Der Christ und die Schöpfung

Wer, wie wir Christen es von uns behaupten, ehrlich am Menschen und seiner Zukunft interessiert ist, der muss sich heute auch die Fürsorge um die mehr denn je gefährdete Schöpfung zu eigen machen. Denn es ist doch völlig klar: Unsere Kinder müssen ernten, was wir gesät haben. Gott hat uns seine Schöpfung für unsere Kinder geliehen. Wie gehen wir mit ihr um? Was unternehmen wir, wenn wir sehen, wie diese Schöpfung unserem Gott und unseren Kindern kaputtgemacht wird? Denn es ist nicht nur Gottes Wille, dass wir mit seinen geistlichen Gaben verantwortlich umgehen, sondern auch mit seinen Schöpfungsgaben.

Sieben Faktoren bedrohen die Schöpfung heute in einem besonderen Maße:

    1. Die Bevölkerungsexplosion,

    2. Der Hunger in der Welt,

    3. Die Rohstoffknappheit (eine einzige Sonntagsausgabe der New York Times „verbraucht“ 150 Morgen Wald),

    4. Die Umweltzerstörung,

    5. Der Missbrauch der Atomkraft,

    6. Die zunehmend unkontrollierbarer werdende Technik und vor allem und in allem:

    7. Der MENSCH!

Deshalb sagt Prof. Jürgen Moltmann zu Recht: „Die sogenannte 'Umweltkrise' ist nicht nur eine Krise der natürlichen Umwelt des Menschen, sondern nichts weniger als eine Krise des Menschen selbst.“ Wir wollen den Fragen nachgehen: „Wie konnte es dazu kommen?" und "Was können wir Christen tun?“

1. Der Stellenwert der Schöpfung in Gottes Wort

Die Bibel schildert uns Gott als den URHEBER der Schöpfung. Er hat die Erde und alles, was auf ihr wohnt, gewollt. Er hat sie gut geschaffen. Er liebt sie. (1. Mose 1,1; Johannes 3,16)

Der Mensch wird der Schöpfung von Gott nicht nur als beauftragter Verwalter gegenübergestellt, sondern auch völlig in ihre Schönheit und Vergänglichkeit hineingestellt. Er sollte sich darum der ganzen Schöpfung verbunden wissen.

Als Folge des SÜNDENFALLS, in den die Schöpfung ohne eigene Schuld, nur wegen der Selbstüberschätzung des Menschen, mit hineingezogen wurde, finden wir in der Natur nun nicht nur eine Sonnen-, sondern auch eine Nachtseite. Dennoch betont die Bibel weiterhin, wie gut man doch an der Qualität der Schöpfung die Größe Gottes ablesen kann. (Römer 1,20) Im 148. Psalm zum Beispiel, wird alles geschaffene Leben wie eine große Familie angesehen und gemeinsam zum Lobe Gottes aufgefordert. Ebenso erscheint in der Verkündigung der Propheten Gott immer wieder als Schöpfer und Erhalter der Natur. Jesu Reden und Gleichnisse sind angefüllt mit liebevoller Naturanschauung und Naturverbundenheit. Und er hat sich ja keineswegs nur um verirrte Seelen, sondern auch um hungrige und kranke Leiber gekümmert. In 1. Timotheus 4,4 finden wir das eindrucksvolle Zeugnis: „Alle Schöpfung ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird.“ Und in Römer 8,19: „Denn das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes“, d.h. auf den Tag der universalen Welterlösung.

Wenn die Bibel nun ein solch durchgehend positives Zeugnis über die Schöpfung ablegt, wie können wir dann behaupten, den Schöpfer zu lieben, wenn wir seine Schöpfung weiter gedankenlos zerstören? Wie kann uns der Schöpfer wichtig sein, seine Schöpfung aber unwichtig?

