig bete, ob ich gerne oder aus Pflichtgefühl bete, ob ich gemäß dem Wort Gottes oder nach meiner eigenen Neigung bete, gedeiht oder verfällt mein Leben. In den oben zitierten Wor­ten Jesu haben wir die wichtigsten Gedanken über wahres Gebet.

Allein mit Gott ‑ das ist der erste Gedanke. Die Türe muss geschlossen sein, die Welt und die Menschen müssen draußen bleiben, weil ich mit Gott ungestörte Gemein­schaft haben muss. Wenn in alten Zeiten Gott seinen Die­nern begegnete, nahm er sie zur Seite. (2. Mose 33,11) Lass beim Beten dein erster Gedanke sein: Gott und ich sind jetzt in diesem Raum beisammen. Die Kraft deines Gebets wird abhängig sein von deiner Überzeugung von der Nähe Gottes.

In der Gegenwart deines Vaters ‑ das ist der zweite Gedanke. Du betrittst den inneren Raum, weil dein Vater mit seiner Liebe dich dort erwartet. Obwohl du vielleicht deine eigene Kälte und Dunkelheit spürst, obwohl du viel­leicht zweifelst, ob du überhaupt beten kannst ‑ komm, weil der Vater da ist und auf dich blickt. Setze dich unter seinen Augen nieder. Glaube an seine zärtliche, väterliche Liebe und aus diesem Glauben wird das Gebet geboren. (Matthäus 6,8)

Rechne mit einer Antwort ‑ das ist der dritte Punkt, den Jesu Worte uns klarmachen. „Dein Vater wird dich öffent­lich belohnen.“ Es gibt nichts, worüber der Herr Jesus so positiv gesprochen hat wie über die Gewissheit der Gebetserhörung. (Markus 11,24; Johannes 14,13-14) Schau diese Verheißungen durch. Beobachte, wie unentwegt in den Psalmen ‑jenem Gebetbuch der Hei­ligen Gottes ‑ Gott angerufen wird als der Gott, der Gebet erhört und beantwortet. (Psalm 3,4; 4,3; 6,9; 10,17; 17,6)

Vielleicht liegt manches in dir, das die Antwort verhindert. Verzögerung der Antwort ist ein sehr gesegneter Vorgang. Verzögerung führt dazu, dass wir uns selbst erforschen, ob wir unrichtig beten und ob unser Leben wirklich in Über­einstimmung mit unserm Gebet ist. Das erzieht uns zu einer reineren Ausübung unseres Glaubens. (Micha 3,4; Haggai 1,9; Sprüche 21,13) Das führt zu einer engeren und ausdauernderen Gemeinschaft mit Gott. Das sichere Vertrauen in eine Antwort ist das Geheimnis machtvollen Gebets. Lass dies für uns immer die Haupt­sache beim Gebet sein. Wenn du betest, halte mitten im Gebet inne und frage dich: „Glaube ich, dass ich empfange, um was ich bitte?“ Lass deinen Glauben die Antwort anneh­men und festhalten, als wäre sie schon erfolgt. Es wird dir nach deinem Glauben geschehen. (Jesaja 30,19; Maleachi 3,10; 1. Johannes 3,22)

Geliebter neuer Christ, eines musst du besonders gewissen­haft einhalten: Private Gemeinschaft mit Gott. Dein Leben ist mit Christus in Gott verborgen. Jeden Tag musst du von oben erbitten und im Glauben empfangen, was du für die­sen Tag brauchst. Jeden Tag muss die persönliche Gemein­schaft mit dem Vater und mit dem Herrn Jesus erneuert und gefestigt werden. Gott ist unsere Rettung und unsere Stärke. Christus ist unser Leben und unsere Heiligkeit. Nur in persönlicher Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott fin­den wir unser Heil.

