MARIA, die Mutter Jesu, des Sohnes Gottes

 

Von jeher hat die Person Marias die Aufmerksamkeit der Christen auf sich gezogen. Obwohl uns die Evangelien kein lückenloses Lebensbild von Maria zeichnen und obwohl sie eher am Rande der neutestamentlichen Heilsaussagen steht, ist sie doch keineswegs nur eine unbedeutende Randfigur in der Bibel.

Wohl verwerfen wir den „Marienkult“ der römisch-katholischen Kirche, aber wir sind nicht wirklich „evangelisch“, wenn sich unsere Stellung zu Maria in diesem Protest erschöpft. Wir können, wenn wir wollen, viel von der, trotz allem, was ihr widerfuhr, am Glauben festhaltenden und im Glauben wachsenden Maria lernen.

Ich will versuchen, das Bild Marias vom Scheingold der Legende, deren es nicht bedarf, zu reinigen und die einfachen Striche ihres Bildes in den Evangelien nachzuzeichnen.

1. MARIA wurde von Gott auserwählt.

Lukas 1,26 - 33 – Das hier geschilderte Geschehen war einfach unerhört: Der Thronengel Gottes wird zu einem 14-16 jährigen Mädchen geschickt und dann sogar noch nach Galiläa.

Für einen gesetzestreuen Juden ein einziger Skandal. Beteten die frommen Juden doch zu jener Zeit: „Gott ich danke dir, dass du mich nicht geschaffen hast als Heiden, als Aussätzigen oder als eine Frau!" Allgemein war es für einen Juden nicht üblich eine Frau zu grüßen oder mit ihr zu sprechen, doch der Engel tat beides. Galiläa war ein Landstrich mit stark heidnisch durchsetzter Bevölkerung. Fromme Juden mieden diese Gegend.

Natürlich bewegt uns in diesem Zusammenhang sofort die Frage: „Warum ausgerechnet Maria?“ - Darauf bekommt man auch in evangelischen Kreisen die unterschiedlichsten Antworten, obwohl uns die Heilige Schrift nur eine einzige gibt: „Sie fand Gnade bei Gott!“ (Lukas 1,28+30) Die Bibel sagt eben gerade nicht: Weil Maria die aller-frömmste, aller-beste, aller-tugendsamste Frau in Israel war, wählte Gott sie aus, - sondern: Gott hat sie begnadigt und sie hat sich das gefallen lassen.

Gott hat sie gerufen und sie hat sich rufen lassen. Von Gnade kann nur gesprochen werden, wo zuvor von Sünde und Gericht geredet worden ist. Maria war also ein ganz normaler Mensch und stand deshalb unter dem Gericht Gottes. Nur in diesem Zusammenhang macht die Rede von „Gnade“ Sinn. Gnade ist Freispruch trotz erwiesener Schuld. Die Bibel ist also weit davon entfernt, uns Maria etwa als sündlose Frau hinzustellen. Das würde die Gnade ja nicht nur entwerten, sondern sie sogar leugnen.

Gottes Liebe wählt bis zum heutigen Tag nicht nach Qualität, Frömmigkeit, Weisheit und Tüchtigkeit aus, sondern Er begnadigt diejenigen, die es nicht verdient haben und dies auch einzugestehen bereit sind. In dem Augenblick, wo Maria nicht mehr nur als Empfängerin, sondern als Spenderin der Gnade hingestellt wird, wird das 1. Gebot verletzt.

Maria war einfach ein Mensch, an dem Gott demonstrieren konnte, wie Er es mit der Sendung Seines Sohnes meinte: Er begnadigt voraussetzungslos und Er beschenkt bedingungslos. Gott hat die von Menschen glatt Übersehene nicht übersehen. Viele fromme Menschen halten die Gnade nicht aus und versuchen sich lieber durch außergewöhnliche Qualitäten und Aktionen Gott zu empfehlen. Darin sehen sie irrtümlicherweise ihre Chance. Nicht so Maria!

