„...DENN DEIN IST DAS REICH….“

Viele Menschen fragen heute offen oder hinter vorgehaltener Hand: „Warum soll ich eigentlich beten?“ Am Ende des „Vater-unsers“ wird diese Frage noch einmal eindeutig und klar beantwortet. Es wird der entscheidende Grund, weshalb wir zuversichtlich beten können und sollen, genannt: Weil unser Vater DIE HERRSCHAFT, DIE KRAFT und DIE HERRLICHKEIT jetzt und in alle Ewigkeit besitzt, deshalb können und sollen wir beten. Wenn uns diese Tatsachen nicht zum Beten veranlassen, dann wird es wohl nichts anderes schaffen. Jeder Christ wird, wenn auch nur noch eine Spur von Liebe zu Gott in ihm ist, selbst bei kurzem Nachdenken über diese Aussage große Freude und tiefen Frieden empfinden, wird in staunenden Jubel über diesen Vater ausbrechen und den Wunsch verspüren, Ihn angemessener zu loben. Denn der Lobpreis lenkt unseren Blick immer wieder von all dem Vielen (Brot, Schuld, Versuchung, Satan) auf den Einen zurück, von all dem Zeitlichen auf das Ewige, von dem Sichtbaren auf das Unsichtbare, vom Vergänglichen aufs Unvergängliche. Nur wenn das immer wieder geschieht, bleiben wir frei und offen für Gott. Deshalb ist der Lobpreis in unserem Leben so wichtig, deshalb soll unser ganzes Leben mehr und mehr ein Lobpreis Seiner Herrlichkeit werden (Epheser 1,12). Und das geschieht in dem Maße, wie wir Ihn anschauen und dann als „Gott-begeisterte“ leben. - Mit einem unser Gebet begründenden Lobpreis schließt das „Vater-unser“.

DENN DEIN IST DAS REICH

Diese kurze Aussage ist nichts anderes als eine Absage an alle imponierenden und faszinierenden Reiche dieser Welt. Der Herr verweist sie auf nachgeordnete Plätze und nimmt ihnen ihren Schrecken, weil er ihnen ihre Endgültigkeit abspricht und ihren wahren Charakter enthüllt. Dieses Wort steht nicht, wie man vielleicht meinen könnte, im Widerspruch zur 2. Bitte, sondern es stellt fest, was bei unserem Gott schon Wahrheit ist. Wir beten zwar darum, dass das Reich auch zu uns komme, dass wir es erleben und uns daran freuen können, aber wir bitten auf Grund der Tatsache, dass bei Gott alles schon ans Ziel gekommen ist, dass Er sowohl den Anfang, als auch das Ende schon vor Sich hat, dass es bei Ihm kein Bangen, Zittern und Zagen, ob das Ziel erreicht würde, gibt.

Niemals war Seine Herrschermacht in irgend einer Weise eingeschränkt, und niemals wird solch eine Situation eintreten. Er hat und behält alles in Seiner Hand (2. Chronik 20,6). Gott muss einfach alles dienen (Psalm 119,91; 135,6). Am deutlichsten erwies sich das beim Tod unseres Heilandes. Wie viele falschen Zeugnisse, wie viel Treulosigkeit und Hass, Sünde und Schuld brachten Jesus ans Kreuz. Und doch benutzte der Vater dies alles, um die größte Liebestat daraus werden zu lassen, welche die Erde je gesehen hat: die Erlösung der Menschheit. Wenn unser Gott nun aber aus dem fluchwürdigsten aller Verbrechen einen solchen Strom von Segen fließen lassen kann, so erkennen wir daran, dass Ihm tatsächlich alles dient und dass er in der Lage ist, auch das Sündigste, Schrecklichste und Verdrehteste so einzusetzen, dass alles zum Erreichen Seiner Liebesziele beitragen muss.

