Lektion 52 - Was das Wort bewirkt - 2.

Das Überführen oder das Aufdecken der Schuld geschieht also in der positiven Ab­sicht, den Menschen zum Be­kenntnis seiner Sünde vor Gott zu veran­lassen und ihn so der Verge­bung Gottes zu vergewissern. Das ist dann schon der erste Schritt zur „Wiederherstellung“, „Besserung“, „Zurecht­weisung“, „Wiederaufrichtung“, „jemanden, der den rechten Weg ver­lassen hat, wie­der auf diesen zurückzuführen“.

Durch die überführende Wirkung des verkündigten Wortes hat der Leser/Hörer die falsche Richtung, den fal­schen Weg als solchen erkannt und Halt gemacht. Nun kommt dasselbe Wort Gottes und richtet ihn in seiner Traurigkeit und sei­nem Kummer, in die er durch die Erkenntnis seiner Sünde geraten ist, wieder auf. Hier ist deutlich zu erkennen, dass das Wort Gottes seine wieder aufrichtende Wirkung erst dann erweisen kann, wenn die überführende Wirkung vorausgegangen ist.

Genau dasselbe wird in Jakobus 5,19-20 gesagt. Indem wir das rechte Wort zur rechten Zeit sagen, sollen und können wir jemanden „retten“. Genau so schreibt Paulus in Galater 6,1. Wo sind in unserer Gemeinde die „Geistlichen“, d.h. die Menschen, die sich in ihrem Leben vom Heiligen Geist bestimmen lassen, die in ihrer Jesusbeziehung gewachsen und reif geworden sind, die ihren Platz in der Gemeinde gefunden und eingenommen haben, und die dann in der Gemeinde anwesend sind und sich aktiv einbringen? Es geht hier nicht um „perfekte Heilige“, sondern um Menschen die sich stets und ständig auf die Hilfe des Heiligen Geist angewiesen wissen und dankbar seine Anregungen aufnehmen und sie dort anbringen, wo es nötig ist. Geistliche Menschen sind solche, die mit den Sünden anderer jesusgemäß umzugehen gelernt haben. Die sie also weder verharmlosen, noch dramatisieren, weder ausplaudern, noch sich darüber aufregen, - sondern die sie bei Jesus abgeben, der sie bereits alle gesühnt hat. Solche Christen können anderen zurecht helfen, indem sie z.B. darauf hinweisen, dass Sünden nicht verschwiegen werden dürfen (Sprüche 28,13), denn sie lösen sich nicht irgendwann einmal in Luft auf, sondern sie verlieren nur dann ihre zwingende Macht über uns, wenn sie als solche erkannt und vor Jesus bekannt werden (1. Johannes 1,9).

Nun stellen sich natürlich Fragen wie: „Für wie gefährlich hältst du die Sünde?“ „Machst du noch Unterschiede zwischen schlimmen und weniger schlimmen Sünden?“ Nur wenn du die Sünde so ernst beurteilst wie Gott selbst, wirst du die Unannehmlichkeiten solcher Gespräche auf dich nehmen. Weil Jesus den wahren Charakter der Sünde als Majestätsbeleidigung Gottes kannte, nahm er die Unannehmlichkeiten seiner Menschwerdung, seines Leidens und Sterbens auf sich. Wir können alle von der Wahrheit abirren. Deshalb müssen wir uns darauf verlassen können, dass sich kein Gemeindeglied achselzuckend abwendet, wenn er das bei uns sieht oder hört. Wir haben den Auftrag und die Möglichkeit, einander auf den rechten Weg zurückzuführen. Hier wird klar ausgesprochen, was dranhängen könnte: „Eine Seele vom Tode zu retten!“ Wir sind alle äußerst gefährdet. Bleiben wir deshalb wachsam!

Wir sehen, es kommt bei der Anwendung des Wortes Gottes vor al­lem auf die Ausgewogenheit der drei Aspekte untereinander an. So ist meines Er­achtens jede Verkündigung, die nur den überführenden, richtenden Aspekt betont und den Gerichteten dann am Boden liegen lässt ohne ihn wieder­aufzurichten, genauso abzulehnen, wie eine Predigt, die nur trö­sten, aufrichten, Mut zusprechen will, oh­ne vorher das überführende Wort gesagt zu haben. Denn erst der Mensch, der sich verurteilt weiß, sehnt sich nach Gnade.

