Lektion 43 - Gott und das Böse

Gott hatte gewusst, dass Satan und die Menschen in Sünde fallen würden, lange bevor es geschah. Ja, lange bevor er sich entschloss, die Schöpfung ins Dasein zu rufen, war ihm das zukünfti­ge Verderben des Engels Luzifer und die daraus entstehende Katastrophe bereits bekannt. Für Gott gibt es niemals etwas Neues. Er braucht nicht zu warten, bis ein Ereignis eintritt, um seine Einzelheiten zu kennen. Er weiß alle Dinge bis ins kleinste im voraus. (Psalm 139,1-4; 1. Könige 8,39; Jesaja 41,22-23; Jesaja 42,9; Jesaja 43,9-11; Apostelgeschichte 15,18; Römer 11,33-36) Nun hatte Gott verschiedene Möglichkeiten zu reagieren:

  1. Er hätte Luzifer mit roher Gewalt vernichten können. Er hätte ihn auf einen anderen Planeten ver­bannen können. Und er hätte ihn unmittelbar in den Feuersee werfen können. All das wäre fair und gerecht gewesen.

  2. Gott aber entschloss sich, Luzifer (den wir von nun an Satan nennen) zu gebrauchen, um bestimmte Wahrheiten bekanntzumachen, die sonst, wenn das Böse nicht in das Universum eingedrungen wäre, verborgen geblieben wären. - Es folgt das Drama, das sich auf diesem Globus abspielt und in dem Satan und Gott, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, miteinander kämpfen.

Gottes Regeln für Satan:

  1. Gott gab Satan die Herrschaft über die Erde. Er erlaubte ihm, seine Lügen zu verbreiten. Zweifellos blieben Satan seine Macht und sein Wissen - kennzeichnende Eigenschaften, die er vor seinem Fall besaß - erhalten, nur, dass sie jetzt pervertiert waren. Jahrhunderte später würde Christus von ihm als von dem „Fürsten dieser Welt“ sprechen (Johannes 12,31; siehe auch 14,30; 16,11). Und als Satan Christus die Reiche dieser Welt anbot, widersprach ihm Christus nicht!

  2. Gott gibt Satan Zeit um zu sehen, ob er sein eigenes Reich mit Erfolg regieren könnte. Könnte er das von ihm selbst hervorgeru­fene Chaos in Ordnung bringen? Könnte er wirklich die Welt regieren, wenn sie ihm gegeben würde?

  3. Gott wollte nicht einfach durch seine Macht siegen, sondern durch seine Heiligkeit und Gerechtigkeit. Gott trat Satan auf gleicher Ebene gegenüber, um den moralischen und geistlichen Sieg über seinen Gegner zu erringen. Die Schlacht sollte nicht einfach zeigen, wer der Stärkere ist, sondern deutlich machen, wer richtig und gerecht handelt. Beide Seiten suchen in dieser Auseinandersetzung Mitstreiter, die an ihrer Seite kämpfen. So sieht sich Satan gezwungen zu beweisen, dass er nur teilen, aber nicht einen kann; dass er nicht erbauen, sondern nur zerstören kann. Er kann zwar rufen: „Es werde Licht!“, aber er wird weiter in der Finsternis verbleiben müssen. Er kann die Wahrheit nicht ertragen, sondern muss in der Lüge sein neues zu hause finden.

Thesen zum besseren Verständnis einiger widersprüchlich erscheinender biblischer Aussagen:

  1. Gott ist der allein Gute (Markus 10,18), ist Licht, in dem es keine Finsternis gibt (Jakobus 1,17).

  2. Daher hat das Böse nicht in Gott seinen Ursprung, wohl aber seine Bedingung: Gott, der Allmächtige, könn­te und kann die Wirksamkeit des Bösen verhindern.