Von diesem Blick auf das Ende aller Wege Gottes gewinnt der Christ und mit ihm die Gemeinde, Kraft, Gewissheit, Trost und Hoffnung in allen Anfechtungen. Die Gemeinde ist deshalb die Schar derer, die Ihre Häupter erhebt, weil Ihre endgültige Rettung nahe ist (Lukas 21,28), die weiß, dass die Finsternis schwindet und das wahre Licht schon leuchtet (1. Johannes 2,8), die durch Gehorsam das Kommen des Reiches Gottes beschleunigt (2. Petrus 3,12). Das ist praktiziertes d.h. durch ein bestimmtes Verhalten zum Ausdruck gebrachtes Gotteslob. Lobpreis hebt die Augen und das Herz vom Kampf zum Sieg empor, vom beschwerlichen Weg zum herrlichen Ziel, vom Begonnenen zur Vollendung.

UND DIE KRAFT

KRAFT, zweifellos eines der Traumworte unserer Zeit. Die Kraft wird angebetet, ganz gleich, ob es die PS sind oder die Muskelkraft, die Nervenkraft, die Geisteskraft oder die Finanzkraft. Kraft und Leistung sind die Götzen der Gegenwart. Diesem Kraftdenken, dieser Leistungsanbetung wird nun mit aller Entschlossenheit die Axt an die Wurzel gelegt, wenn wir beten: „Dein ist die Kraft!“

Weshalb beten wir? Weil Gott DIE KRAFT hat, die wir nicht haben, die wir so dringend brauchen und die Er uns gern geben will, wenn wir Ihn nur darum bitten (Kolosser 1,19+2,9-10). Die ganze Fülle Seiner Macht und Kraft will der Vater uns in der Lebensgemeinschaft mit Christus schenken. Die Gemeinschaft mit Jesus macht uns klein und arm in uns selbst und auf diese Weise aufnahmefähig für Seine Kraft, Seine Macht, Seinen Reichtum (2. Korinther 12,9). Gottes Kraft erlebt man nur auf dem Hintergrund der eigenen Ohnmacht. Es ist die Kraft, die unser eigen wird, wenn unsere Stärke zerbrochen ist, wenn wir frei gemacht wurden von allem eigenen Machtdenken und Machtstreben. Wenn du unter deiner Kraftlosigkeit, die es dir unmöglich macht zu lieben, leidest, so gehe in der Gewissheit zu Jesus: Er hat Kraft zu lieben, auch für mich! Er hat Kraft zu vergeben, Kraft zu bewahren, Kraft zu erneuern, Kraft zu dienen, Kraft zu heilen, Kraft zu ermutigen, Kraft, ein reines Leben zu führen, Kraft zu gehorchen... Er hat alles, was du nicht hast und will sich dir im Heiligen Geist Selbst schenken.

Glaube es doch und nutze diese Möglichkeit! (Jakobus 4,2) Haben wir nicht allen Grund, diesem Vater immer mehr Vertrauen entgegenzubringen?! Haben wir nicht allen Grund, diesen Vater zu loben?! Der Lobpreis stärkt unseren Glauben, weil wir uns an die großen Taten Gottes erinnern und uns bewusst werden, dass dieser Gott heute noch derselbe ist. Im echten Gotteslob kommt der Wunsch eines liebenden Herzens (Schlüssel zum Gotteslob) zum Ausdruck, den Geliebten im rechten Licht erscheinen zu lassen. Dabei verändert oder bewirkt ja nicht das Lob an und für sich irgend etwas, sondern Gott, der auf die sich im Lob äußernde Herzenseinstellung reagiert.

Das Lob hat auch starke missionarische Wirkungen. Wir können es am Beispiel der Werbung sehen: Sie ist ganz auf den Grundsatz des Lobes aufgebaut. Je größer, eindrücklicher, überzeugender das Lob ist, umso mehr Menschen werden davon beeinflusst. Unsere Mitmenschen sollten es uns abspüren: Wir halten große Stücke von unserem Gott. Wir kennen Ihn. Wir lieben Ihn. Wir sind stolz auf Ihn. Wir schämen uns Seiner nicht. Lobpreis ist der Ausdruck unserer Freude an Gott. Und solch ein Jubel über Gott, der uns durch Jesus Christus errettet hat und alle Menschen retten will, legt allein ein richtiges Zeugnis von unserem Gott ab (Psalm 89,16). Eine Gott-lobende Gemeinde hat deshalb automatisch eine große Anziehungskraft.

