Eine Gewinn-und-Verlust-Rechnung

Andauernd werden in unseren Tagen Gewinn-und-Verlust-Rechnungen aufgestellt. Das sollten wir auch in unserem Christenleben tun. Denn schon der Apostel Paulus mahnte die Korinther: „Prüft euch selbst, ob ihr im Glauben seid; stellt euch selbst auf die Probe!“ (2. Korinther 13,5) Und die Gewinn-und-Verlust-Rechnung des Paulus können wir gut als Muster für unsere eigene Selbstprüfung nehmen.

Wir finden sie in Philipper 3,7-8: „Aber das, was ich (früher) für Gewinn (oder: Vorzüge) hielt, das habe ich um Christi willen für Verlust (oder: Schaden) zu achten gelernt. Ja, ich achte auch wirklich alles für Verlust gegenüber der unendlich wertvolleren Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles für Verlust erachtet (eingebüßt) habe und ich halte es für Dreck, damit ich Christus gewinne..“ Paulus spricht hier wie ein Buchhalter von Gewinn und Verlust. Es ereignete sich etwas in seinem Leben, das ihn erkennen ließ, dass seine bisher geübte „Gewinn-und-Verlust-Rechnung“ total falsch war.

1. Was war Paulus wichtig?

Aber das, was ich (früher) für Gewinn (oder: Vorzüge) hielt..“ (Philipper 3,7a)

Paulus nennt in den Versen 5-6 sieben Eigenschaften, die er früher für Gewinn, für einen Vorteil hielt. Hier wird alles genannt, worauf ein frommer Jude stolz war und womit er rechnete. Paulus macht hier nicht irgendwelche Dinge madig, die er nicht kennt und hat. Ihn plagt nicht der „Neid der Besitzlosen“. Er vergleicht seine „Vorzüge“ nicht mit denen anderer, sondern er zählt sie nur auf, um die Größe und Herrlichkeit Jesu Christi, um dessentwillen er all dem abgesagt hat (Vers 7), herauszustellen und zu unterstreichen.

Zuerst nennt er 4 Dinge, die ihm durch Geburt und Abstammung zu gute kamen:

1. „Beschnitten am 8. Tage“ - Ein Proselyt (jemand der zum Judentum übertrat) konnte sich jederzeit beschneiden lassen, gleichgültig, wie alt er war. - Juden mussten am 8. Tag beschnitten werden (1. Mose 17,12). Paulus war ein echter Jude und kein Proselyt.

2. „Volk Israel“ - Wenn Juden die einzigartige Beziehung betonen wollten, die sie zu Gott hatten, bedienten sie sich des Namens „Israeliten“. - Paulus unterstreicht so die absolute Reinheit seines Geschlechts und seiner Abstammung (Römer 9,4-5).

3. „Stamm Benjamin“ - Benjamin war Sohn der Lieblingsfrau Jakobs und als einziges Kind Jakobs im Land der Verheißung geboren. Er galt als ein bevorzugter Stamm. Jerusalem lag auf dem Gebiet Benjamins. Benjamin war der einzige Stamm, der Juda und dem Haus Davids die Treue hielt, als die anderen Stämme abfielen. Paulus gehörte also zur Elite des Volkes.

4. „Hebräer von Hebräern“ - Viele Juden in der Diaspora, vergaßen ihre Sprache. „Hebräer“ wurden solche genannt, die freiwillig, oft unter erheblichen Anstrengungen an der hebräischen Sprache festhielten. Das brachte eine besondere Treue dem mosaischen Gesetz gegenüber zum Ausdruck. Sowohl Paulus als auch seine Eltern waren solche „Hebräer“.

Danach nennt Paulus 3 Vorzüge, die er durch eigene Anstrengungen erworben hatte:

5. „Nach dem Gesetz ein Pharisäer“ - Paulus gehörte zur strengsten Gruppe des damaligen Judentums, den Pharisäern (= die „Abgesonderten“, Apostelgeschichte 26,5). Er hatte bei dem berühmten Pharisäer Gamaliel in Jerusalem studiert (Apostelgeschichte 5,34; 22,3). Die Pharisäer bildeten die religiöse Elite des Judentums.

6. „Nach dem Eifer ein Verfolger der Gemeinde“ – Galater 1,13-14; 1. Korinther 15,9; Apostelgeschichte 26,10-11 Er trat nicht nur theoretisch für das Judentum ein, sondern er war von leidenschaftlichem Eifer erfüllt. Obwohl er mehrere Gemeinden verfolgt hatte, standen sie doch repräsentativ für alle, d.h. für den LEIB CHRISTI und indem er sich gegen die Gemeinde stellte, stellte er sich gegen Christus (Apostelgeschichte 9,4).

