Die vollständige Erlösung

 

Gott verwirklicht Sein Rettungswerk bei niemandem in einem Augenblick, sondern Er hat mit jedem Menschen Seine kürzere oder längere Geschichte. Er schenkt Seinen Reichtum nicht auf einmal, sondern in Etappen. Er setzt einen Anfang, den manchmal nur Er kennt und dann folgt ein gemeinsamer Weg, der eines Tages am Ziel endet. Deshalb gibt es in der Bibel Aussagen, die uns gewisse Segnungen Gottes schon jetzt zusprechen und andere, welche dieselben Segnungen erst in Aussicht stellen. (Römer 5,1 sagt: „Wir haben Frieden!“ - Hebräer 12,14: „Jagt dem Frieden nach!“) Unser Heil in Christus Jesus wird nur dann richtig dargestellt, wenn man sowohl dessen „Schon jetzt“, als auch dessen „Noch nicht“ Aspekt ausgewogen betont.

Diese Spannung bereitet manchen Nachfolgern Jesu Mühe, andere vermuten in ihnen Widersprüche, manche beginnen sogar am Wort Gottes zu zweifeln. Ich hoffe, mit meinen Ausführungen heute an diesem Punkt helfen zu können. Diese Spannungen beschreiben das andauernde erzieherische Handeln Gottes im Leben Seiner Kinder.

So wird in der Bibel zum Ausdruck gebracht, dass etwas Göttliches in unserem Leben seinen Anfang genommen hat, die Vollendung aber noch aussteht. Wir leben also in einer „Zwischenzeit“, die manche Anfechtung mit sich bringt. - Wir wollen einige Beispiele genauer betrachten.

1. Die Gotteskindschaft

Das Neue Testament sagt, dass die an Jesus Christus Gläubigen bereits jetzt von Gott adoptiert, d.h. Gottes „geliebte Kinder“ (Epheser 5,1), „Kinder des Lichts“ sind (Epheser 5,8). - Bei Matthäus aber lesen wir in diesem Zusammenhang: „Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen“ (Matthäus 5,9 - Zukunft). Ebenso heißt es in 1. Johannes 3,2 (NGÜ): „Wir sind Gottes Kinder, wir sind es hier und heute. ´Und das ist erst der Anfang!` Was darin alles eingeschlossen ist, ist uns vorläufig noch nicht enthüllt. Doch eines wissen wir: Wenn Jesus in Seiner Herrlichkeit erscheint, werden wir Ihm gleich sein..“ Unserer Stellung (Stand) nach SIND wir bereits Kinder Gottes, deshalb soll sich unser Zustand unserer Stellung anpassen. Das ist nötig, denn wir sind jetzt noch nicht das, was Gott sich unter einem Kind Gottes vorstellt (Epheser 4,1)! Deshalb sollen wir jeden Tag Jesus ähnlicher werden! Diesen Vorgang nennt die Bibel „Heiligung“. Voll und ganz als Kinder Gottes erkennbar werden wir erst bei der Wiederkunft Jesu sein.

Ebenso verhält es sich mit dem Ewigen Leben: Das Ewige Leben ist per Definition das Leben des kommenden Zeitalters. - Der Apostel Johannes bekräftigt jedoch immer wieder, dass die Gläubigen schon jetzt das ewige Leben besitzen. „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben“ (Johannes 3,36; 5,24; 6,47+54; 1. Johannes 5,12-13).

Frage: Bin ich, wenn ich an Jesus glaube und Ihm gehorchen will, bereits ein Kind Gottes? - Darauf darf ich froh und gewiss mit „JA“ antworten. Dabei rechne ich stets damit, dass der Herr selbst in mir sowohl das rechte Wollen, als auch das Vollbringen wirkt (Philipper 2,13), sodass ich Jesus immer ähnlicher werde.

2. Die Errettung

In Epheser 2,5+8 heißt es klar: „Aus Gnade SEID ihr errettet … durch den Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es..“ Hier wird die Errettung als ein gegenwärtiger Besitz des Gläubigen beschrieben. - Zugleich aber sagt Jesus an anderer Stelle deutlich: „Wer aber ausharrt bis ans Ende, der WIRD gerettet werden.“ (Matthäus 10,22) - Widersprechen sich diese Aussagen? - NEIN!

Christen haben, als sie gläubig wurden, vom Vater die Gabe des Geistes als göttliches „Unterpfand“ (Epheser 1,13-14) erhalten. Mit „Unterpfand“ oder „Anzahlung“ war eine Vorauszahlung gemeint, durch die man sich zur vollständigen Vertragserfüllung verpflichtete. Wenn der Vater den Glaubenden also den Heiligen Geist als Anzahlung des zukünftigen Erbes gegeben hat, dann können wir sicher sein, dass Er Sein Versprechen auch einhält (2. Korinther 1,22; 5,5).

