Das Wort vom Kreuz

Die Hauptsache ist, dass die Hauptsache die Hauptsache bleibt. Jesus kam, entgegen einer heute weit verbreiteten Ansicht, nicht in diese Welt um unsere menschlichen Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen, oder um unsere Hoffnungen und Träume zu erfüllen, sondern um uns von unseren Sünden zu erretten. Und seine echten Nachfolger sind daran zu erkennen, dass sie nicht alles mögliche für sich und ihr Wohlergehen von ihm erwarten, sondern dass sie es durch ihr Leben immer klarer zum Ausdruck bringen und nicht nur zu sprechen bereit sind: „Ich will alles, was ich meine nötig zu haben, um Christi und seiner Ziele willen aufgeben!“ Das meinte Jesus, als er vom Aufnehmen des Kreuzes und von Selbstverleugnung sprach (Lukas 9,23-26). Das ist keine einfache Botschaft, der man begeistert zustimmt, aber es ist noch heute die Botschaft Jesu. Paulus drückte es in 1. Korinther 1,18 so aus: „Denn das Wort vom Kreuz ist für die, welche verlorengehen, eine Torheit, für die aber, welche gerettet werden, für uns, ist es eine Gotteskraft.“ - Wir wollen uns heute fragen, wozu uns diese Botschaft in unserer Zeit herausfordert.

1. Die Schande des Kreuzes

„Wir blicken hin auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um den Preis der Freude, die ihn (als Siegeslohn) erwartete, den Kreuzestod erduldet und die Schande für nichts geachtet, dann sich aber zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat.“ (Hebräer 12,2)

Tun wir das? Oder haben wir, wenn wir an Jesus denken, immer nur den erhöhten und triumphierenden Herrn vor Augen? Um unser Leben hier auf dieser Erde recht zu bestehen ist es jedoch oft viel nötiger, dass wir ihn als den vor Augen haben, der unter schwersten Lasten durchgehalten hat, im Leiden an anderen und für andere, WEIL er über den Horizont des hier und jetzt hinaus schaute und den Siegespreis der Freude nicht aus den Augen verlor. - Wie steht es damit bei dir? Der Kreuzestod war damals absolut erniedrigend, eine Schande. Es war sowohl in der griechischen, als auch in der römischen Welt eine absurde Vorstellung, ein Gekreuzigter könnte eine wichtige, vornehme oder bedeutende Person sein. Bei den Römern wurde nur der Abschaum gekreuzigt. So traf dieses zentrale Ereignis auf Griechen und Römer, die Weisheit verlangten, etwas Edles, Kluges, Besonderes suchten und auf Juden, die ein Wunderzeichen von Gott forderten. Aber der Allmächtige scherte sich überhaupt nicht um ihre „Bedürfnisse“, sondern gab ihnen genau das Gegenteil. Die Juden bekamen ein „Ärgernis“, d.h. einen gekreuzigten und keinen triumphierenden Messias. Und für die Griechen war die Botschaft vom gekreuzigten Schöpfergott ein unzumutbarer „Unsinn“. Wenn du meinst, heute sei es schwierig, anderen das Evangelium zu erklären, dann versetze dich einmal in die Lage der ersten Christen. Wenn sie die Botschaft vom Gekreuzigten weitersagten, mussten sie damit rechnen, für total bescheuert gehalten zu werden. Paulus war sich darüber im Klaren, dass Gott selbst im gekreuzigten Christus das größte Hindernis für den Glauben an eben diesen Gott war. Offenbar hätte Gott im ersten Jahrhundert keine gewaltigere Barriere für den Glauben an ihn errichten können als den gekreuzigten Jesus Christus. Aber er tat es um zu beweisen, dass der Glaube an Christus keine menschliche Leistung ist, sondern ein göttliches Geschenk (Epheser 2,8). Für einen Menschen, dessen Inneres noch nicht vom Heiligen Geist angerührt wurde, ist das eine völlig unmögliche, unerträgliche und skandalöse Botschaft. Wenn aber der Heilige Geist sein Werk beginnt, indem er den Menschen von seiner Sünde überführt, das tote Herz erweckt und Glauben schenkt, dann vollzieht sich auf einmal diese geheimnisvolle Veränderung, von der Paulus in 1. Korinther 1,18 sagt: „Das Wort vom Kreuz ist für die, welche verlorengehen, eine Torheit, für die aber, welche gerettet werden, für uns, ist es eine Gotteskraft.“ Nur die authentische Botschaft Jesu wird unter dem Wirken des Heiligen Geistes zur Errettung führen. Dann strömt die Gnade zu dem seine Sünde erkennenden und bekennenden Sünder, der sich auf diese Weise selbst verleugnet und etwas von der Schande des Kreuzes in seinem eigenen Leben verspürt. Denn, wenn Jesus die Schande des Kreuzes ertragen musste, denken wir, wir könnten seine Nachfolger sein, ohne dies ebenfalls wenn auch nur ansatzweise erleben zu müssen? „Ein Jünger steht nicht über seinem Meister und ein Knecht nicht über seinem Herrn; ein Jünger muss zufrieden sein, wenn es ihm ergeht wie seinem Meister, und ein Knecht, (wenn es ihm ergeht) wie seinem Herrn.“ (Matthäus 10,24-25)