7. „Nach der Gerechtigkeit im Gesetz geworden untadelig“ - Der griechische Wortlaut deutet an, dass es keine Gesetzesvorschrift gab, die er nicht befolgt hätte. In den Augen der Menschen war er tadellos. (Lukas 1,6; Markus 10,20). Vielleicht ist diese Gerechtigkeit in den Augen eines moralisch denkenden Menschen das höchste seiner Verdienste. Man könnte ihn bewundern. Aber Gott sah das alles ganz anders (Römer 3,23).

Paulus sprach eindeutig von einem „einst“ und einem „jetzt“. Er beteuerte nicht, dass früher alles besser war, sondern im Gegenteil: was er früher als Gewinn, als Vorzug ansah, stellte sich als Verlust heraus.

Das kleine Wörtchen „aber“ muss uns, wenn wir diesen Abschnitt betrachten, hellwach machen. Hier bahnt sich eine Kehrtwendung an: Weg von religiösen Leistungen hin zu einer Person: Jesus!

2. Wer wurde Paulus wichtig?

...das habe ich um Christi willen für Verlust (oder: Schaden) zu achten gelernt.“ (Philipper 3,7b)

Was hatte seine bisherige „Gewinn und Verlust Rechnung“ so total verändert? Seine Begegnung mit und seine Bekehrung zu Jesus Christus; die Erkenntnis der Errettung aus Gnade allein durch den Glauben an Jesus Christus.

In der Regel sprechen wir von der „Bekehrung eines Sünders“ zu Gott. Hier wird jedoch von der „Bekehrung eines Gerechten“ gesprochen. Denn obwohl Paulus das göttliche Gesetz so ernst nahm, dass er es nach menschlichen Maßstäben unsträflich hielt, erkannte er vor Damaskus: Mir fehlt das Wesentlichste - Jesus der Christus! Ihm wurde klar: Ohne Jesus ist meine ganze Gesetzestreue und Wohlanständigkeit absolut nichts wert. Obwohl er ein solch angesehener, frommer Mann war, hatte er eine Bekehrung, d.h. eine Hinwendung zu Jesus Christus nötig.

Als er die Stimme des Herrn Jesus hörte, hielt es ihn nicht mehr auf dem hohen Ross seiner Selbstgerechtigkeit. Das passiert noch heute: Die Jesus-Erkenntnis führt Menschen zur Sündenerkenntnis und Selbsterkenntnis und die treibt jene, die das Evangelium hören, in die Arme Jesu.

Paulus wurde klar, dass Jesus tatsächlich der verheißene Messias, der Christus, war. Somit war sein ganzer bisheriger Weg, sein Streben, Wünschen und Wollen verkehrt gewesen. Denn, weil ihn dieser Weg jüdischer Gesetzesfrömmigkeit in die Feindschaft gegen Gott und Seinen Christus geführt hatte, dann musste er nicht nur einen Fehler haben, sondern wesensmäßig falsch sein.

Auffällig ist, dass Paulus seine früheren „Gewinne“ nicht nur für wertlos oder unnütz hielt, sondern sogar für „Schaden“ oder „Verlust“. Warum kam er zu dieser neuen Beurteilung seiner Lage? Wie kann etwas, was gar keine Sünde ist, dennoch „Schaden“ oder „Verlust“ sein? Er hatte sich aufgrund dieser seiner „Vorzüge“ eingebildet, mit ihm sei alles in Ordnung und er habe Jesus und Seine Erlösung nicht nötig.

Wir sehen: Nicht nur unsere Sünden, sondern auch unsere „guten Seiten“ können uns schaden, wenn sie uns von Jesus abhalten oder Jesu Bedeutung für uns schmälern. Gerade ihre „Stärken“ hindern viele Menschen, sich zu Jesus zu bekehren. Auch Christen können ihre Stärken und Begabungen zu einem Ruhekissen werden, auf dem sie sich ausruhen und es versäumen, in eine engere Gemeinschaft mit Christus vorzustoßen.

Die aufgezählten Dinge sind ja nicht an und für sich Sünde, oder ein Schade, sondern werden es erst, wenn sich der Mensch darauf verlässt und sie ihn hindern, nach Jesus zu fragen und sich IHM anzuvertrauen. So war es bei Paulus gewesen, deshalb waren sie für ihn ein „Schade“ geworden.

Paulus gab, als er die Herrlichkeit der Liebe, die Gnade und das Erbarmen Jesu Christi erkannte, alles, worauf er bisher stolz war, freiwillig und gern für diesen Herrn und Meister dran (Matthäus 13,44-46).

Warum kann ein „Sich-auf-seine-Bekehrung-berufen“ ähnlich gefährlich sein, wie die Berufung Pauli auf seine eigene Gerechtigkeit? - Was hält mich von einer engeren Gemeinschaft mit Jesus Christus ab?

