Lektion 59 - Gemeinde Jesu Christi - 7.

Jesus spricht: „Ich werde meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Totenreichs werden sie nicht überwältigen.“ Matthäus 16,18 Wir haben Gemeinde anzusehen und zu bauen als ...

10.) Des Christen Trainingscamp

Vielen Christen kommt der Gedanke an „Übung“ und „Training“ im Zusammenhang mit der Gemeinde fremd und unangebracht vor. Das ist jedoch völlig zu Unrecht so, und allein aus der Fehlentwicklung von der Jüngergemeinde hin zum Staatskirchentum zu erklären. 1.Timotheus 4,7; Hebräer 5,14 + 12,11; 2. Petrus 2,14 Das hier durchgängig für „üben“ gebrauchte Wort lautet „gymnazo“, von dem unser Wort „Gymnastik“ abgeleitet wird und in der Sache eng verwandt ist mit dem aus dem lat. entlehnten „Training“.

Was man in der Gemeinde nicht eingeübt, d.h. trainiert und ausge­übt hat, das wird man nirgends sonst so gut trainieren können und es wahrscheinlich auch nie wirklich lernen. Wer es in der Gemeinde nicht lernt, seinem Herrn zu dienen, seinen Herrn zu bezeugen, mit seinen Mitmenschen geduldig zu sein, seinem Bruder in Liebe die Wahrheit zu sagen, seinem Nächsten zu vergeben, auch Unrecht zu ertragen, Kritik in rechter Weise zu ertragen und anzubringen, der wird es „draußen“, in seinem Alltag, wo er sich als Christ zur Eh­re Gottes bewähren soll, nicht können.

Umfassend wird das, was nach 1.Timotheus 4,7 trainiert werden soll, „Gottesfurcht“, „Frömmigkeit“, d.h. „wahre, echte Gottesverehrung“ genannt. Jesus hatte während seines irdischen Dienstes ein Hauptziel: „seinen Vater zu verherrlichen“. Davon ließ er sich in keinem Au­genblick seines Lebens abbringen. Dazu wollte er seine Jünger fähig machen, dazu trainierte er sie in 3jähriger persönlicher Jüngerschaft. Weil er dieses Ziel erreichen wollte und will, erschien er manchmal äu­ßerst streng, wenn er seine Bedingungen der Jüngerschaft darlegte. Sein Plan für die Gemeinde und die Welt ist so großartig, dass er es sich nicht leisten kann, halbherzige Jünger zu haben.

Zum Training in der wahren Gottesverehrung gehört es, dass wir in unserem Kampf gegen die Sünde, in welcher Gestalt sie sich auch immer in unserem Leben zeigen mag, nicht nachlassen, sondern immer konsequenter werden. (John Wesley hielt auf strenge Gemeindezucht. Er schrieb ein­mal: „Die Gemeinschaft, die im ersten Jahr aus ungefähr 800 Gliedern be­stand, ist nun auf 400 zusammengeschmolzen. Aber....wir werden uns nun wegen keinem von diesen mehr schämen müssen, wenn wir mit unseren Feinden auf der Straße sprechen!“)

Wer jedoch nicht zum „Training“ kommt, der kann keine Fortschrit­te bei sich erwarten! Durch die dafür berufenen Mitarbeiter, Trainer, soll jeder Heilige zu­gerüstet, vollkommen gemacht werden (Epheser 4,12): für das Werk des Dienstes (= externe Arbeit); zur Auferbauung des Leibes Christi (= interne Arbeit).

Apostelgeschichte 2,42 - Es soll der Umgang und der Gebrauch des WORTES GOTTES trainiert werden. Das Wort Gottes ist der Same alles Guten und Göttlichen (Lukas 8,11). Aber wir müssen es lernen, den Samen recht auszustreuen, die heran­wachsende Saat zu bewahren und bis zur Ernte zu warten. Um recht helfen zu können, müssen wir dazu befähigt sein, müssen wir das trai­niert haben. Nach Jesu eigenen Worten sollen wir die zum Glauben gekom­menen „alles halten lehren, was ich euch geboten habe“ (Matthäus 28,20). Das ist mehr als nur „sagen, mitteilen, informieren“. Hier ist Einübung, Training gemeint, d.h. gefordert und erwartet.