Nichts ehrt Gott gerade in den dunkelsten Stunden unseres Lebens mehr als unser Lob (Hiob 1,21-22). Nichts bringt uns in solchen Zeiten mehr neuen Mut, neue Hoffnung und oft auch Befreiung, sowie Frieden und Freude, wie der Lobpreis Gottes (Apostelgeschichte 16,25; 2. Chronik 20,22).

UND DIE HERRLICHKEIT IN EWIGKEIT

Herrlichkeit, das ist die biblische Umschreibung für das ewige Herr sein Gottes; damit ist Gottes Hoheit und Majestät, Seine unbedingte Souveränität, Seine Macht, Seine Vollkommenheit, Seine Schönheit und Reinheit gemeint. Mit dem Hinweis auf die Herrlichkeit des Vaters werden wir eingeladen, in Seiner Gegenwart zu bleiben, uns an Seiner Schönheit satt zu sehen (Psalm 17,15).

Denn wie oft waren wir nur an Seinem Segen, Seinen Gaben und Kräften, an Seiner Hilfe oder Seiner Bewahrung interessiert, und wenn die Not vorüber war, hatte sich unser Herz schnell wieder von Gott abgewandt?! Damit dieser beschämende Missbrauch der Hilfe Gottes endlich aufhöre, will uns der Hinweis auf die Herrlichkeit Gottes ganz für Gott „gefangen nehmen“. Wir sollen es lernen, dem Vater viel mehr ins Angesicht statt nur auf Seine Hände zu schauen. So werden Seine Eigenschaften, Sein Wesen, Seine Schönheit und nicht nur Seine Gaben, Sein Segen und Seine Hilfe unsere Herzen und unsere Liebe gewinnen. Das Anschauen der Herrlichkeit und Schönheit unseres Gottes macht Christen nun aber nicht, wie vielleicht manche annehmen, zu faulen Träumern und weltabgewandten Mystikern, sondern, wie biblische Beispiele zeigen, im Gegenteil zu aktiven Mitarbeitern Gottes.

Paulus sah die Herrlichkeit des Herrn vor Damaskus, und die Folge war: Selbsterkenntnis und totaler Einsatz (Philipper 3,7f). Jesaja sah den Herrn auf dem hohen und erhabenen Thron, und die Folge war: Selbsterkenntnis, Reinigung, Hingabe, Vollmacht und ein unerschrockener Dienst (Jesaja 6,5f). Josua sah den Herrn der Heerscharen, und die Folge war: Sieg über Jericho und Einnahme des verheißenen Landes (Josua 5,14f). Die Jünger sahen den Auferstandenen, und die Folge war: Freude, Friede, neuer Mut (Johannes 20,20-21). Sollten wir solch einen Gott nicht viel mehr anschauen? Wenn wir Gott loben und anbeten, schauen wir Ihn an und werden durch dieses Anschauen in Sein Bild verwandelt (2. Korinther 3,18).

Er ist so herrlich, dass wir in Ewigkeiten nicht fertig werden, Ihn gebührend zu preisen. Sollten wir deshalb nicht schon hier damit anfangen?! Heute ist Gottes Herrlichkeit für die meisten Menschen eine verhüllte Herrlichkeit. Aber es wird der Tag kommen, an dem die Herrlichkeit des Vaters in Jesus Christus vor aller Menschen Augen offenbar werden wird (Psalm 97,6). So beginnt das „Vater-unser“ mit dem frohen Anruf des Vaters im Himmel und schließt mit dem Lobpreis Seiner Herrlichkeit.

A M E N

Manfred Herold

Manfred Herold