Das siebte Gebot

„Du sollst nicht ehebrechen!“ (2. Mose 20,14)

Bei keinem anderen Gebot ist der so genannte „Wertewandel“ in unse­rer Gesellschaft so klar zu erkennen, wie beim siebten. Der allgemeine Drang nach Freiheit und Ungebundenheit hat zusammen mit der wachsenden Individualisierung zu einem starken Streben nach Selbstbestimmung und Befriedigung persönlicher Bedürfnisse und persönlichen Glücks geführt. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf Ehe und Familie. Denn, wenn nur das gut ist, was „gut für mich“ ist, dann hat das eigene Wohlbefinden stets Priorität vor dem des Partners. Gerechtfertigt wird dann alles, was dem eigenen Glück dient.

Nachdem außereheliche Beziehungen in Deutschland schon lange nicht mehr strafbar sind, gilt Ehebruch in unserer Gesell­schaft nur noch als Kavaliersdelikt. In den Medien und der Werbung wird Ehebruch gera­dezu propagiert. Die Ehe wird oft schon wie ein Relikt aus längst vergangener Zeit behandelt. Dass man ein Leben lang glücklich zusammenleben kann, das glaubt heute fast kei­ner mehr.

Hat das siebte Gebot angesichts dieser Tatsachen noch eine aktuelle Be­deutung? Und wenn ja, welche? - Im siebten Gebot gibt Gott allen Menschen, Verheirateten und Singles, Befreundeten und Verlobten, Geschiedenen und Verwitweten gute Weisung für den Umgang mit der Sexualität.

1. Ehe – was ist das?

Die Ehe ist nach biblischem Verständnis keine zeit‑ und kulturbe­dingte Institution, die jeweils abgeändert oder gar abge­schafft werden könnte. Die Ehe ist die vom Schöpfer selbst gesetzte Ordnung für das alle Lebensbereiche umfassende lebenslange und exklusive Zusammenleben eines Mannes und einer Frau. Sie ist jedoch durch die Sünde ständig gefähr­det und muss deshalb geschützt werden. So markiert auch das siebte Gebot als Verbot des Bruchs der Ehe die Grenze eines im übrigen großen Freiraums, den Gott den Menschen zu ihrer partnerschaftlichen Entwicklung und Reifung schenkt.

Die biblische Ehe hat 2 Pole. Einmal ist bei der Stiftung der Ehe am Anfang von keinem anderen Grund die Rede als davon, dass der Mann eine „Gehilfin“ bekomme (1. Mose 2,18), und dass die beiden „ein Fleisch“ sein werden (2,24). In einer Ehe soll es also zu einem totalen Für-einander-da-sein zweier Menschen vor Gott kommen. - Der andere Pol der Ehe wird als Werkzeug des Schöpfers beschrieben, der durch Mann und Frau neues Leben schafft. Eine Ehe ohne den Willen zum Kind ist keine Ehe, wie Gott sie gestiftet und mit seinem Mandat ausgerüstet hat. Wo Gott den Kinderwunsch verweigert, da hat er anderes mit diesem Ehepaar vor. Es soll im Vertrauen auf Gott einfach fröhlich zu zweit leben und die Aufgaben erfüllen, die Gott ihm stellt.

Biblische Ehe ist mehr als Partnerschaft, obwohl jede gute Ehe auch eine Partnerschaft ist. Ein verheirateter Mensch ist eben mehr als nur ein selbständiger Teilhaber im Rahmen einer gemeinsamen Vereinbarung. Eine Partnerschaft ist bei Bedarf grundsätzlich auflösbar, fristlos oder fristgerecht je nach Abmachung. Einem Partner kann man immer kündigen.