Wir können von Maria lernen: Die Gnade Gottes nötig zu haben, ist die höchste Frömmigkeit eines Menschen und sich die Gnade gefallen zu lassen, ist das größte Glück eines Menschen (Lukas 1,48). Allein durch die Gnade kann geschehen, was sonst unmöglich wäre. - So lass dich heute neu oder zum ersten Mal bewusst von Gott beschenken. Der Vater will dich zu Seinem Kind machen, wie Er Maria zur Mutter Seines Sohnes machte: aus Gnade!

2. MARIA glaubte dem an sie gerichteten Wort Gottes.

Lukas 1,34 - 38 - Unter allen Wundern, von denen die Bibel berichtet, ist das Wunder, das an Maria geschah, das größte und herrlichste! Maria hatte das Wort Gottes durch Engelsmund gehört und es für sich gelten lassen. Sie glaubte dem, was Gott von ihr (nicht nur das, was er zu ihr) sagte und nahm auf diese Weise den Stand ein, den Gott ihr zugedacht hatte: „Ich bin des Herrn Magd!“ Deshalb konnte sie dann auch den 2. Satz sprechen: „Mir geschehe, wie du gesagt hast!“

Sie hatte alle Selbstbestimmungsrechte, alle eigenen Wünsche, ja sich selbst aufgegeben. Deshalb konnte sie so umfassend Gottes Wort glauben. In unserem Leben kann Gott häufig deshalb nicht nach Seinem Willen schalten und walten, weil wir ganz existentielle Vorbehalte haben. Marias Glaube war keine mühevoll erbrachte Leistung, sondern ein Gottesgeschenk, das sie annahm, als sie das zu ihr gesprochene Wort Gottes annahm. So ist es mit dem biblischen Glauben bis heute (Epheser 2,8). Was wir brauchen, ist kein großer Glaube an Gott, sondern Glauben AN EINEN GROSSEN GOTT.

Maria war mit der Geschichte und der Hoffnung ihres Volkes vertraut. Sie kannte Gottes Wort und rechnete mit Seiner Erfüllung. Gegen alle Vernunft, gegen den Augenschein, gegen alle menschliche Erfahrungen und Möglichkeiten erwartete sie Gottes Handeln aufgrund Seines gegebenen Wortes. Weil sie diesen Glauben, der nichts von sich und alles von Gott erwartete, hatte, war es auch ihr sehnlichster Wunsch, Gott allein zu preisen. Maria wusste: Allein vom Kind und nicht von der Mutter geht das Licht aus, das die Welt erleuchtet und die Herzen hell macht.

Später erwies sie ihren Glauben darin, dass sie Jesus und nicht sich selbst in den Mittelpunkt des Interesses stellte (Johannes 2,5), dass sie von sich weg auf Ihn verwies. Aber je weiter Jesus auf Seinem Weg ging, um so schwerer wurde es Maria, innerlich mit ihm Schritt zu halten. Es war von Bethlehem bis Golgatha ein opferwilliger Glaube, den sie praktizierte und sie musste unter vielen Schmerzen immer neu glauben lernen. Im Schatten des Kreuzes (Johannes 19,25) bekam dann das Wort des Engels, dass bei Gott kein Ding unmöglich sei (Lukas 1,37), einen neuen, unendlich vertieften Sinn. Und der Osterbotschaft glaubte sie schließlich sogar, ohne den Auferstandenen gesehen zu haben (Johannes 20,29).

Wir können von Maria lernen: Glaube doch das, was Gott zu dir und über dich sagt! Gib dein Selbstbestimmungsrecht auf, damit Gott in deinem Leben zu Seinem Recht kommt! Dein Tun und Lassen hängt von deinem Selbstverständnis ab (der Sünde gestorben - begraben in der Taufe)! Stelle dich Gott uneingeschränkt für die Durchführung Seines Willens zur Verfügung!

