Die zehn Gebote

Immer mehr Menschen denken mittlerweile in unserem Land, dass der Ehrliche der Dumme und der Lügner der Schlaue und Erfolgreiche ist. Wenn jedoch für rückständig gehalten wird, wer seine Steuererklärung exakt ausfällt und die Haftpflichtversicherung nicht zur Aufbesserung seines Familienbudgets nutzt, ‑ wenn also nicht mehr klar ist, was gut und böse ist, dann ist die Gesellschaft an ihren Wurzeln krank.

Weshalb wenden sich die Menschen in ihrer Orientierungslosigkeit nicht an Christen? Weil es auf dem Gebiet der Lebensgestaltung zwi­schen Christen und Nichtchristen häufig gar keinen Unterschied mehr gibt. Auch manche Christen arbeiten schwarz, auch Fromme betrügen das Finanzamt, auch Gemeindeglieder lügen, brechen die Ehe usw. Wir können Ratsuchenden nicht helfen, wenn wir selbst im Strom des Zeit­geistes mitschwimmen! Nur wer festen Boden unter den Füßen hat, kann anderen ans Ufer helfen.

Die meisten Menschen suchen heute ihren Weg zum Lebensglück im Alleingang. Andere machen aus der Not der Orientierungslosigkeit eine Tugend. Spaß scheint dabei der wichtigste Faktor der Lebensge­staltung zu sein. ‑ Wir brauchen verlässliche Werte und Normen. Deshalb ist es, wie ich finde, höchste Zeit, sich neu auf das bekannteste Ethikprogramm der Welt, die Zehn Gebote, zu besinnen.

1. Die Gebote Gottes sind...

... eine Hilfe zum Leben.

Die Gebote Gottes sind nach Aussage der Bibel "der Weg zum Le­ben" (Jeremia 21,8). Sie weisen uns auf Gott, sein Tun und seinen Willen hin und fordern uns dazu auf~ ihn durch praktischen Gehorsam zu eh­ren. Nur dadurch wird das Leben des Menschen sinnvoll.

Die Zehn Gebote sind der erste und grundlegende Teil des Geset­zes, das Gott gab. Durch diese Weisungen kann man die guten Ab­sichten Gottes kennen lernen, der will, dass Leben nicht zerstört oder eingeengt wird, sondern gelingt. Jedes Kind kann einsehen, dass die Einhaltung der Zehn Gebote die Menschheit wesentlich voranbringen würde.

Gottes Gebote haben Angebotscharakter. Gott zwingt niemanden, seinen Willen zu tun. Die Zehn Gebote sind Gebrauchsanweisungen zum Leben vergleichbar, die wir zu unserem eigenen Wohl beachten sollten. Tun wir das nicht, haben wir die Konsequenzen eines verfehl­ten Lebens selbst zu tragen. Wer diesen Kompass nicht beachtet, darf sich nicht wundem, wenn er sich verirrt. So gehören das Wort Gottes und die Verantwortung des Menschen untrennbar zusammen!

... ein Grund zur Freude.

Wir können uns freuen, dass Gott uns nicht ohne Gebrauchsanweisun­gen in dieses Leben schickt. Das wussten die Glaubenden aller Zeiten: Gott ist gut und seine Gebote sind Ausdruck seines guten Willens für die Menschen. Wer das einsieht, der wird den Wert der Gebote nicht nur mit Worten rühmen, sondern er wird vor allem anders leben.

So wird die Freude an den Zehn Geboten allein im Psalm 119 viel­fach zum Ausdruck gebracht: "Ich freue mich über deine Gebote wie über großen Reichtum. " (14) Deine Gesetze machen mich glücklich. " (16) Ich sehne mich sehr danach~ deine Weisungen noch besser kennen zu lernen.“ (20)

In den Geboten kommt der Wille Gottes zum Ausdruck, dass der Mensch ihm in moralischer Hinsicht gleich sein soll. Gott will durch die Erlösung in jedem Menschen sein zerstörtes Ebenbild wieder her­stellen. Also sind die Zehn Gebote für den Christen nicht nur eine Sum­me von Vorschriften, sondern ein Stück Abbild des Wesens Gottes selbst (Matthäus 5,48; 2. Korinther 3,18). Deshalb sind sie auch nicht relativ, zeit­ oder kulturbedingt, sondern absolut, vollkommen, unveränderlich und ewig.

... die Grenzen der Freiheit.

Gott gibt uns einen großen Freiraum zum Leben. Dieser wird durch die Grenzsteine seiner Gebote abgesteckt‑ Innerhalb dieses Lebens­raums können sich seine Menschen verantwortlich und frei bewegen. Außerhalb dieses Schutzraums nehmen sie Schaden.