3. Wie wurde Jesus für Paulus so überragend wichtig?

Ja, ich achte auch wirklich alles für Verlust um des unüberbietbaren (Wertes) willen der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles für Verlust erachtet (eingebüßt) habe und ich halte es für Dreck, damit ich Christus gewinne..“ (Philipper 3,8)

Was er einmal gelernt hatte, das bestimmte nun sein Leben. Er hat es nie wieder vergessen, sondern er ist beständig dabei das alles auszuleben und in seinem Leben anzuwenden.

Die Veränderung erkennen wir in der Beziehung von Vers 7 zu 8. In Vers 7 spricht Paulus in der Vergangenheitsform: Er hat die in den Versen 5-6 aufgeführten Vorzüge für Verlust, Schaden zu achten gelernt. In Vers 8 spricht er in der Gegenwartsform: Er achtet ALLES für Verlust, Schaden gegenüber der Größe, Herrlichkeit und Schönheit Jesu! Er wendet also das Gelernte im Alltag an.

Viele Christen tun das leider nicht: Sie geben sich keine Mühe das Evangelium zu lernen und dann können sie es auch nicht anwenden. Oder sie haben einmal das Evangelium gelernt und vergessen es dann anzuwenden. Oder sie möchten das Evangelium anwenden, ohne es gelernt zu haben. Es müssen auf Grund des Gelernten gute Gewohnheiten ausgebildet werden. Es geht also um anhaltendes lernen und einüben:

Jesus war sein größter Schatz geworden. Deshalb war er bereit, sich von allem anderen zu trennen. Er wollte Jesus immer besser kennenlernen, d.h. für Paulus: Jesus immer mehr zu „gewinnen“! Alles: sein Ansehen, seinen Wohlstand, Bequemlichkeit, Freunde, römisches Bürgerrecht, Zukunftsaussichten, Karriere, seine Berufung zum Apostel, seine Visionen war er bereit aufzugeben.

Nehmen wir an, jemand gewinnt ein großes, schönes Landgut; dann wird er, wenn er es mit der Zeit besser kennen lernt, herausfinden, dass das Landgut viele andere „Schätze“ enthält, die er am Anfang gar nicht vermutete; die er bis zu ihrer Entdeckung noch gar nicht kannte, obwohl sie schon sein rechtmäßiges Eigentum waren. Immer neue „Gewinne“ kommen zum Vorschein. Da ist nicht nur das Wohnhaus, das zunächst seinen Blick völlig gefangen nimmt; es gibt auch schöne Gärten, einen hübschen Park und eine Menge anderer Dinge, die er aber erst dann zu würdigen und recht zu nutzen weiß, wenn er diese „Gewinne“ kennen gelernt hat. -- Das ist in Bezug auf Jesus ein niemals abgeschlossener, sondern ein bis in die Ewigkeiten hinein fortdauernder Prozess.

Paulus ist in seiner Jesusnachfolge also nicht etwa „nüchterner“, „weitherziger“ oder „toleranter“ (was zumeist heißt: träger, lauer, weltlicher) geworden, sondern eher noch radikaler und das nicht als finsterer Fanatiker, sondern als einer, der Jesus über alles liebte. Und weil es so war, hatte das zur Folge, dass er Dinge, die er früher für Gewinn hielt, jetzt als Dreck ansah. „Dreck“ - Paulus gebraucht hier den stärksten Ausdruck seiner Zeit (heute nur mit „Sch..“ wiederzugeben), um seine ganze Abscheu und Geringschätzung zum Ausdruck zu bringen. Er hatte es gelernt: Was früher Gewinn war, ist jetzt Dreck!

Also: Wenn sogar Paulus davon spricht, dass er Christus „gewinnen“ will, wie viel mehr haben wir diese Einstellung nötig. Von Paulus würden wir erwarten, dass er Jesus bereits umfassend kannte und dennoch spricht er davon als von einer noch in der Zukunft zu leistenden Bemühung. - Ist uns das schon klar geworden, dass der unerforschliche Reichtum des Christus einen solchen Wert, eine solche Bedeutung hat, dass daneben alles andere nicht mehr zählt? Seine Wünsche und Vorlieben sind durch die überragende Schönheit und den Wert Christi so verändert worden, dass nichts für ihn begehrenswerter ist als Christus.

Einige Fragen: Ist deine LIEBE und TREUE zu Jesus und Seiner Gemeinde in letzter Zeit gewachsen oder geringer geworden? - Ist dein EIFER, deine HINGABE, deine EINSATZBEREITSCHAFT gewachsen oder geringer geworden? - Hat Christus für dich einen solchen Wert, dass alles andere daneben verblasst? Überprüfe deine Gewinn- und Verlustrechnung! - Amen



Manfred Herold


Manfred Herold