Es soll das gegenseitige Anteilgeben und Anteilneh­men (= Gemeinschaft) im Umgang mit unseren GESCHWI­STERN trainiert werden. Viele Christen träumen so sehr von der vollkommenen, ferti­gen, per­fekten Gemeinde, dass sie es versäumen, heute an ihrem Auf­bau mit­zuarbeiten. - Damals nahmen sie einander vorbehaltlos an und hielten aneinander fest. Verbindlichkeit und Treue zur Gemeinde waren Aus­druck ihres Glaubens und ihrer Liebe zu Jesus (Apostelgeschichte 4,34-35). Wir wollen uns die Klarheit und Schönheit dessen, was Gemeinde einmal sein wird, nicht verdunkeln lassen, aber wir dürfen uns von diesem Ideal auch nicht für die praktische Arbeit hier und heute blockieren lassen.

Das GEBETSLEBEN muss trainiert werden. Das Gebet gibt wohl am klarsten Auskunft über die Art und Intensi­tät der Beziehung eines Christen zu seinem Herrn (Apostelgeschichte 4,31). Gerade hier ist sich der reife Christ unendlicher Möglich­keiten und Notwendigkeiten bewusst. Im Grunde glauben nur Beter, dass Gott alles vermag und wir nichts vermögen.

11.) Des Christen Anfechtung

Die Gleichzeitigkeit dessen, was wir durch Christus „schon sind“ und dessen, was wir wegen unseres Lebens im Leibe „noch nicht sind“ ist für Christen auch hinsichtlich der GEMEINDE im­mer wieder eine Anfechtung (1. Johannes 3,2). Jede Gemeinde ist, wie jeder einzelne Christ, durch den Glauben an Jesus Christus vor Gott völlig gerecht und hei­lig, auch wenn sie bzw. er praktisch noch weit davon entfernt sein mag. (Kolosser 2,9-10) Wenn jedoch Gott selbst uns als Gemeinde um Christi willen vom herrlichen Ziel her ansieht, wenn es für ihn keine Frage ist, ob auch wir dieses Ziel erreichen können, sollten wir dann eine pessimi­stischere Sicht von Gemeinde bei uns dulden oder nicht vielmehr un­seren Glauben mit dem Glauben Gottes verbinden?

Die Gemeinde Jesu ist ein „Schatz in irdenen Gefäßen“ (2. Korinther 4,7). Einerseits ist sie eine Stätte der Offenbarung Gottes, der Ermutigung, der Rettung, der Freude, des Friedens, der Befreiung, des Trostes, der Vergebung... = „göttlicher Schatz“, d.h. der Heilige Geist in Aktion. Aber da gibt es eben auch das noch, was unser Menschsein mit sich bringt: Organisationsformen, Versäumnisse trotz guten Willens, Missverständnisse, Versagen.. = „irdenes Gefäß“.

Das „Gefäß“ hat immer Dienstcharakter für den „Schatz“. Man­che Christen haben es sich zum Ziel gesetzt, das irdene Gefäß der Gemeinde, z.B. die Organisationsformen, Gottesdienstformen, Dienststrukturen, abzuschaffen. Sie haben aber stets nur eine Form gegen eine andere ausgetauscht, denn kein geschöpfliches Leben kommt ohne eine gewisse Form von Organisation aus.

Andere Christen haben es sich zur Aufgabe gemacht, vor allem ihr „Gefäß“, d.h. die äußere Form, die Tradition, ihre ihnen vertraute Art als Christen in der Gemeinde zu leben, zu schützen, zu verteidi­gen, als ob es dabei um den Schatz ginge. Beides sind falsche und unnütze Bemühungen, weil sie das We­sentliche aus dem Auge verloren haben: den Dienstcharakter des Gefäßes. Das Gefäß (= Gottesdienstformen, Lieder, Predigt, Musik) soll dazu dienen, den Schatz (= Jesus) in unserer Zeit an den Mann und an die Frau zu bringen, die ihn noch nicht kennen oder in geeig­neter Weise die Gläubigen zu zurüsten. Nie dürfen jedoch solche „Gefäßfragen“ so wichtig werden, dass die Liebe, d.h. der Schatz selbst, darunter leidet (1. Korinther 13). Alle Gefäße können Risse bekommen und den göttlichen Schatz verlieren (2.Timotheus 3,5). Alle Formen und Traditionen haben die Ten­denz, sich in dem Maße zu verfestigen, wie der Inhalt, der Schatz verloren geht oder aus dem Auge verloren wird (Philipper 2,21).

Diese Spannung zwischen dem „Schon“ und dem „Noch nicht“ ist kein Regiefehler Gottes, sondern notwendig für die Reifung unseres Glaubens und unseres Charakters (Hebräer 12,11).

Manfred Herold

Manfred Herold