3. MARIA verstand Gott oft nicht, aber sie lobte Ihn dennoch.

Lukas 1,46 - 55 - Maria wird in den Evangelien keineswegs idealisiert. Von Anfang an hatte sie schwerwiegende Fragen (Lukas 1,34) und stellte sie auch. Vieles verstand sie einfach nicht. Und auch ihr Glaube löste diese Rätsel nicht einfach in einer ihren Verstand befriedigenden Weise auf. Dennoch war es ein echter, biblischer Glaube – ein andauernder Weg aus der Nacht ins Licht.

Fragen werden sie umgetrieben haben: „Wie soll ich die Sache mit dem Kind denn nur meinem Josef erklären?“ Sehr spät, als Josef bereits den Entschluss, Maria zu verlassen, gefasst hatte, griff Gott endlich ein (Matthäus 1,20).

Auch im Zusammenhang mit der Geburt gab es gewiss viele ungelöste Fragen für sie: „Warum darf ich mein Kind nicht zu Hause in Nazareth zur Welt bringen?“ - „Warum gibt es denn nicht wenigstens einen Platz in der Herberge für uns?“ - „Warum tut Gott denn nicht einfach ein Wunder, um uns zu helfen?“ - „Warum findet das göttliche Kind keine Beachtung bei den Frommen?“ - „Warum dürfen wir den Chor der Engel nicht auch hören, sondern nur die Hirten?" Und, als sei dies alles noch nicht genug, - „Warum konnte uns denn nicht wenigstens die Flucht nach Ägypten erspart bleiben? War Gott dem wütenden Herodes gegenüber machtlos?“

Und den Heranwachsenden verstand sie ebenfalls nicht immer. Drei Tage suchten die Eltern den Jungen, waren wohl, wie alle Eltern in solch einer Situation hin- und her gerissen zwischen Furcht und Ärger und als sie Ihn dann fanden, konnten sie mit Seiner Antwort in Lukas 2,49-50 zuerst gewiss auch nicht viel anfangen! Übrigens mag sich jeder, der sich wie Maria damals, zeitweise von Gott verlassen vorkommt, damit trösten, dass der Herr Seiner eigenen Mutter diese Anfechtung nicht erspart, sie aber dann doch rechtzeitig daraus gerettet hat.

Ob für Maria nicht auch die Tatsache, dass Jesus so lange in stiller Zurückgezogenheit in Nazareth lebte und als Zimmermann arbeitete, eine Anfechtung war?! Es schien so, als wären alle großen Worte vergessen, als würde alles im Sande verlaufen, was prophezeit worden war.

Ob sie Ihn bei der Hochzeit zu Kana verstand, als Er sie auf recht barsche Weise zurecht wies (Johannes 2,4)? Und gewiss verstand sie auch den Opfergang Jesu nach Golgatha nicht (Abraham - Isaak). Der Heiland Gottes sank in den Tod. Gott selbst zog Seine Hand von Ihm zurück. Wer konnte das verstehen?

Waren die großen Worte vom Erretten des Volkes nicht unerfüllt geblieben? Und warum erschien ihr der Auferstandene denn nicht? Hatte sie nicht ein Recht darauf, nach all den Ängsten?

Wir können von Maria lernen: Auch dein Glaube wird mit Rätseln leben müssen aber auch leben können. Im Glauben zu leben, heißt nicht, problemlos durchs Leben zu gehen! Der Erweis echten Glaubens liegt nicht darin, dass er keine Anfechtungen zu erdulden hat, sondern dass er sich in den Anfechtungen bewährt und dadurch wächst. Biblischer Glaube wartet geduldig auf die Einlösung der Verheißungen Gottes.

