Das achte Gebot

Du sollst nicht stehlen!“ (2. Mose 20,15)

Eigentlich braucht dieses Gebot gar keine weitere Erklärung. Jedem müsste es sofort einleuchten: „Nimm nichts, was dir nicht gehört!“ Was so einfach klingt, ist es im Alltag jedoch nicht. Natürlich denkt jeder: „Lass DU die Finger von MEINEN Sachen! - Was ich tue, geht dich nichts an!“

Wie das vorherge­hende Gebot, so hat auch dieses es mit der Beherrschung unseres Verlangens und Begehrens zu tun. Das achte Gebot setzt unserer Gier nach irdischen Gütern die nötigen Grenzen. Diebstahl ist, allgemein ausgedrückt, das unrechtmäßige Nehmen oder Be­halten dessen, was von Rechts wegen einem anderen gehört. Hier wird in der Bibel bereits ein wesentlicher Unterschied zu uns im 21. Jahrhundert klar. Wir denken vielleicht: „Man soll die großen Haie fangen und sich nicht mit den kleinen Fischen aufhalten.“ Aber es geht Gott nicht um viel oder wenig stehlen. Es geht im achten Gebot darum, überhaupt nicht zu stehlen.

„Du sollst nicht stehlen!“

Diebe sind nicht nur Millionenbetrüger oder korrupte Menschen, sondern auch diejenigen, welche in der Firma private Telefonate führen, ohne dass dies ausdrücklich erlaubt ist. Es sind Menschen, die hier mal einen Kugelschreiber und da mal ein „überflüssiges“ Werkzeug „mitgehen“ lassen. Wucher ist ebenso eine Form von Diebstahl, wie das schuldhafte Versäumnis der Begleichung seiner Schulden. Ein Mann, der seiner Ehefrau sein Eigentum überträgt, bevor er Insolvenz beantragt, begeht in den Augen Gottes Diebstahl. Wer leiht und nicht zurückgibt, ist ein Dieb. Das Gebot wird auch von Mietern gebrochen, die achtlos das Grundstück und Mobiliar des Besitzers verkommen lassen. Auch das ungesetzliche Kopieren von Computerprogrammen ist Diebstahl, genau wie Steuerbetrug. Christus hat uns ein anderes Vorbild gegeben (Matthäus 17,24). Werbung, die Lügen verbreitet, ist Diebstahl. Geschäftsleute machen sich schuldig, wenn sie absichtlich minderwertige Waren verkaufen. Ei­ner, der etwas zurückhält, was eigentlich seinem Nächsten gehört, ist genauso ein Dieb wie einer, der seinem Nächsten Eigentum entwendet.

„Du sollst nicht stehlen!“

Das gilt sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Genau so, wie jeder Arbeiter seines gerechten Lohnes wert ist und jeder Arbeitgeber, der das außer acht lässt, sich des Diebstahls schuldig macht, genau so hat auf der anderen Seite auch jeder Arbeiter für seinen Lohn gute Arbeit abzuliefern, sonst wird er des Diebstahls schuldig. Dabei ist die Schaffung von Arbeitsplätzen für alle Arbeitswilligen eine öffentliche Aufgabe.

Soviel ist sicher: Es liegt ein Fluch auf dem, was man sich durch Diebstahl oder Betrug verschafft hat. In der gerechten Ausübung seines Gerichts lässt Gott häufig die eine Sünde zur Strafe für die andere werden. Das durch Diebstahl Gewonnene wird durch Trunksucht oder ein verkürztes Leben wieder verloren. Deshalb steht geschrieben: „Wer Gott missachtet und sich weigert, ihm zu gehorchen, schadet sich selbst durch seine Bosheit und Gewalt.“ (Sprüche 21,7)

Die erschreckende Zunahme dieses Delikts in unserer Zeit ist auch darauf zurückzuführen, dass keine angemessene Strafe dafür verhängt wird. Falls sich jemand bewusst wird, andere in der Vergangenheit bestohlen zu haben, sollte er darauf achten, was Gott von ihm erwartet und dies auch tun. Sprich das konkrete Vorgehen vertrauensvoll mit einem Seelsorger ab.