Glaubender, bete viel, bete ständig, bete unablässig. Geh in das Gebetskämmerlein gerade dann, wenn du kein Verlan­gen hast zu beten. Geh als einer, der dem Vater nichts zu bringen hat, setze dich vor ihm nieder im Glauben an seine Liebe. Dieses Hingehen zum Vater und Verweilen vor ihm ist bereits ein Gebet, das er versteht. Sei sicher, dass es immer Segen bringt, vor Gott hinzutreten, auch wenn du dort ganz passiv bist. Der Vater hört nicht nur. Er sieht auch im Verborgenen und wird dir öffentlich vergelten.

Gebet

O mein Vater, du hast in deinem Wort so klar versprochen, das Gebet des Glaubens zu hören, gib mir den Geist des Gebetes, damit ich weiß, wie ich dieses Gebet dir darbringen kann. Offenbare mir gnädig deine wunderbare väterliche Liebe, das völlige Auslöschen meiner Sünden in Christus, wodurch jedes Hindernis in dieser Richtung hinweg genommen wird. Und offenbare die Fürbitte des Geistes in mir, damit meine Unwissenheit oder meine Schwachheit mich nicht des Segens berau­ben kann. Lehre mich, in Gemeinschaft mit dir zu beten. Und bestätige in mir die starke Gewissheit, dass ich das bekomme, um das ich gläubig bitte. Amen

Denke darüber nach und sprecht miteinander über:

  1. Im Gebet ist das wichtigste Element der Glaube. Die ganze Erlösung, das ganze neue Leben und deshalb auch das Gebet geschieht im Glauben. Es gibt viel zu viel Gebete, die nichts bringen, weil zu wenig Glauben darin ist. Bevor ich bete, während ich bete und nachdem ich gebetet habe, muss ich mich fragen: Bete ich im Glauben? Ich muss sagen können: Ich glaube von ganzem Herzen.

  2. Um bei diesem Glauben anzukommen, muss ich mir Zeit nehmen für das Gebet ‑ Zeit, mich still und vertrauend vor Gott niederzusetzen und durch seine Gegenwart erfrischt zu werden. Ich brauche Zeit, meine Seele durch die Gemeinschaft mit Gott heiligen zu lassen. Ich brauche Zeit für den Heiligen Geist, der mich lehrt, das Wort der Verhei­ßung festzuhalten und vertrauensvoll anzuwenden. Wir erhalten keine irdischen Kenntnisse, Besitztümer, Nah­rungsmittel oder Freundschaften, ohne Zeit daran zu wen­den. Wir sollten nicht erwarten, dass wir lernen, wie wir beten, wie wir die Macht und den Segen des Gebets erfah­ren können, wenn wir uns keine Zeit nehmen für Gott. Wir brauchen Zeit dafür, in die Gewissheit hinein zu wachsen, dass wir dem Vater angenehm sind und dass unser Gebet Macht hat; wir brauchen Zeit, um Zuversicht zu gewinnen in dem Wissen, dass unser Gebet mit Gottes Willen übereinstimmt und erhört wird. Gebet ist Zwiesprache und Gemeinschaft mit Gott, wobei Gott Zeit und Gelegenheit hat, in uns zu wirken; wobei unsere Seele ihrem eigenen Willen und ihrer eigenen Kraft abstirbt und verbunden und vereinigt wird mit Gott.

  3. Als Ermutigung zu anhaltendem Gebet mag das fol­gende Beispiel hilfreich sein. Georg Müller sagte, dass ihm im Jahr 1844 fünf Personen aufs Herz gelegt wurden, und dass er für ihre Bekehrung zu beten begann. Achtzehn Monate vergingen, ehe der erste sich bekehrte. Er betete fünf Jahre weiter, dann bekehrte sich der zweite. Nach zwölfeinhalb Jahren bekehrte sich wieder einer. Und nun hatte er weitere vierzig Jahre für die restlichen beiden gebe­tet, ohne einen einzigen Tag auszulassen. Sie waren zum Zeitpunkt, als er das erzählte, noch nicht bekehrt; aber er war dennoch voll Zuversicht, dass diese beiden ihm auch als Gebetserhörung gegeben würden. Das ist ein vertrauensvolles Gebetsleben.

(A. Murray „Spurwechsel – Orientierung zum Leben“ – bearbeitet von Manfred Herold)

Manfred Herold