2. Die Torheit des Kreuzes

„Weil nämlich die Welt da, wo Gottes Weisheit tatsächlich vorlag, Gott vermittelst ihrer Weisheit nicht erkannte, hat es Gott gefallen, durch die Torheit der Predigt die zu retten, welche Glauben haben.“ (1. Korinther 1,21) Die Torheit des Kreuzes kommt deutlich im Mittel der Predigt zum Ausdruck. Heute leben wir in einer Zeit der Demokratisierung des Wortes. Jeder darf alles sagen, gleichgültig ob er eine Ahnung von der Materie hat oder nicht. Und da wir alle Kinder unserer Zeit sind, hat diese Haltung auch auf die Gemeinde abgefärbt. Man möchte sich heute am liebsten selbst das Wort Gottes sagen. Aber das geht so nicht. Gott hat es vor langer Zeit bereits anders festgelegt: „Der Glaube kommt aus der Predigt (= dem Gehörten).“ (Römer 10,17) Doch unser stolzes Herz bemächtigt sich des Wortes und jeder legt ihm seine Bedeutung bei, gleichgültig ob sie zutreffend ist oder nicht. Den Hintergrund hierfür bildet latent oder ausgesprochen die Überzeugung vieler: „Es gibt keine zutreffende Erklärung des Wortes Gottes.“ Gott hätte sich eben etwas klarer ausdrücken sollen, wenn er will, dass wir alle sein Wort verstehen und ihm gehorchen. Andere meinen gar, es gäbe gar keine objektive Wahrheit mehr, alles sei gleichgültig. Die Predigt wird hier und da bereits als „Gewaltakt“ an den Zuhörern bezeichnet. Von Gott berufene, beauftragte und ausgerüstete Prediger und Lehrer des Wortes Gottes, - brauchen wir die überhaupt noch? Der Glaubensmangel, der heute vielfach festzustellen ist, geht m.E. eindeutig auf Mängel rund um die Predigt zurück. (Sowohl die Qualität der Predigten, als auch die Qualität der Zuhörer muss verbessert werden.) Die Apostel wiesen bereits auf unsere Zeit des bedürfnisorientierten Predigens hin: „Denn es wird eine Zeit kommen, da wird man die gesunde Lehre unerträglich finden und sich nach eigenen Bedürfnissen (= das aktive und persönliche Verlangen oder Begehren) Lehrer über Lehrer beschaffen, die ihnen nur das sagen, was sie gerne hören möchten. Und weil ihnen die Wahrheit nicht gefällt, folgen sie allen möglichen phantastischen Ideen.“ (2. Timotheus 4,3-4) Viele wohlmeinende Christen geben sich heute große Mühe, die unbequemen Lehren Jesu zu umgehen und preisen ein leicht bekömmliches Christentum an – die schwerer zu schluckenden Wahrheiten kann man ja vielleicht später erklären. Aber können wir Teile der Botschaft Jesu, die uns eine Zumutung zu sein scheinen, einfach weglassen, ohne dadurch die ganze Botschaft zu verändern? Nein! Nur das ganze Evangelium ist die Frohe Botschaft und nicht nur Teile davon. Der Gedanke hinter solchen Überlegungen ist meist der, man möchte das Evangelium leicht fasslich und glaubhaft vorstellen. Aber das wahre Evangelium ist schwer zu glauben. Auf sich allein gestellt, ohne die Hilfe des Heiligen Geistes, ist es einem Sünder absolut unmöglich, es zu glauben (1. Korinther 2,14). Wir müssen uns davor hüten, nur damit sich Ungläubige bei uns wohl fühlen, die eindeutige Botschaft des Wortes Gottes zu verfälschen. Wir dürfen auf keinen Fall die Bedingungen ändern, die Jesus festgesetzt hat, um ins Reich Gottes zu kommen. Es ist diese skandalöse, anstößige, törichte, lächerliche und absurde Botschaft vom Kreuz, die Gott noch heute dazu gebraucht, um durch das Medium der Predigt die Glaubenden zu erretten. Das Evangelium vom Kreuz macht noch keine Zugeständnisse an die menschliche Weisheit. Der menschliche Intellekt spielt in der Erlösung keine Rolle. Ein unbekehrter Mensch kann ein enormes Denkvermögen und einen großen Intellekt besitzen, aber sobald es um geistliche Realitäten, um göttliches Leben und die Ewigkeit geht, kann er nichts dazu sagen. Der Mensch kann mit seiner Weisheit Gott nicht erkennen. Und ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der ohne vom Heiligen Geist angerührt zu sein, das Bedürfnis hatte, seine Sünden los zu werden. Du möchtest, dass Menschen Gott erkennen? Dann gib´ die Botschaft der Bibel weiter. Nur in ihr finden wir die göttliche Weisheit, die für Ungläubige zwar eine Torheit ist, die sich jedoch immer wieder aller menschlichen Weisheit haushoch überlegen erweist.