„Du sollst nicht stehlen!“

Die Wurzel jeden Dieb­stahls ist die Unzufriedenheit. Christen glauben, dass Gott es ist, der unser Leben in der Hand hält und dem wir alles verdanken, egal ob wir gerade viel, genug oder nur wenig haben (Philipper 4,11b-13). Er hat den Seinen versprochen, sie nicht unversorgt zu lassen (Hebräer 13,5). Wer dies jedoch nicht wirklich glaubt, ist dem Begehren seines Herzens nach dem was andere haben hilflos ausgeliefert. Diesem Verlangen, das immer von der falschen Annahme ausgeht, der Mensch lebe von den Gütern, die er sich selbst gesammelt hat, kann er nicht entfliehen. Glaube es deinem Herrn und Erlöser: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das aus dem Munde Gottes hervorgeht.“ (Matthäus 4,4)

Deshalb ist das alte Gebet Agurs immer noch aktuell: „Falschheit und Lügenwort halte fern von mir! Armut und Reichtum gib mir nicht! Lass mich (aber) den mir zukommenden Teil von Nahrung verzehren, damit ich nicht aus Übersättigung dich verleugne und sage: Wer ist der HERR?, aber auch nicht infolge der Armut zum Diebe werde und mich am Namen meines Gottes vergreife (d.h. den Namen Gottes entehre).“ (Sprüche 30,8‑9)

„Du sollst nicht stehlen!“

Es ist bemerkenswert, dass die erste Sünde der Menschheit mit Diebstahl zu tun hatte: Eva nahm (stahl) von der verbotenen Frucht. Jakob stahl seinem Bruder Esau den Segen. Ebenso war die erste Sünde in Israel, nachdem sie ins Land Kanaan gekommen waren, ein Diebstahl: Achan stahl etwas von der Beute (Josua 7,21). Auch die erste Sünde, welche die Urgemeinde befleckte war Dieb­stahl. Ananias und Saphira hielten „etwas von dem Geld zurück“ obwohl sie den Eindruck erweckten, es sei der ganze Verkaufserlös (Apostelgeschichte 5,2). Und wie oft ist dies die erste offene Sünde, die von Kindern begangen wird! Deshalb sollten sie dieses Gebot Gottes von frühester Kindheit an gelehrt bekommen. - Eine Mutter berichtete, dass sie ihre kleine, vier Jahre alte Tochter zufällig dabei beobachtete, wie sie ins Wohnzimmer kam, wo eine Schale mit Pralinen auf dem Tisch stand. Die Kleine schaute sie sehnsüchtig an, ging zu dem Tisch und sagte dann: „Geh weg, Satan. In der Bibel steht: „Du sollst nicht stehlen!“; dann lief sie schnell aus dem Zimmer.

„Du sollst nicht stehlen!“

Positiv ausgedrückt mahnt uns das Gebot: Du sollst mit allen nötigen und richtigen Mitteln sowohl deinen als auch deines Nächsten Besitz erhalten und för­dern. Es verlangt Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in unserem Umgang miteinander und ist gegründet auf jenen obersten, praktischen Grundsatz alles menschli­chen Verhaltens: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ (Matthäus 7,12).

Du sollst also deinen Besitz, sei er groß oder klein, mit solcher Sorgfalt und solchem Fleiß verwalten, dass du dich selbst und die, welche von dir abhängig sind, versorgen kannst. Faulheit ist deshalb genau so eine Form des Diebstahls, wie Verschwen­dung, denn beide Einstellungen ignorieren den klaren Willen Gottes für unser Leben, wie er uns in der Bibel geoffenbart wurde. - Paulus unterweist die Gemeinden, dass die­jenigen, die (selbstverständlich und wie in der Antike üblich) gestoh­len haben, nicht mehr zu stehlen, sondern stattdessen „mit ihren Händen zu arbeiten, um Gutes tun zu können“ (Epheser 4,28). Hier wird deut­lich, dass es im Neuen Testament nicht nur um eine Vermeidungsethik geht, sondern um eine positive und konstruktive Ethik. Nicht nur nicht stehlen ist das Ziel, sondern ehrlich zu arbeiten, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen und denen abgeben zu können, die bedürftig sind.