Deshalb übernimmt der Heilige Geist auch die Führung in unserer Lebensgestaltung. Er drängt uns dazu, unsere Dankbarkeit für die Vergebung unserer Schuld dadurch zu zeigen, dass wir durch Ihn die Macht, den Einfluss der Sünde in unserem alltäglichen Leben immer mehr zurückdrängen; denn auch das hat Jesus ermöglicht. Wir stumpfen nicht ab gegen unsere Sünden, sondern bekennen sie täglich und lassen uns reinigen (1. Johannes 1,7+9).

Die Frage: Bin ich, der ich an Jesus glaube, dem Vater im Himmel in diesem Augenblick so recht, wie ich bin? Bin ich gerecht vor Ihm? - Diese Fragen kann und soll der an Jesus Glaubende demütig aber gewiss bejahen! Es gibt für jeden an Jesus Glaubenden volle Heilsgewissheit, weil es Gott selbst in Seinem Wort verspricht.

3. Die Heilung

Besonders bei der Frage nach körperlicher und seelischer Heilung ist es wichtig, dass wir das „Schon jetzt“ und das „Noch nicht“ der biblischen Aussagen richtig unterscheiden lernen. - „Kann Jesus auch heute noch Krankheiten heilen?“ - JA! - „Warum tut Er es dann nicht? Er ist doch derselbe gestern, heute und morgen!“ - Nun, Er könnte es schon, aber liegt nicht in Seinem Plan.

Die „volle Erlösung“ hier und jetzt schon zu versprechen und damit Gesundheit und Wunder für den Normalfall eines Christen zu erklären, geht über die Verheißungen der Bibel hinaus. Römer 8,22-23 (NGÜ) sagt: „Wir wissen allerdings, dass die gesamte Schöpfung jetzt noch unter ihrem Zustand seufzt, als würde sie in Geburtswehen liegen. Und sogar wir, denen Gott doch bereits Seinen Geist gegeben hat, den ersten Teil des künftigen Erbes, sogar wir seufzen innerlich noch, weil die volle Verwirklichung dessen noch aussteht, wozu wir als Gottes Söhne und Töchter bestimmt sind: Wir warten darauf, dass auch unser Körper erlöst wird.“

Also, unsere Erlösung, Errettung wird so lange „unvollständig“ sein, bis wir am Jüngsten Tag unseren Auferstehungsleib erhalten. Vor jedem Unglück Bewahrung und bei jeder Krankheit sofortige Heilung zu erwarten, wäre genau so, wie wenn ich mir vornehme, solange zu beten, bis alle Waffen abgeschafft wurden. Ich könnte sagen: „Die Bibel verspricht solche Zeiten und Zustände (Jesaja 2,4), warum dann nicht schon heute, es ist doch so nötig!“ - Aber Gott hat für die volle Erfüllung Seiner Verheißungen Seine eigenen Zeiten und Absichten festgelegt.

Die bedrängenden Fragen: „Wie lange muss ich noch Schmerzen und Krankheit erleiden? Wann werde ich endlich davon befreit?“ beantwortet das Wort Gottes in Hebräer 10,35-37: „Gebt diesen Glaubensmut jetzt nicht auf! Er wird einmal reich belohnt werden. Ja, was ihr nötig habt, ist Standhaftigkeit. Denn wenn ihr unbeirrt Gottes Willen tut, werdet ihr einmal erhalten, was Er euch zugesagt hat. Wie heißt es in der Schrift?: Nur noch eine ganz kurze Zeit, dann wird der da sein, dessen Kommen angekündigt ist; Seine Ankunft wird sich nicht verzögern!“

4. Der Friede

„Da wir nun aus Glauben gerechtfertigt sind, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.“ (Römer 5,1) – Der Heilige Geist schenkt heute schon jedem Glaubenden Frieden mit Gott. Das sollte und kann bei jedem Christen starke emotionale und intellektuelle Wirkungen haben. Aber der vollkommene Friede Gottes wird erst auf der Neuen Erde des gro­ßen Friedefürsten Wirklichkeit. („Seine Herrschaft wird weit reichen, und des Friedens wird kein Ende sein..“ Jesaja 9,6)

Merken wir uns: Nur Gott bringt, schafft und erhält den vollkommenen Frieden, nicht der Mensch. Natürlich sind unsere Friedensbemühungen deshalb nicht sinnlos, sondern wir sollen als Mitarbeiter Gottes Seinen Frieden durch Seinen Heiligen Geist, der in uns und durch uns wirkt, schaffen. („Suche Frieden und jage ihm nach!“ Psalm 34,15; „Ist es möglich, soviel an euch liegt, so haltet mit allen Menschen Frieden.“ Römer 12,18; „Jagt nach dem Frieden mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird!“ Hebräer 12,14) Aber nur Gott wird zu Seiner Zeit ewigen Frieden schaffen.