Manche Menschen möchten am liebsten "grenzenlos" leben. Aber der Mensch braucht Grenzen. Sie sind ein Segen. Wer sich nicht abgrenzen kann, verliert seine Identität. Wer sich über Grenzen hinweg­setzt, der verletzt sich und andere. Wer z.B. die Fallgrenze bei den Niagarafällen ignoriert, ist unrettbar verloren. Wer den Grenzwert ei­ner Dosis Gift missachtet, kann zum (Selbst‑)Mörder werden.

Also: Gott ist beides wichtig, unsere Freiheit und unser Wohlerge­hen. Deshalb setzt er uns in seiner Liebe Grenzen, über die er nicht mit sich verhandeln lässt. Hier kann man Gott nur noch vertrauen und ihn als den Herrn des Lebens bekennen oder ihm das Vertrauen verwei­gern und sich von ihm abwenden. ‑ Du hast die Wahl!

2. Die Gebote Gottes gelten...

... dem Bundesvolk Israel.

Gott erwählte sich ein Volk, erlöste es aus Ägypten und schloss mit ihm einen Bund. Ausdruck der besonderen Zuwendung Gottes war der Dekalog (Zehn Gebote) und die Thora (das Gesetz, die Weisungen Gottes) verbunden mit der Zusage, dass Gott mit ihm sein würde.

Wir beachten: Die Zehn Gebote wurden dem Volk nicht gegeben, um ihm einen Weg zu zeigen, wie es mit Gott ins Reine kommen konnte, sondern sie wurden einem Volk gegeben, das bereits von Gott erlöst worden war. Es sollte durch das Gesetz unterwiesen werden, den Bund mit Gott einzuhalten und nicht aus der Gnade zu fallen.

Das Volk versprach damals: „Alles, was der ILERR gesagt hat wollen wir tun!" (2. Mose 19,8). Konkreter Ausdruck der Liebe des Volkes zu seinem Gott sollte das Halten dieser Gebote sein.

Gottes gute Gaben entfalten aber erst dann ihren wahren Reichtum, wenn sie mit anderen geteilt, d.h. wenn sie mitgeteilt werden. So soll­ten die anderen Völker an Israel sehen, wie gut Jahwe ist und wie wohltuend seine Ordnungen und Gebote sind.

... allen Menschen.

Deshalb sind alle Menschen gut beraten, wenn sie die Zehn Gebote zur Grundlage ihres Verhaltens machen. Sie stellen eine ethische Struktur für alle Menschen dar, die man nirgends ignorieren, verändern oder abschaffen kann, ohne dass dies tödliche Folgen für das Zusammenle­ben der Menschen hat. Hier zeigt sich der Schöpfer gleichzeitig als der Erhalter des Lebens.

Wer also z.B. für die Erhaltung der Umwelt eintritt, der muss an die Gebote Gottes erinnern. Man kann sich nicht für den Schutz von wandernden Kröten einsetzen und gleichzeitig den Schutz des ungebo­renen Kindes im Mutterleib ignorieren! Man kann nicht auf die Ver­schmutzung der Meere hinweisen und die Verschmutzung der Seele ignorieren. Andererseits kann man nicht nur das geistliche Leben för­dern, ohne die Verantwortung für die Geschöpflichkeit und die Ge­schöpfe wahrzunehmen.

Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, Gott ist nicht nur der Schöpfer und Erhalter der Welt und der Menschen, sondern auch ihr Erlöser und Vollender. Deshalb gelten die Gebote Gottes auch

... der christlichen Gemeinde.

Die Christen haben heute die Aufgabe, die Welt auf die guten Gebote und Ordnungen Gottes, die das Leben gelingen lassen, hinzuweisen. Für Christen werden die Gebote Gottes zu Angeboten des Aufer­standenen, die er selbst durch seinen Heiligen Geist in jedem Christen erfüllen möchte (Römer 8,3‑4). Das soll unser Leben deutlich machen!

Die Gemeinde hat deshalb auch den Auftrag, die Menschen an die Konsequenzen ihres Verhaltens zu erinnern und daran, dass die Sün­de den Menschen und sein Zusammenleben entstellt und letzten Endes zerstört. Die Begierde zerfrisst uns wie Krebs. Sie stiehlt Freude und Frieden. Sie nimmt unser Denken gefangen und erniedrigt es.

Zum Leben gehören aber auch Entbehrungen und Leiden. Deshalb werden Christen nicht versuchen, diese Dimensionen aus ihrem Dasein auszuklammern. Denn das rechte sittliche Verhalten muss sich ge­rade in solchen Herausforderungen erweisen. Menschen, die ihrem Gott vertrauen lernten, erhalten Kraft zum Verzicht, zum Tragen von Schwerem und zum geduldigen Aushalten. Glaube und ethische Ge­staltung des Lebens gehören untrennbar zusammen.

