Israels bleibende Vorzüge

Israel ist ein besonderes Volk. Es ist Gottes Eigentumsvolk. Aber dazu macht es nicht allein seine physische Existenz, sondern sein Vertrauen und sein Gehorsam Gott gegenüber. An der Person Abrahams machte Gott dies exemplarisch deutlich.

Als Gott Abraham versprach: „Ich will dich zu einem großen Volke machen und will dich segnen und deinen Namen groß (berühmt) machen, und du sollst ein Segen werden. Ich will die segnen, die dich segnen, und wer dich verflucht, den will ich verfluchen; und in dir sollen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden.“ (1. Mose 12,2-3) hatte Er bereits die ganze Menschheit im Auge, die Er segnen wollte, wenn sie den Weg Abrahams – im Glauben zu leben - gehen würde.

Was war das Besondere, das Einzigartige an Abraham? Sein Glaube (Galater 3,7). Allein auf diesem Hintergrund sind auch die bleibenden Vorzüge Israels zu verstehen.

1. Vorzug: Israel bleibt der Wurzelstock aller Glaubenden.

Römer 11,17-20a: „ Nun wurden aber einige dieser Zweige ausgebrochen, und unter die ´übrig gebliebenen` Zweige bist du, ´der Zweig` eines wilden Ölbaums, eingepfropft worden und wirst jetzt wie sie vom Saft aus der Wurzel des edlen Ölbaums genährt. Doch das ist kein Grund, verächtlich auf die anderen Zweige herabzusehen. Wenn du meinst, du hättest das Recht dazu, ´dann lass dir gesagt sein`: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich. »Aber«, entgegnest du vielleicht, »damit ich eingepfropft werden konnte, sind andere Zweige ausgebrochen worden!« Einverstanden. Aber dass sie ausgebrochen wurden, lag an ihrem Unglauben, und dass du da stehst, wo du stehst, liegt an deinem Glauben.“ - Israel wird im Alten Testament (Jeremia 11,16) mit einem Ölbaum verglichen. Oliven waren in der Antike eine wertvolle Ware. Da Ölbäume sehr alt wurden, hörten einzelne Zweige manchmal auf, Frucht zu tragen. Dann wurden diese Zweige ausgeschnitten und Zweige von jüngeren Bäumen eingepfropft, so dass dadurch die Fruchtbarkeit wieder gesteigert wurde.

Paulus sagt hier, dass alte, fruchtlose Zweige (Israels) herausgebrochen und Zweige eines wilden Ölbaums (Heidenchristen) in den immer noch lebendigen Wurzelstock Israels eingepfropft werden.

Wir betrachten zuerst die ernste Wahrheit: Ungläubige, d.h. nicht an Jesus als den Messias glaubende Juden wurden und werden aus dem Ölbaum ausgebrochen. Der einzige Grund, weshalb Juden jemals aus dem geistlichen Ölbaum des Gottesvolkes ausgeschnitten wurden und werden, war und ist ihr Unglaube. Das wird durch das ganze Alte Testament hindurch betont. Israel war in seiner Gesamtheit nie das gläubige und gehorsame Volk Gottes! Es war immer nur eine kleine Minderheit des Volkes Israel, die Gott glaubte und vertraute.

Zum Beispiel: Von der ganzen Generation, die durch das Blut des Lammes aus Ägypten herausgeführt, d.h. erlöst wurde, erreichten nur 2 Personen (Josua und Kaleb) das verheißene Land. Alle anderen kamen in der Wüste um. Weshalb? „Wir sehen also, dass sie wegen ihres Unglaubens seine Ruhe nicht finden konnten.“ (Hebräer 3,19) „Sie verachteten das köstliche Land, glaubten nicht seinem Wort.“ (Psalm 106,24)

Nur Glaubende bekamen und bekommen Anteil am Segen Abrahams. „Einzig Kaleb, der Sohn Jefunnes, des Kenasiters, und Josua, der Sohn Nuns, denn sie sind dem HERRN treu nachgefolgt.“ (4. Mose 32,12) „Aber meinen Knecht Kaleb - weil ein anderer Geist in ihm war und er Mir völlig nachgefolgt ist -, ihn werde Ich in das Land bringen, in das er hineingegangen ist; und seine Nachkommen sollen es besitzen. (4. Mose 14,24)

Unter Josua machte Israel einen guten Anfang. Aber sehr bald wurde deutlich, dass Israel nicht das ganze ihm von Gott geschenkte Land einnahm, sondern falsche und gefährliche Kompromisse mit den Bewohnern des Landes einging. Zur Zeit der Richter wurden sie Fremdlinge im eigenen Land.