Eheleute aber bleiben ihr Leben lang aufeinander angewiesen. Der Hauptgrund dafür ist: Das eheliche Verhältnis von Mann und Frau ist ein Abbild des Verhältnisses Jesu Christi zu seiner Gemeinde (Epheser 5,22-32). Da Gott nun offensichtlich die Zerbrechlichkeit menschli­cher Beziehungen kennt und um unseren Hang zur Untreue, sowie um unsere Unwilligkeit, an Bezie­hungen auch unter Belastungen festzuhalten, weiß, gab er das Gebot, die Ehe nicht zu brechen.

2. Ehe – was trägt sie?

Der gemeinsame Glaube an Jesus Christus ist die feste Basis gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung. „Macht nicht gemeinsame Sache mit Leuten, die nicht an Christus glauben. Gottes Gerechtigkeit und die Gesetzlosigkeit dieser Welt haben so wenig miteinander zu tun wie das Licht mit der Finsternis.“ (2. Korinther 6,14) Also nicht die moderne feministische Sicht von Mann und Frau ist die Basis gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung, sondern der gemeinsame Glaube an Jesus Christus und seine Wertmaßstäbe für die Ehe, wie sie in der Bibel niederlegt sind. Das setzt natürlich gemeinsames Bibelstudium voraus, damit man Gottes Willen gemeinsam erkennen und dann tun kann.

Zu einer Ehe gehört grundlegend der Wille zur Kommunikation. „Das Schweigen der Männer“ und manchmal auch der Frauen ist in vielen Ehen ein großes Problem. Es gibt keine Alternative zu umfassender Kommunikation. Die eigene Meinung ‑ ohne den anderen zu verletzen ‑ kundzutun, muss gelernt werden, genauso wie das richtige „Streiten“.

Zu einer Ehe gehört grundlegend Vergebungsbereitschaft und Treue. In einer Ehe geht es ohne Schuldigwerden am Partner, ohne Verletzungen, ohne Missklänge nicht ab. Jeder wird in vielfältiger Weise am anderen schuldig, ob er es merkt oder nicht ‑ immer wieder. Hier gilt es, sensibel zu werden und Vergebungsbereitschaft einzuüben. Das Gespräch nach Ausei­nandersetzungen und dem Schuldigwerden zu suchen, ist geradezu überlebensnotwendig. Es beinhaltet sowohl die konkrete Bitte um Vergebung durch den, der schuldig geworden ist, als auch die Gewäh­rung derselben durch den, der darum gebeten wird. Dazu gibt es für Christen ebenfalls keine Alternative (Matthäus 6,12).

Zu einer Ehe gehört grundlegend die Unterordnung unter Christus. Die Bibel spricht häufig in diesem Zusammenhang von der „Unterordnung“ der Ehefrau (Epheser 5,22+24+33). Was bedeutet das? „Unterordnung“ setzt eine Ordnung voraus, in die ich mich einordne. Bei der christlichen „Unterordnung“ geht es darum, dass sich jeder der ihm geltenden und in der Bibel geoffenbarten göttlichen Ordnung willig unterstellt. Erst dann leben wir „im Willen Gottes“.

Dem Wort von der Unterordnung der Frau steht das Wort an den Mann gegenüber, seine Frau nicht etwa als sein Eigentum oder gar als Objekt zu behandeln, son­dern sie zu lieben, „gleichwie Christus die Gemeinde geliebt hat“ (5,25), also sich für seine Frau hinzugeben und aufzuopfern. Jeder mag für sich entscheiden wem hier die größere Verantwortung auferlegt wird. Allein Christus vermag durch den Heiligen Geist diese Aufgaben sowohl in der Frau, als auch im Mann zu erfüllen. Das dürfen und sollen wir glauben!