Gott als Geber aller Gaben gestattet dem Menschen also Eigentum und mit dem 8. Gebot um­gibt er diesen Besitz mit einem Zaun, den niemand ohne Zustimmung des Besitzers übersteigen darf. Auf der anderen Seite ist Eigentum in der Bibel immer „sozialpflichtig“, wie das Alte und Neue Testament sehr deutlich zeigen. Der Besitzende hat Verantwortung für die Nicht‑Besitzenden. Aus der Freiheit des Evan­geliums heraus kann und soll man abgeben. Immer jedoch, wenn der Mensch nicht das Eigentum besitzt, sondern er von ihm besessen wird, dann ist die Freiheit verloren gegangen und das Eigentum nimmt die Stelle Gottes ein. Am Beispiel des reichen Kornbauern macht das Jesus deutlich (Lukas 12,16‑21). Bei ihm wird der Reichtum zum Götzen.

„Du sollst nicht stehlen!“

Die schlimmste Form dieser Sünde kommt dort vor, wo sie sich gegen Gott richtet, wenn wir Gott das stehlen, was ihm rechtmäßig zusteht. Wir sollten z.B. uns stets vor Augen halten: „Mein ist das Silber und mein das Gold – so lautet der Ausspruch des HERRN der Heerscharen.“ (Haggai 2,8) Auch all das Geld, das Gott uns zwischenzeitlich zur Verwaltung anvertraut, gehört weiter ihm. Er möchte uns durch das anvertraute Gut prüfen, ob wir es in seinem Sinne und nach seinen Wünschen einsetzen oder nicht. Das ist eine große Verantwortung und wenn wir ihr nicht recht nachkommen, werden wir zu Dieben an Gottes Eigentum.

Zum Schluss noch einige Ratschläge,

die bei der Einhaltung des achten Gebots helfen können:

  • Suche dir eine ehrliche Arbeit, oder, wenn du gutes Auskommen hast, eine Gott ehrende Aufgabe, mit der du anderen Gutes tun kannst. Vor allem sind es die Faulen, die zum Stehlen versucht werden.

  • Bekenne Jesus deine Unfähigkeit mit dem Geist der Selbstsucht fertig zu werden. Bitte ihn durch seinen Heiligen Geist, der in dir wohnt, dies zu vollbringen und erwarte es, indem du das Wohlergehen anderer suchst. Dulde keine Habsucht oder Geldgier in deinem Leben, denn der Mensch lebt nicht davon, dass er viele Güter hat. (Lukas 12,15) Glaubende werden nicht stehlen, weil Jesus ihre größte Freude und die Erfüllung all ihren Verlangens ist.

  • Übe dich in der Zufrieden­heit. Dazu hilft es, sich die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge vor Augen zu halten. Unterstelle dich dem Willen Gottes und denke viel über seine Verheißungen (1. Petrus 5,7) nach. Sei zufrieden mit dem, was Gott dir zugeteilt hat. Er weiß genau, was du brauchst. „Seid nicht hinter dem Geld her, sondern seid zufrieden mit dem, was ihr habt. Gott hat doch gesagt: Niemals werde ich dir meine Hilfe entziehen, nie dich im Stich lassen." (Hebräer 13,5)

Heute kann und wird letztlich nur der ehrlich bleiben, wer in der Beziehung zu Jesus lebt, in seinem Wort zu Hause und in seinem Gewissen an seinen Willen gebun­den ist. Nur wer von der Wahrheit und Gerechtigkeit göttli­cher Weisungen überzeugt ist, hat die Kraft, gegen den Strom der Betrüger und Diebe, Verheimlicher und Lügner, der Gierigen und Geizigen zu schwimmen. Nur dann, wenn er in seinem Gewissen an Gott gebunden ist, kann er frei und unbestechlich bleiben. - Glücklich die Ehrlichen, auch wenn sie in diesem Leben eine Zeit lang als die Dummen erscheinen!

Manfred Herold

Manfred Herold