Es macht keinen Sinn heute um sofortigen vollkommenen Frieden auf Erden zu bitten. Wir sollen uns heute um die vielen nötigen „kleinen Frieden“ zwischen uns, unseren Nachbarn, Freunden, Kollegen und wo es jemandes Berufung ist, auch um kommunalen, nationalen und internationalen Frieden bemühen.

Frage: Wann wird denn endlich Friede auf Erden einkehren? Worauf müssen wir warten? Erst wenn Gott allein die Anerkennung und Ehre zuteil wird, die Ihm gebührt, wird Friede auf Erden einkehren. (Lukas 2,14; Offenbarung 21,1-5) Wenn Gott völlige Gerechtigkeit hergestellt haben wird, wird völliger Friede einkehren. („Das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein und der Ertrag der Gerechtigkeit Ruhe und Sicherheit auf ewig.“ Jesaja 32,17)

5. Das Reich Gottes

Der souveräne Gott herrscht über alles zu jeder Zeit. Seine Leben schaffende und Leben erhaltende Herrschaft steht jedoch noch aus. Deshalb lehrt Jesus uns beten: „Dein Reich komme...“ (Matthäus 6,10)

Andererseits sagt Jesus: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Lukas 17,21) Damit bringt Er zum Ausdruck: „Wo Ich, der König bin, da ist das Reich Gottes!“ Da Jesus nach Seinem gegebenen Wort hier unter und in uns ist, sind wir ein Teil des Reiches Gottes. - Das Reich Gottes ist heute überall da, wo Jesus herrscht und regiert, d.h. in der Gemeinde der an Jesus Gläubigen, d.h. hoffentlich auch in deinem und meinem Leben. Jeder neue Gehorsamsschritt in meinem Leben lässt das Reich Gottes weiter wachsen.

Also: Obwohl das Reich Gottes schon gekommen ist, warten wir noch darauf, d.h. auf Seine Vollendung. (Matthäus 8,11; 26,29; Lukas 21,31; 22,16; 22,30) Wir sollen durch die Verkündigung des Evangeliums das Reich Gottes ebenso bauen, wie durch wachsenden fröhlichen Gehorsam in unserem eigenen Leben (Matthäus 6,33). Diese Erkenntnis soll uns dazu befähigen, nicht allen Segen, den Jesus uns erworben hat, in seinem vollen Umfang schon hier und heute zu erwarten, sondern geduldig Jesus nachzufolgen, bis Er wiederkommt.

6. Dazwischen: Wettkampf

Christi Erlösungswerk ist die objektive Grundlage, der Ausgangspunkt unserer Errettung, unser subjektives Ergreifen dieser Rettung wird mit den Bildern vom Wettlauf, Glaubenskampf, vom Ringen u.a. beschrieben. Dabei muss jedoch immer klar bleiben, dass das Tun der Glaubenden dem Rettungswerk Gottes nichts hinzufügt. Es soll nur deutlich werden, dass der Glaube nicht lediglich ein passives in Gott ruhen ist, sondern dass biblischer Glaube Ihn stets aktiv sucht, d.h. Werke des Gehorsams hervorbringt.

Also, ich glaube:

·    Weil ich von Jesus ergriffen wurde, deshalb ergreife ich… („..ich jage aber danach, dass ich das auch ergreife, wofür ich von Christus Jesus ergriffen worden bin.“ Philipper 3,12)

·    Weil Jesus mich vom Ziel her zieht, deshalb laufe ich. („..wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.“ Johannes 12,32)

·    Weil Jesus gesiegt hat, deshalb kämpfe ich Seine Nachhutgefechte. („..Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus!“ 1. Korinther 15,57)

·    Weil ich ein Kind Gottes bin, deshalb sehne ich mich nach Gemeinschaft mit dem Vater und den Geschwistern. („..Kinder, bleibt in ihm..“ 1. Johannes 2,28)

·    Weil ich erlöst bin, deshalb löse ich mich immer mehr von der Sünde in meinem Leben. („Lasst uns jede Last ablegen und die Sünde, die uns so leicht umstrickt, und lasst uns mit Ausdauer laufen in dem Kampf, der vor uns liegt..“ Hebräer 12,1)

Wir können die Wahrheit erkennen, aber wir können sie nicht vollkommen und fehlerlos erkennen, weil wir Sünder bleiben und es bringt uns keine Rolltreppe automatisch von unserer Bekehrung zu dem uns von Gott gesteckten Ziel. Jesus möchte, dass wir uns auf diesem Weg als Seine Mitarbeiter zeigen. Es gibt also kein statisches Ausharren, Verharren, Stehenbleiben in einem Christenleben, sondern wir sollen uns dynamisch vorwärtsbewegen auf das große Ziel, den großen Tag der Wiederkunft Jesu hin. Wir sollen im Vertrauen auf die uns durch den Heiligen Geistes gegebene Kraft laufen, kämpfen, dranbleiben!

 

 

Manfred Herold

Manfred Herold