3. Eheschließung – was macht sie aus?

Die Eheschließung war und ist ein öffentlicher Rechtsakt, der vor Zeugen vollzogen wurde und wird. Das öffentlich abgelegte Eheversprechen bildet die rechtliche Grundlage für das verbindliche Zusammenleben der Eheleute (Maleachi 2,14). Das grundlegende Wort von der Ehe lautet: „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die beiden werden ein Fleisch sein.“ (1. Mose 2,24) Jede Eheschließung hebt die Be­ziehung der beiden Menschen von der individuellen Ebene auf die soziale Ebene, die dann zugleich auch der Schutzraum für die Gestaltung der Ehe ist. Jeder soll wissen können, ob einer verheiratet ist oder nicht.

Das Wort vom „Verlassen der Eltern“ (Epheser 5,31) beschreibt die Vorausset­zung für die Beziehungs‑ und Bindungsfähigkeit eines Menschen und bedeutet, ein Mann muss geistig und wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen, um die Ehe eingehen zu können. Für Eltern bedeutet das, ihre Kinder auf dieses Verlassen hin zu erziehen und sie nicht festhalten zu wollen. Mehr Ehen scheitern aufgrund einer nicht gelösten Elternbindung als infolge von Partnerschaftskonflikten.

Das „Ein‑Fleisch‑Werden“ meint die ganzheitlich vollzogene Einheit zwischen Mann und Frau in der Ehe. Diese geschlechtliche Vereinigung soll nach dem Willen Gottes aber nur in dem Schutz‑ und Lebensraum der Ehe vollzogen werden. Deshalb steht dieses Element nicht zufällig nach dem „Verlassen“ und dem „Anhangen“ an dritter Stelle. Jede sexuelle Vereinigung außerhalb, also auch vor der Ehe, wird in der Bibel nicht gestattet, sondern „Hurerei“ genannt.

Obwohl die Sexualität ein wichtiger Teil der ehelichen Liebesbeziehung ist und deshalb so­wohl geschützt als auch kultiviert werden muss, bedeutet das „Ein‑Leib‑Werden“ aber wesentlich mehr als die rein körperliche Sexual­gemeinschaft. Es sollen sich nicht nur zwei Körper, sondern zwei Menschen zu einer neuen Ganzheit verbinden. Das geschieht in einem Prozess, der lebendig gehalten und gestaltet werden muss, damit Mann und Frau sich aufeinander zu entwickeln und zugleich jeder in seiner eigenen Persönlichkeit heranreift.

4. Ehebruch – wann ist er passiert?

Die Ehe ist nicht nur ein stati­sches Ordnungsgefüge, sondern viel mehr das Lernfeld Nr. 1 für Liebe, Verge­bung und Geduld, für Annahme und Treue, für Glücklich-werden und Glücklich-machen. Wo dieses miteinander- und aneinander-lernen nicht mehr geschieht, fängt die Ehe an zu zerbrechen.

Ehebruch ist der Ausstieg aus dem Einssein von Mann und Frau. Häufig beginnt er schleichend und unerkannt. Die Beendigung der intellektuellen, emotionalen, physischen und psychischen Zuwen­dung zum Partner ist eine Form des Ehebruchs. Zur Liebe gehört auch die Zärtlichkeit und das sensible Eingehen auf die Bedürfnisse des anderen. Sie dauernd zu missachten, sich über die Bedürfnisse des Partners dauernd hinwegzusetzen, ist eine Form des Ehebruchs. Auch die Beendigung der sexuellen Gemeinschaft ist ein Indikator für das Zu-Ende-gehen einer Ehe. Wer andauernd auf Kosten des anderen Partners lebt, bricht die Ehe. Alles was die ganzheitli­che Gemeinschaft der Liebe zerstört ist Ehebruch.

Es kann in der Ehe keine Freundschaft zwischen den Geschlechtern geben, die einen der beiden Partner ausschließt. Der Mann kann keine Freundin haben, die nicht zugleich ohne jeden Vorbehalt die Freundin seiner Frau ist, und um­gekehrt: Eine Frau kann keine Freundschaft mit einem Mann pflegen, die den Ehepartner auch nur im Geringsten ausklammert. In zahllosen Fällen sind es gerade die besten Freunde, die für Mann und Frau An­stoß oder Anlass zu einem Ehebruch werden.