3. Die Kraft des Kreuzes

„Denn während einerseits die Juden Wunderzeichen fordern, andrerseits die Griechen Weltweisheit verlangen, verkünden wir dagegen Christus als den Gekreuzigten, der für die Juden ein Ärgernis und für die Heiden eine Torheit ist; denen aber, die berufen sind, sowohl den Juden als auch den Griechen, (verkünden wir) Christus als Gotteskraft und Gottesweisheit. Denn die Torheit Gottes ist weiser als die Menschen (sind), und die Schwachheit Gottes ist der Stärke der Menschen überlegen.“ (1. Korinther 1,22-25) Nur wer 1+2 bejaht (einmal grundsätzlich bei seiner Bekehrung und dann immer wieder in seinem Christenleben), erfährt die Kraft der Rettung, die in Vergebung, Befreiung und Versöhnung mit Gott und Menschen besteht. Was Menschen rettet, ist allein die Kraft Gottes, welche sich im Wort vom Kreuz durch die Predigt als wirksam erweist. Und das ist die einzige Botschaft, die wir haben. Jede andere Botschaft ist falsch und muss zurückgewiesen werden, wie Paulus in Galater 1,8-9 sagt: „Wenn aber auch wir oder ein Engel aus dem Himmel euch etwas als Evangelium entgegen dem verkündigten, was wir euch als Evangelium verkündigt haben: er sei verflucht! Wie wir früher gesagt haben, so sage ich auch jetzt wieder: Wenn jemand euch etwas als Evangelium verkündigt entgegen dem, was ihr empfangen habt: er sei verflucht!“ Das heute so beliebt gewordene Evangelium – Light ist solch eine andere Botschaft, da sie versucht, den Anstoß des Evangeliums, nämlich das Kreuz (= Buße, Selbstverleugnung, Unterordnung unter Jesus) zu eliminieren. - Im Wesentlichen ärgern sich die Menschen heute im Zusammenhang mit dem Christentum über zweierlei. Über die Einzigartigkeit unseres Herrn Jesus Christus, als dem einzigen Weg zum Vater und über die Einzigartigkeit der Bibel, als dem einzig wahren Wort Gottes. Wenn wir sicher gehen wollen, dass wir richtig verstanden werden, dann sollten wir in unseren Gesprächen und unserem Zeugnis stets diese beiden einzigartigen Schätze zur Sprache bringen. Einmal, indem wir Gott die Ehre geben und von seinem Sohn Jesus Christus, als dem einzigen Weg, der einzigen Wahrheit und der einzigen Quelle des Lebens sprechen, anstatt nur allgemein von „Gott“ oder noch diffuser vom „höheren Wesen“ zu reden. Und weiter, dass wir die Menschenfreundlichkeit Gottes rühmen, die uns die Bibel gegeben hat, der einzigen, aber völlig zuverlässigen Nachricht über Jesus. Indem wir dies bezeugen, richten wir die Botschaft nach Gottes Willen aus und Mensch werden gerettet. Bei der Botschaft vom Kreuz geht es nicht um unsere Bedürfnisse. Es geht nicht darum, dass Jesus uns so sehr liebt und uns glücklich machen will. Es geht darum, dich und mich von der Verdammnis zu retten, weil dieses Urteil über jeden Menschen verhängt ist. Und so ist das Evangelium ein Anstoß, von welcher Seite wir es auch betrachten. In der Botschaft vom Kreuz gibt es nichts, was bequem zum Bild passt, das der Mensch von sich selbst hat. Deshalb können wir auch nicht treu im Glauben zum Herrn Jesus stehen und gleichzeitig bei der Mehrheit unserer Mitmenschen beliebt sein. Wir müssen wählen! Paulus machte es im 1. Korinther 1 völlig klar: Das Evangelium kollidiert mit unseren Gefühlen, mit unserem Verstand, mit unseren Beziehungen. Es stellt unsere Wahrnehmungen, unser rationales Denken und unsere Toleranz auf den Kopf. Es ist schwer zu glauben, weil es den gefallenen Menschen verurteilt. Das Evangelium hält dem Menschen den Spiegel vor und zeigt ihm, wer er wirklich ist: Ein verlorener Sünder, ein sicherer Kandidat für die Hölle. Dann aber zeigt es ihm, wer Gott ist und was er für ihn getan hat. Jesus hat sich für uns zur Sünde machen lassen, wurde unser Stellvertreter und starb für uns den Tod am Kreuz. „Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tode ins Leben hinüber gegangen.“ (Johannes 3,36)

Manfred Herold