  3. Gott verhindert das Böse in vielen Fällen nicht. Dieses „Nicht­-Verhindern“ formuliert die Bibel in zwei verschiedenen, komplementären Aussagereihen, die jeweils eine unterschiedliche Aussage-Absicht verfolgen:

Passiv: Gott lässt das Böse nur zu, beteiligt sich nicht selbst daran (z.B. Hiob 1,12;2,6; 1. Samuel 16,14f

Aktiv: Gott wirkt das Böse letztlich selbst, um Böses aktiv zu bestrafen (z.B. Amos 3,6; Jesaja 45,7)

Betonung der Distanz Gottes zum Bösen: Gott ist der Feind des Bösen, hat seinem Wesen gemäß mit ihm nichts zu schaffen (Jakobus 1,13b; 1. Johannes 3,8-12)

Satan ist für das Böse in unserer Welt verantwortlich (Johannes 8,44; Offenbarung 12,9f)

Betonung der Geschichtsmächtigkeit Gottes: Gott ist nicht bloßer Zulasser oder Zuschauer im Weltgeschehen, sondern bestimmt, lenkt und regiert auch das Böse aktiv nach seinem Plan und

Willen (z.B. Hiob 12,16f) Satan ist bloßes Werkzeug Gottes (2. Könige 22,21f)

Das Böse gilt als Entzug der Gegenwart Gottes, die Hölle als Gottesferne (2.Thessalonicher 1,9 wörtlich: Hölle bedeutet „fern vom Angesicht des Herrn und seiner Herrlichkeit sein“)

Das Böse gilt als strafendes Eingreifen Gottes (1. Samuel 19,9; Richter 9,22f) die Hölle als Gottes Gericht (z.B. 2. Petrus 2,4; 1. Samuel 2,6 „Der Herr tötet und macht lebendig; ER führt in die Hölle und

wieder heraus.“

Im Nebeneinander dieser beiden Aussagereihen deutet die Bi­bel an, dass theologisch zusammengehört, was sich logisch nicht gleichzeitig denken lässt. Beide Aussagereihen ergänzen sich ge­genseitig wie die beiden Seiten einer Medaille: ohne die Ergän­zung der anderen bietet jede von beiden nur ein einseitiges, un­vollständiges Gottesbild. Zugleich korrigieren sich beide Aussa­gereihen gegenseitig, indem uns die eine jeweils davor bewahrt, aus der anderen Konsequenzen zu ziehen, die mit der Offenba­rung Gottes unvereinbar sind. Entsprechend gilt:

  • Das Böse ist nicht von Gott gewirkt, Gott ist nicht Ursprung, sondern Feind des Bösen; - und doch verdankt es ihm seine Wirklichkeit; es ist nicht ohne Gott, weil es jenseits von Gott keine eigenständige Wirklichkeit gibt.

  • Gott will das Böse nicht, und doch ist er Herr alles Gesche­hens, so dass auch das Böse nicht vorbei an seinem Plan und Willen geschieht und geschehen kann. (Auch im Hiobbuch ist und bleibt Satan gleichsam der „Satan Gottes“; vgl. Kapitel 1,12!).

  • Gott ist weder ursprüngliches Subjekt, noch einfach bloßer Zulasser oder Zuschauer des Bösen im Weltgeschehen. Er wirkt das Böse nicht, sondern bewirkt, dass dieses „sich gleichsam selbst verwirklicht“, indem er das Böse gegen es selbst richtet und seine göttliche Gerechtigkeit durchsetzt.

Beide Aussagereihen sollten wir daher jeweils von ihrer be­rechtigten komplementären Aussage-Absicht her verstehen und ihr theologisch unverzichtbares Nebeneinander nicht in ein lo­gisch widersprüchliches Gegeneinander verkehren. Vielleicht hilft dabei ein Gleichnis aus der Geometrie: Zwischen zwei pa­rallelen Linien können wir keinerlei Annäherung erkennen, und doch kommen sie im Unendlichen zusammen.

Zusammengestellt von Manfred Herold

Manfred Herold