Die Zurückführung, Wiederaufrichtung, Heilung ist aber immer nur ein An­fang, vielleicht ein Neuanfang. Ihm muss nun das Wachstum im Neuen Leben folgen. Dazu gibt Gott sein erziehendes Wort - Erziehung in der Gerechtigkeit. Das griechische Wort „paideia“, von dem das Wort „Pädagogik“ abgeleitet wird, wäre heute mit dem Wort „Trai­ning“ gut wiedergegeben. Es beinhaltet die Vorstellung, jemanden in Kondition zu bringen (2.Timotheus 2,22; Titus 2,11-14). Die Gnade Gottes, d.h. sein freundliches Schenken will uns Durchhaltevermögen geben, seine unverdienten Gaben wollen uns zunehmend dienstbereiter machen! Also nicht strenge Regeln und Forderungen brechen alte Gewohnheiten, nicht gesteigerte Anstrengungen, welche mit eigener Disziplin und Willensstärke rechnen, sondern gedul­diges „Training“ des in der Wahrnehmung eigener Schwachheit erbetenen und empfangenen Gnadengeschenkes Gottes bewirkt die für uns so wichtigen Veränderungen.

Die dritte praktische Folge der Belehrung soll also die „Erziehung in der Gerech­tigkeit“ sein. Damit der Mensch auf seinem Weg der Christus­nachfolge nicht immer wieder irrt und fällt, wird ihm das Wort zur Erziehung, zur Un­terweisung gegeben. Er soll nach dem Bild Christi geformt werden. So heißt es auch in 2.Tim.3,17: „Damit der Gottes­mensch vollkommen sei, zu jedem guten Werk voll ausgerüstet.“

Das Wort Gottes in seinen drei aufeinander bezogenen Aspekten an­gewendet, erweist seine Vollmacht und Nützlichkeit darin, dass es den Menschen, so wie Gott ihn möchte, hervorbringt. Die Verse 16 + 17 dringen auf ein gelebtes Christentum, das nicht in heißen Debatten und gelehrten Wortstreitereien seinen Ausdruck findet, sondern in einer nüchternen und geduldigen Arbeit an sich selbst und einem entschlossenen Liebesdienst an den Menschen, die Jesus (noch) nicht kennen.

Ein Beispiel zum Schluss:

Als Demonstrationsobjekt soll uns der Abschnitt in 1.Thessalonicher 4,13-18 dienen. In Vers 13 bietet Paulus die „Belehrung“: „Wir wollen euch aber, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen über die Entschlafenen...“ - Es soll eine Unwissenheit beseitigt werden. Ebenfalls noch in Vers 13 folgt die „Überführung“: „Damit damit ihr nicht betrübt seid wie die übrigen, die keine Hoffnung haben.“ - Diese Aussage be­wirkt, so tröstlich sie auch ist, zunächst doch eine Überführung, weil sie zeigt, wie unnötig und falsch die Traurigkeit vieler Christen angesichts dieser Hoffnung ist. In Vers 18 heißt es: „So ermuntert nun einander mit diesen Worten!“ - Hier geschieht „Wiederaufrichtung“, „Wiederherstellung“. In Kapitel 5,6 wird klargemacht, welchen „erzieherischen Wert“ diese Worte haben sollen; was der Brief des Paulus an die Thessalonicher bewirken sollte: „Also lasst uns nun nicht schlafen wie die übrigen, sondern wachen und nüchtern sein!“ - Paulus wollte die Thessalonicher dazu motivieren, auf die Wiederkunft ihres Herrn ausge­richtet zu leben, indem sie das ihnen verkündigte Wort ernst nehmen.

Warum sind so wenige Christen „zu jedem guten Werk voll ausgerüstet?“ Da in den behandelten Versen ein solch ursächlicher Zusammen­hang zwischen der Anwendung des dreifachen Nutzens des Wortes Gottes und dem Erreichen des voll ausgerüsteten Christenmenschen hergestellt wird, kann aus dem Mangel an voll „ausgerüsteten Christen“ nur auf eine ungenügende oder falsche Anwendung des Wortes Gottes geschlossen werden. Alle drei Aspekte des Wortes Gottes müssen beim Umgang mit der Bibel berücksichtigt werden, soll das Wort eine Christus ver­herrlichende Wirkung erzielen. Auf welchen der drei Aspekte im Einzelfall der größere Nachdruck gelegt werden muss, kann nur unter der Leitung des Heiligen Geistes entschieden werden.

Manfred Herold

Manfred Herold