2. Die Gründe für die Vernachlässigung der Schöpfung im Christentum

Wie hat es zu dieser beklagenswerten Naturentfremdung in der Kirche Jesu Christi kommen können? Warum wird unter uns durchweg nur der Mensch abgehandelt, als ob er das einzige Geschöpf Gottes sei? Wir sahen: Die Bibel kann für den Verlust nicht verantwortlich gemacht werden. - Es waren andere Gründe, die zu der Schöpfungsvergessenheit im Christentum führten. Ich will in aller gebotenen Kürze 5 Gründe nennen:

a. Das griechische Denken (Neuplatonismus) war auf dem schroffen Gegensatz von Natur und Geist, von Stoff und Seele aufgebaut. Das natürliche, leibliche Leben galt als niedrig, wertlos und gottfern. Nur die seelisch-geistige Wirklichkeit hatte, so meinte man, etwas mit der göttlichen Welt zu tun. Wohl hat die alte Kirche den Kampf gegen diese Auffassungen entschlossen aufgenommen, aufs Ganze gesehen der biblischen Sichtweise aber nicht Geltung verschaffen können.

b. Über das Mönchtum und die Mystik ist die durch und durch unbiblische Geringschätzung der Schöpfung und des Natürlichen in einem breiten Strom in die christliche Frömmigkeit eingedrungen. Das Interesse des Glaubens galt der jenseitigen Welt Gottes und dem Seelenleben des inneren Menschen. Die diesseitige Welt Gottes, die Leiblichkeit, die Natur blieben weithin unbeachtet.

c. Auch der Pietismus hat, trotz all seiner unbestrittenen Verdienste, seinen Teil zu dieser unguten Entwicklung beigetragen. So wird von Philipp Jakob Spener, einem der Väter des Pietismus, berichtet, er habe als Propst von St. Nikolai in Berlin während der 9 Jahre seines dortigen Dienstes ganze zweimal den hinter dem Haus liegenden Garten betreten.

d. Der starke Einfluss, den die idealistische Philosophie (Kant, Fichte), die in der Natur lediglich das „Material der Pflicht“ sah, auf die Theologie des 19. Jhd. hatte, ließ bei einer solchen Grundhaltung natürlich auch keine dankbare, liebende Naturverbundenheit aufkommen.

e. Die Theologie der Gegenwart hat, weil sie sich nicht konsequent an der Offenbarung Gottes in seinem Wort orientiert, an dieser unbefriedigenden Gesamtlage im Grunde auch nichts geändert. Bei ihr spielen wohl Schöpfungsordnungen eine Rolle, die Schöpfung an sich kommt jedoch weitestgehend nicht vor.

Besonders schlimm hat sich durch die Jahrhunderte die einseitige Auslegung von 1. Mose 1,28 („Seid fruchtbar und mehret euch, füllet die Erde und macht sie euch untertan und herrscht...“) ausgewirkt. Es gibt ernstzunehmende Menschen, die behaupten, dieser Vers sei an der ökologischen Verantwortungslosigkeit der heutigen Menschheit schuld. Wie dem auch sei, das Christentum trägt eine große Mitschuld an unserer derzeitigen Misere.

3. Die notwendige Neubesinnung und Neuorientierung

Wir müssen als Nachfolger Jesu wieder beides zusammenbringen: Gott und seine Schöpfung! Das wird aber nur dann zutreffend geschehen, wenn wir die Gesamtaussage der Bibel über die Schöpfung in ihren vielfältigen Erscheinungsformen beachten und berücksichtigen. Sie kann in 5 Sätzen wiedergegeben werden:

a. Die Schöpfung gehört Gott. Psalm 24,1; 2. Mose 9,29

b. Die Schöpfung liegt im Argen. 1. Johannes 5,19

c. Die Schöpfung ist von Gott geliebt. Johannes 3,16

d. Die Schöpfung kann neu werden. 2. Petrus 3,13

e. Die Schöpfung wird neu werden. Offenbarung 21,5

Wer nur die Sätze a und c bekennt, gerät in die Gefahr religiöser Naturschwärmerei, weil er dabei den Jammer der gefallenen Schöpfung übersieht. Er wird rat- und hilflos, wenn die Nachtseite der Natur in Gestalt von Krankheit, Überschwemmung, Erdbeben usw. über die Menschen hereinbricht. - Wer nur den Satz b bekennt, gerät in einen Naturpessimismus, der nur noch auf das kommende Chaos fixiert ist, unfähig, Gott im Blick auf seine Schöpfung zu loben.

Ein Jünger Jesu zeichnet sich nicht nur durch eine frohe Naturverbundenheit, sondern auch durch eine ernste Naturverantwortung aus. Meinen wir denn, dass das, was wir der Schöpfung Gottes gedankenlos Schlimmes antun, eine weniger schwerwiegende Sünde ist, als es Sünde im zwischenmenschlichen Bereich darstellt?