Das Einssein beider Ehepartner zu erhalten, zu festigen, zu sichern, auszubauen und zu vertiefen ist die große lebenslange Herausforderung beider Partner. Ehe funktio­niert nur im Miteinander, in der Ergänzung des einen durch den ande­ren als vollwertiges Gegenüber. Wo dieses Ergänzen, das Gegenüber-sein aufhört, fängt die Ehe an auseinander zu brechen. Deshalb lässt Gott sagen, dass er den Ehebruch und die Ehescheidung hasst (Maleachi 2,15b).

5. Ehebruch – wie schützt man sich davor?

Bereits im ältesten Buch der Bibel finden wir eine Strategie gegen den Ehebruch. Dort sagt Hiob: „Ich hatte einen Bund mit meinen Augen ge­macht, dass ich nicht begehrlich auf eine Jungfrau blickte ...“ (Hiob 31,1+7) Auf dieses Wort nimmt Jesus in der Bergpredigt Bezug wenn er sagt: „Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon Ehebruch mit ihr begangen in seinem Her­zen“ (Matthäus 5,28). Die Folgerung aus dieser Lehre ist nicht die Einführung von Scheuklappen für Männer oder die Verschleierung von Frauen wie im Islam, sondern die Reinheit des Her­zens und der Augen.

Reinheit ist das Resultat von Reinigung und Heiligung durch Gott auf der einen Seite und gegenseitige Verantwortung der Menschen auf der anderen Seite. Der Mann sollte seiner Verantwortung nachkommen und darauf achten, wie er Frauen ansieht. Die Frau sollte ihrer Verantwortung nachkommen und darauf achten, wie sie sich kleidet und sich Männern gegenüber gibt. Das reine Herz ist ein Geschenk Gottes. Luther hat gesagt, dass man jede Frau ansehen darf, nur nicht wie seine eigene.

Wovor Jesus bewahren will, ist das bewusste begehrliche Schauen, das inten­sive Betrachten einer Frau, das Anheizen und Stimulieren der Phantasie. Männer, die Christen sind, müssen ihren Weg der Freiheit finden und sich in dieser Welt ein reines Herz bewahren. Sie müssen es lernen, diszip­liniert zu sein und die Medien kritisch zu benutzen. Es kostet etwas, nicht in Sexmagazinen zu blättern. Es kostet viel, tagtäglich seine Augen und Gedanken in Zaum zu halten! Wir müssen die Fallen kennen und wissen, wie leicht wir eingefangen werden können. Wir dürfen Gott um Kraft bitten und sollten es lernen, wie lebendige Fische gegen den Strom zu schwimmen. So werden wir erfahren, dass sich dieser „Kampf des Glaubens“ (2. Timotheus 4,7) lohnt. Das Böse kann niemand aus eigener Kraft überwinden. Im Glauben können wir mit der Kraft des Heiligen Geistes rechnen, der ein „Geist der Kraft, der Liebe und Selbstbeherrschung“ ist.

An mehreren Stellen rät uns die Bibel auch die Flucht nach vorn. Der junge, erfolgreiche und attraktive Manager Josef sieht nur eine Möglichkeit, den Avancen der unbefriedigten Frau seines Chefs zu entgehen, indem er flieht. Flucht zeigt sich hier nicht als Zeichen von Schwäche, son­dern als Ausdruck von Charakterstärke. Es gibt Situationen, da ist ein naives und unüberlegtes Spielen mit der Sünde bereits eine verlorene Schlacht! Es muss uns bewusst sein, dass Flucht vor der Hurerei Sieg bedeutet. Dies gelingt am ehesten, wenn wir die Einstellung Josefs haben: „Wie sollte ich ein so großes Unrecht begehen und mich gegen Gott versündigen!“ (1. Mose 39,9)

Manfred Herold

Manfred Herold