3. Die Gebote Gottes dienen...

... allen Menschen als Orientierungspunkte.

Das Gesetz Gottes wird in der Heiligen Schrift oft mit einem Licht verglichen (Psalm 119,105). Wie eine Straßenlaterne nur das Dunkel aber nicht die Fakten selbst beseitigt, so beseitigt Gottes Gesetz nicht das Böse, sondern nur die Illusionen darüber (z.B. dass es nicht so schlimm sei; Hauptsache es merkt keiner; 1. Timotheus 1,9‑10). Das Gesetz Gottes macht nicht aus bösen Menschen gute Menschen, aber es ist wie ein Damm, der die Mächte des Bösen in der Welt eindämmt, indem sie diese entlarvt.

Man könnte dies die politische Funktion der Gebote Gottes nen­nen. Durch moralische Maßstäbe wird eine Gesellschaft zusammenge­halten. Wo sie verschwinden, geht es mit einem Volk abwärts.

... den Menschen ohne Gott zur Erkenntnis ihrer Sünde.

Wir müssen uns darüber klar werden, was Gott mit den Zehn Geboten erreichen will. Wie das Licht im Waschraum enthüllen die Gebote Gottes die sittlichen Verunreinigungen des Menschen (Römer 7,7). ,Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde." (Römer 3,20) Wenn ich nicht glaube, dass ich schmutzig bin, werde ich mich nicht reinigen wollen. Wenn ich nicht glaube, dass ich verloren bin, werde ich mir auch keinen Retter wünschen. Nur wenn ich weiß, dass ich völ­lig verdreckt bin und unfähig zu tun, was ich soll, werde ich nach ei­nem Heiland Ausschau halten. Das ist die "Erziehungsarbeit" des Ge­setzes, die uns Christus in die Arme treiben soll (Galater 3,24).

Das Gesetz war niemals dazu bestimmt, Menschen gerecht zu machen. Es gibt zwar Abschnitte im Alten und Neuen Testament, die so klingen, aber Jesus lehrte eindeutig, dass niemand gut ist außer Gott (Mk.10,18) und dass selbst der Beste von Gott wiedergeboren werden muss (Johannes 3,1‑7) und aus Gnade durch den Glauben gerettet wird (Verse 14‑16). Es wird nicht der gerechtfertigt, der für sich in An­spruch nimmt, das Gesetz erfüllt zu haben, sondern nur derjenige, der bereit ist, Buße zu tun (Lukas 18,14). Die Gebote sollen die Menschen in die Arme Christi treiben (Galater 3,24), der allein bisheriges Versagen vergeben und durch seinen Heiligen Geist bewirken kann, dass endlich das getan wird, was recht ist.

... den Christen als Zielpunkt ihres Lebens.

Für den Christen hat das Gesetz eine ganz andere Funktion. Er be­greift, dass die Gebote Ausdruck der Liebe Gottes sind. Liebe, die möchte, dass unser Leben gelingt, die uns echten Grund zur Freude bietet, die uns vor gefährlichen Grenzüberschreitungen warnt. Liebe, die uns Orientierungspunkte gibt, uns unseren wahren Zustand und den Weg zum einzigen Retter Jesus Christus zeigt.

Der so liebt, möchte uns eine Gegenliebe schenken, die den Wunsch entwickelt, Jesus ähnlicher zu werden, d.h. seine Gebote zu halten. " Wenn ihr mich lieb4 so werdet ihr meine Gebote haken. " (Johannes 14,15) Deshalb wird sich jedes Christenleben stets im Rahmen der Gebote Gottes entfalten. Jetzt können wir den Willen Gottes tun, wie es das Gesetz schon immer von uns verlangt hat; denn jetzt be­stimmt Gottes Geist und nicht mehr die sündige menschliche Natur unser Leben. " (Römer 8,4) "Bleibt niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch gegenseitig Hebt! Wer nämlich den anderen liebt der hat das Gesetz erfüllt ... deshalb ist die Liebe des Gesetzes Erfüllung." (Römer 13,8+ 10)

Kein Mensch kann aus eigener Kraft die Zehn Gebote halten. Kein Mensch hat von Natur aus Liebe zu Gott und Liebe zu anderen Men­schen. Wer jedoch von Jesus Christus Vergebung empfangen hat und die "Liebe Gottes ins Herz gegossen" (Römer 5,5) bekam, der wird die­se Liebe nicht irgendwie zum Ausdruck bringen, sondern so, wie Gott es möchte, nämlich im Rahmen seiner Gebote.

Manfred Herold

Manfred Herold