Ist vielleicht diese weithin unerkannte Schuld das große Hindernis, das eine Erweckung in der westlichen Wohlstandswelt verhindert? Findet der Geist Gottes etwa deshalb in weiten Teilen der dritten Welt bessere Voraussetzungen für sein Wirken? - Du magst dich oft und ernsthaft geprüft haben, ob sich Sünde in deinem Leben festgesetzt hat und Gott am Wirken hindert. - Hast du schon einmal deinen Umgang mit dem dir aus Gnaden geschenkten täglichen Brot, dem täglichen Wasser, der täglichen Luft überprüft? Wer sagt dir, dass ein leichtfertiger Umgang damit vor Gott leichter wiegt, als wenn du deinen Nächsten belügst oder bestiehlst? Und ist es denn nicht ein Diebstahl an der kommenden Generation, den wir begehen, wenn wir uns mutwillig oder leichtfertig an der Schöpfung Gottes vergreifen?

Sollten nicht gerade wir Christen, die ein erhebliches Teil der Schuld an dieser Entwicklung trifft, es sein, die sich heute, spät aber noch nicht zu spät, um neue Einstellungen, Wertmaßstäbe bemühen? Sollten wir uns nicht im Kleinen und wo wir die Einflussmöglichkeiten haben, auch im Großen, um angemessene, christliche Verhaltensweisen im Umgang mit der Schöpfung bemühen? Bringen wir doch der Buße würdige Früchte (Matthäus 3,8), d.h. ändern wir unser Verhalten, sodass wir uns auch der Schöpfung gegenüber als echte Jünger Jesu erweisen.

Die Umweltkrise wurzelt zum größten Teil in der Habgier der Menschen. Hier bestätigt sich wieder das alte und doch niemals veraltende Bibelwort: „Denn eine Wurzel alles Übels ist die Habgier.“ (1. Timotheus 6,10) Wohlgemerkt ist hier nicht die Rede von der Größe des Reichtums oder des Besitzes, sondern von der Begierde nach etwas, das man horten und hüten will. Das ist das Verkehrte, und das macht den Menschen verkehrt. (Lukas 12,34) Ein jeder prüfe sich selbst und tue Buße.

Die größte Gefahr, die uns heute im Zusammenhang unseres Themas droht, ist zweifellos die Stimmung der Resignation. Man zuckt in fatalistischer Tatenlosigkeit die Achseln: es nützt ja doch alles nichts, es ist schon viel zu spät, wir können den Strom des Verderbens nicht mehr aufhalten. Es kommt heute mehr denn je auf die Treue und auf den Einsatz eines jeden Einzelnen an. Deshalb ist die einzig angemessene Reaktion jedes Nachfolgers Jesu auf die Zerstörung der Erde durch den Menschen eine konsequente Buße als grundlegende Änderung des Lebensstils nach den Maßstäben Jesu.

Ökologie (d.h. die Lehre von den Beziehungen der Lebewesen zur Umwelt) ist für mich nur im Gesamtzusammenhang der ganzen Schöpfungswirklichkeit sinnvoll zu betreiben. In ihr steht nicht der Mensch, sondern der lebendige Gott im Mittelpunkt. Da die von Gott geschaffene Natur auf dem Spiel steht, sind wir auch unter diesen Gesichtspunkten zu rechter Haushalterschaft aufgerufen. Jeder kann und sollte sich überlegen, wie er die Umwelt weniger belastet.

Der rechte Umgang mit der Schöpfung

DER Schlüssel zum rechten Umgang mit der Schöpfung liefert uns die richtige Antwort auf die einfach erscheinende Frage: „Wem gehört die Erde?“ - In der Bibel finden wir überraschenderweise 2 Antworten. Eine steht in Psalm 24,1: „Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist“ und eine in Psalm 115,16: „Der Himmel gehört dem Herrn allein, doch die Erde hat er den Menschen anvertraut.“ Die biblische Antwort auf unsere Frage lautet also: „Die Erde gehört sowohl Gott als auch dem Menschen.“ Gott gehört sie, weil er sie erschaffen und bisher erhalten hat, uns Menschen gehört sie, weil er sie uns anvertraut hat. Das bedeutet natürlich nicht, dass Gott sie uns völlig ausgeliefert und alle eigenen Rechte und Herrschaftsansprüche aufgegeben hätte. Er hat den Menschen die Erde übergeben, damit wir sie stellvertretend für Ihn verwalten. Man könnte sagen: Wir haben die Erde zwar gepachtet, unser Eigentum ist sie jedoch nicht.