4. MARIA ließ sich von Gott weiterführen.

Johannes 19,25 - 27 - Am meisten hat mich aber Marias Bereitschaft, sich von Gott weiterführen zu lassen, beeindruckt. Sie blieb innerlich nicht bei den großartigen Erfahrungen ihrer Jugend stehen, sondern ließ sich in ihrer Gottesbeziehung weiterführen, obwohl das für sie nicht heißen konnte, noch größere Erfahrungen mit Gott als bisher zu machen.

Sie sonnte sich weder in dem Lob der Elisabeth, noch in der Beachtung, welche ihr die Hirten und die Weisen entgegen brachten. Sie war bereit, demütig und unerkannt Gott dienend wieder in ihren Alltag zurückzukehren. Maria machte aber gewiss nie mehr die Tatsache, dass sie irgendwo nicht mehr weiterwusste, zum Maßstab für Gottes Möglichkeiten.

Bei der Hochzeit zu Kana (Johannes 2) merkte Maria, dass ihr Einfluss auf den Sohn nicht mehr vorhanden waren. Sie nahm die Zurechtweisung Jesu, der sich allein an den Willen des Vaters gebunden wusste, an. Sie ließ sich zu der Erkenntnis weiterführen: „Nun regiert Jesus der Wille des himmlischen Vaters und nicht mehr mein mütterliches Herz.“ Darüber hätte sie enttäuscht und verbittert werden können, wurde es aber nicht.

Als Er dann mit Seinen Jüngern los zog, begleitete Maria ihren Sohn nicht auf Seinen Reisen. Zuerst meinte sie und die anderen Familienangehörigen scheinbar: „Er spinnt! Wir dürfen Ihn nicht frei herumlaufen lassen!“ (Markus 3,21+31-35) Deshalb wollten sie ihn damals sogar gegen Seinen Willen nach Hause holen (Markus 6,4). Nicht dass Maria völlig das Vertrauen zu Jesus verlor, aber es musste ein neuer, anderer, tieferer Glaube werden, ein Glaube, der in steigendem Maße über dem Abgrund der Verzweiflung schwebte. Maria musste lernen: Im Gehorsam gegen den Willen des Vaters entsteht eine neue, bisher völlig unbekannte Gemeinschaft (Matthäus 12,36).

Von Anfang an lag der Schatten des Kreuzes auf ihrem Leben (Lukas 2,35). Als sie dann auf Golgatha stand, in schier auswegloser Finsternis, als alles in ihr zerbrach, da war die Art und Weise, wie Jesus Seine Qual erduldete, so weit von der Katastrophe eines Gescheiterten entfernt, dass sie sich im Zerbruch zum Glauben, der nicht sieht, zum Glauben an den Auferstandenen weiterführen ließ.

So erlebte sie mit den Jüngern an Pfingsten (Apostelgeschichte 1,14) die Sendung des Heiligen Geistes, der Jesu Stellvertreter auf Erden, sowie der wahre Beistand und echte Tröster der Gläubigen ist. - Danach hören wir im Neuen Testament nichts mehr von Maria.

Wir können von Maria lernen: Auch wenn du Großes mit Gott erlebt hast, ist Er noch lange nicht am Ziel mit dir. Lerne auch Enttäuschungen als Wohltaten Gottes anzunehmen! Er will uns dadurch nur von Illusionen befreien, die ohnehin nichts taugen. Lässt du dich in deinem Glaubensleben weiterführen oder musst du bei dir Stillstand und Stagnation feststellen?

Nicht die militanten Selbstbehauptungsstimmen der Feministinnen unserer Tage, die nur im weiblichen Tonfall nachsprechen, was Männer ihnen in ihrer Verblendung und Gottlosigkeit so lange vor-geplappert haben, sondern diese biblische Stimme einer Frau kann eine heillos männlich geprägte Welt zu einer heilsamen und unser Mensch-sein von Grund auf erneuernden Umkehr (d.h. Sinnesänderung) rufen und führen. Maria ist uns darin ein echtes Glaubensvorbild, für das wir Gott, dem Vater danken sollten.

Manfred Herold

Manfred Herold