Aus dieser biblischen Antwort auf unsere Eingangsfrage ergeben sich eine ganze Menge wichtiger Konsequenzen. Wir wollen uns fragen: Wohin geht die Reise, wenn man diese Antwort ernst nimmt? - Wie sieht sachgemäßes "Verwalter-sein" aus? - Warum sollen wir uns noch für diese Welt einsetzen, wenn nach Aussage der Bibel ohnehin alles "den Bach runter geht"?

1. Der erschütterte Fortschrittsglaube

Der Fortschrittsglaube ist, obwohl schon stark erschüttert, für viele Menschen unserer Tage immer noch die Ersatzreligion Nr.1. Wie ist man überhaupt darauf verfallen? Drei Faktoren spielten bei der Entstehung des Fortschrittsglaubens eine entscheidende Rolle:

  1. Die Philosophie des deutschen Idealismus (Hegel), nach der sich "der absolute Geist im Bereich der Geschichte in aufsteigenden Stufen zu immer höherer Freiheit entfaltet". Obwohl man keineswegs das Leidvolle und Böse im Weltgeschehen übersah, war man doch der unbiblischen Meinung, dass alles Negative ein notwendiger Durchgang zu der jeweiligen nächst höheren Seinstufe sei.

  2. Der Darwinismus, welcher die unbiblische Auffassung vertritt, dass das erbitterte Ringen um einen Platz an der Sonne und an der Futterkrippe des Lebens zuletzt doch dazu beiträgt, dass sich die besten und stärksten Exemplare behaupten und dadurch die Voraussetzungen geschaffen werden zu immer reicheren Ausdrucksformen.

  3. Die scheinbar unbegrenzte Leistungsfähigkeit der modernen Technik trug das Ihre dazu bei, dem Menschen die Machbarkeit aller Dinge zu suggerieren. Er sieht sich immer häufiger in der Rolle des Schöpfergottes. Das „ihr werdet sein wie Gott“ scheint für viele Wirklichkeit geworden zu sein. Da Gott jedoch nicht abgedankt hat, kann der Mensch eine solche Haltung nur in Konkurrenz zu dem lebendigen Gott einnehmen. Der Leidtragende in solch einer Konstellation ist die gesamte Schöpfung.

Als Beispiel, welche Früchte dieser Fortschrittsglaube trug, zitiere ich aus einem Brief Alfred Nobels, dem Erfinder des Dynamits, an Bertha von Suttner, einer bekannten Pazifistin: "Verehrte Frau, meine Fabrik wird dem Krieg voraussichtlich früher ein Ende setzen als ihre Weltfriedenskongresse. Denn an dem Tag, da sich dank meiner Erfindung zwei Armeecorps gegenseitig in wenigen Stunden werden vernichten können, werden wohl alle zivilisierten Nationen davor zurückschrecken und ihre Truppen verabschieden." - Zwei Weltkriege haben uns eines Schlechteren belehrt.

Der Fortschrittsglaube ist scheinbar nicht tot zu kriegen. Das Dilemma unserer Tage lässt sich so beschreiben: Der technische Fortschritt und der sittliche Fortschritt in Form von Selbstbeherrschung, Rücksichtnahme, Verantwortung für die Mitmenschen und für das Ganze der Schöpfung haben nicht miteinander Schritt gehalten. Wird es der hinter der Entwicklung her hinkenden Gerechtigkeit und Liebe gelingen den rasanten Fortschritt auf allen anderen Gebieten einzuholen und zu zügeln?

2. Die verantwortliche Haushalterschaft

Die biblischen Aussagen zu diesem Thema lassen sich in drei Feststellungen zusammenfassen:

  1. Gott hat dem Menschen die Herrschaft über die Schöpfung übertragen. (1. Mose 1,26-28) Diesen Auftrag verdanken wir unserer einzigartigen Gottesbeziehung. Gott hat in seiner Schöpfung eine Ordnung festgelegt, in welcher der Mensch eine Stellung zwischen Gott und dem Rest der Schöpfung einnimmt. Abhängig von Gott und angewiesen auf ihn, wie die übrige Schöpfung, sind wir doch mit der Herrschaft über sie betraut. Im allgemeinen kann man sagen, hat der Mensch dem Gebot Gottes, die Erde zu füllen und sie sich untertan zu machen, Folge geleistet. Er hat die Erde erforscht und gestaltet und es kann m.E. keine Rede davon sein, dass der Mensch z.B. mit der Erforschung des Atoms oder des Weltalls die Grenzen seines ihm gesteckten göttlichen Auftrags überschritten hätte.

  2. Um richtig herrschen zu können, müssen wir aber mit Gott und mit der Natur zusammenarbeiten. Dieser Grundsatz sollte eigentlich jedermann einleuchten, denn bei jedem neu angeschafften Elektrogerät gehen wir in gleicher Weise vor: Wir lesen uns die Bedienungsanleitung durch und gebrauchen das Gerät dann in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die der Hersteller uns beschreibt und die dem Gerät entsprechen. Wenn wir das nicht beachten, geht das Gerät kaputt und man wird uns sagen, dass wir selbst daran schuld sind, es gibt keinen Ersatz. - Die Schöpfung wurde deshalb so zu Grunde gerichtet, weil man die Richtlinien Gottes in seinem Wort unbeachtet ließ und meinte, sich neue, eigene Richtlinien ausdenken zu können. Wir müssen wieder dahin kommen, demütig anzuerkennen, dass unsere Herrschaft über die Erde z.B. ganz und gar unfruchtbar wäre, wenn Gott die Erde nicht zuvor fruchtbar gemacht hätte und wenn er nicht auch weiterhin täglich "seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen ließe" (Matthäus 5,45). - Auch bei unserem Umgang mit den Tieren haben wir uns nach Gottes Maßstäben zu richten. Wussten wir, dass Gott nicht nur mit dem Menschen, sondern auch mit den Tieren einen Bund geschlossen hat (1. Mose 9,9-10)? Wussten wir, dass Gott sich nicht nur um das Wohlergehen der Menschen, sondern auch um das aller Tiere kümmert (1. Korinther 9,9 Ochs drischt; Matthäus 10,29 Spatz)? Wussten wir, dass Gott sich nicht nur darum kümmert, dass sich der Mensch nicht überarbeitet, sondern dass er auch nicht will, dass sich die Tiere überarbeiten (5. Mose 5,14)?

  3. Weil uns die Herrschaft über die Schöpfung von Gott übertragen wurde, sind wir ihm auch Rechenschaft schuldig. Jeder Mensch ist Nutznießer der Schöpfung, jeder gebraucht sie, jeder muss deshalb einmal Rechenschaft über seinen Gebrauch ablegen. Gott hat uns seine Schöpfung zwar anvertraut, doch hat er sich nie von seiner Verantwortung für sie losgesagt („seine Sonne“). Das ist wohl auch der Grund dafür, weshalb nicht einmal das Land Kanaan dem Volke Israel gehörte, sondern Gottes Eigentum blieb (3. Mose 25,23). Deshalb hat Gott es auch so eingerichtet, dass das Recht auf Eigentum stets der Fürsorgepflicht für die sozial Schwachen untergeordnet wurde (3. Mose 25,25f). Unser Herrschaftsauftrag wurde uns also zu dem Zweck übertragen, damit wir mit Gott zusammenarbeiten und den Ertrag der Erde mit anderen teilen.

Wir können mit der Schöpfung nicht machen, was wir wollen. Wir werden eines Tages Rechenschaft darüber ablegen müssen. (1. Korinther 4,2; Römer 14,12) Deshalb ist jeder zunächst für sich selbst verantwortlich, nicht für seinen Nächsten. Jeder ist für das verantwortlich, was er tun kann, nicht für das, was er nicht tun kann. Aber tun wir bereits, was wir tun könnten? (Markus 14,8) Welches Zeugnis legt unser Umgang mit der Schöpfung ab? Welches Licht fällt dadurch auf unsere Beziehung zum Schöpfer?

3. Die christliche Heilserwartung

Jeder, der die Bibel aufmerksam liest weiß: Der Sinn der Sendung Jesu war nicht fromme Seelenpflege. Der zentrale Inhalt der Verkündigung Jesu war die Botschaft von dem in seiner Person angebrochenen Reich Gottes, das auf eine neue Schöpfung hinzielt, in der Tränen, Leid, Ungerechtigkeit und Geschrei nicht mehr vorhanden sein werden. Wenn wir auch nicht Zeit und Stunde kennen, wann dies geschehen wird, sind wir aufgrund des von Gott in Jesus Christus gewirkten Anfangs aber gewiss: Gottes Reich kommt und löst die alte Schöpfung durch eine neue ab.

Gewiss, der säkulare Fortschrittsglaube erwartet auch eine neue, bessere, schönere Welt, doch bestehen fundamentale Unterschiede in der Überzeugung, WIE dieser Zustand erreicht werden könne. Im einen Fall wird alles Heil vom Einsatz menschlicher Leistung erwartet, im anderen Fall kommt das Heil durch die Machttat Gottes, der eine neue Welt schafft (Offenbarung 21,1f). Einmal wird das Heil für die Menschheit in einer kontinuierlich höher steigenden Evolution, die schließlich die vollkommene Welt hervorbringt, gesehen, - die prophetische Schau Jesu dagegen rechnet mit apokalyptischen Katastrophen und Gerichten, die dem weltenwendenden Umbruch vorangehen werden. Nicht nur das Gute wächst. Auch das Böse steigert sich und reift aus. Darum müssen Nachfolger Jesu damit rechnen, dass am Abend der Welt vor dem Anbruch des Reiches Gottes auf Erden, schlimme Zeiten auf sie zukommen werden.

Die Fragen, welche sich viele Christen angesichts dieser Fakten stellen, sind die: „Wozu sich noch für diese dem Untergang geweihte Welt einsetzen, wenn Gott ohnehin eine neue Welt schaffen wird und uns Glaubenden heute schon das Bürgertum in jener neuen Welt Gottes zu spricht?“ (Philipper 3,20) „Können wir denn mehr tun, als auf Jesus zu warten und in der Zwischenzeit zum Leiden bereit sein?“

Jesus sagte im Gleichnis: „Handelt, bis ich wiederkomme!“ (Lukas 19,13) Hier ist also das Gegenteil von "die Hände in den Schoß legen" gemeint. Resignierende Passivität ist eines Christen unwürdig. Wir sagen ja auch nicht: "Weil im zukünftigen Reich Gottes einmal alle Menschen gläubig sein werden, kümmern wir uns heute nicht mehr um die Bekehrung einzelner." Die Tatsache, dass Christus einmal eine neue Erde schaffen wird, gibt uns nicht das Recht, diese alte Erde kaputt zu machen. Wohl werden wir mit unseren Anstrengungen keine heile Welt schaffen, aber wir Christen sollen auch nicht die Totengräber der jetzigen sein. Als Menschen, die auf die Wiederkunft Jesu Christi warten, sind wir vorrangig dazu verpflichtet, unseren Zeitgenossen das neue Menschen schaffende Evangelium zu sagen (Römer 1,16-17).

Wir haben jedoch auch die Aufgabe uns den Mächten des Verderbens entgegen zuwerfen, indem wir für den Frieden in der Welt, für die Bewahrung der Schöpfung, für soziale Gerechtigkeit, für die Überwindung von Hunger, Krankheit und Elend in der Welt eintreten. Wir werden durch das alles die Welt nicht verwandeln. Aber wir können und sollen dadurch Zeichen der Erneuerung setzen, die auf den neuen Anfang Gottes hinweisen, der unter der Decke dieser alten Weltgestalt bereits begonnen hat.

Wir müssen beides durchhalten: den Dienst an der Menschheit, vor allem durch die Verkündigung des Evangeliums, sowie an der Schöpfung, durch angemessenen Umgang mit ihr, bei gleichzeitigem Wissen um die Vorläufigkeit all unseres Bemühens und die Fragwürdigkeit, die allem sogenannten Fortschritt innewohnt. Jeder von uns möge für die Bereiche Buße tun, bei deren Verwirklichung er noch hinter den Maßstäben Gottes zurückgeblieben ist.

Manfred Herold







Manfred Herold

13.03.1994 Lübeck

Manfred Herold