Was war die Ursache für diesen Verfall: Ihr Unglaube! „Wie lange seid ihr so lässig, dass ihr nicht hingeht, um das Land einzunehmen, das euch der HERR, der Gott eurer Väter, gegeben hat?“ (Josua 18,3) - Zu jener Zeit waren es in der Regel nur noch einzelne Personen, die sich in ihrer Glaubenshaltung als wahre Nachkommen Abrahams erwiesen und durch die Gott machtvoll wirken konnte. Sie waren Zweige, die der Wurzelstock Abrahams hervor brachte.

Zur Zeit der Könige Israels war es nicht anders. Als Elia befürchtete: „Ich allein bin übrig geblieben!“ (1. Könige 19,10+14) antwortete ihm Gott in Vers 18: „Ich aber habe in Israel siebentausend übrig bleiben lassen, nämlich alle, die ihre Knie nicht gebeugt haben vor Baal und deren Mund ihn nicht geküsst hat!“ Der Herr betonte ausdrücklich, dass Ihm noch andere im Glauben und Gehorsam dienten.

Als Jesus in Israel auftrat hieß es in Johannes 1,11-13 von Ihm: „Er kam in Sein Eigentum, und die Seinen nahmen Ihn nicht auf. Allen aber, die Ihn aufnahmen, denen gab Er das Anrecht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an Seinen Namen glauben; die nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ Er suchte die wahren Israeliten, die Ihm vertrauen und gehorchen würden (Johannes 1,47). Denn obwohl die Juden durch ihre physische Abstammung in das Volk Gottes hinein geboren waren, machte sie das allein noch nicht zu Gottes Kindern, d.h. zu an Jesus glaubenden Nachfahren Abrahams.

Die Beziehung der Gemeinde Jesu zu Israel ist demnach folgende: Wir, die wir ein „wilder Ölbaum“, d.h. ein Baum ohne Früchte bzw. mit bitteren, schädlichen, ungenießbaren Früchten waren, sind in den edlen „Ölbaum“ Israel eingepfropft worden und bringen jetzt gute Früchte, weil wir teilhaben an der „Fettigkeit der Wurzel des Ölbaumes“. Das meint, dass durch die Nährstoffe, welche die Wurzeln aufnehmen und den Zweigen zuführen, die fettreichen, ölhaltigen Früchte erst möglich werden. Wir leben als Christen aus den Wurzeln Israels und sollen es deshalb schätzen und schützen.

Gehörst du schon zu diesen wahren Nachkommen Abrahams? Vertraust du Jesus bereits von ganzem Herzen? Ist das die Grundhaltung deines Lebens geworden? Ist Jesus dein größter Schatz?

2. Vorzug: Israel besteht allein durch den Glauben.

Römer 11,20b-21: „Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich! Denn wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat, könnte es sonst geschehen, dass er auch dich nicht verschont.“ – Das wahre Israel konstituiert sich allein durch seinen Glauben. Andererseits heißt das: Das natürliche, ethnische Israel ist nicht das wahre, geistliche Israel. Paulus bestätigt das: „Denn nicht alle, die von Israel abstammen, sind Israel (d.h. das wahre, eigentliche Israel) auch sind nicht alle, weil sie Abrahams Nachkommen sind, Kinder, sondern »in Isaak soll dir ein Nachkomme berufen werden«. Das heißt: Nicht die Kinder des Fleisches sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung werden als Nachkommen gerechnet.“ (Römer 9,6-8)

Auch Jesus wies immer wieder mit Nachdruck darauf hin: „Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so würdet ihr die Werke Abrahams tun.“ Und das herausragende „Werk“ Abrahams war sein Glaube. (Römer 4,3-5) „Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den Er gesandt hat.“ (Johannes 6,29)

Das war bereits die Botschaft der alttestamentlichen Propheten: „Glaubt ihr nicht, dann bleibt ihr nicht!“ (Jesaja 7,9) Und in gleicher Weise spricht Paulus zur Gemeinde Christi: „Auch euch, die ihr einst (Gott-)entfremdet und feindlichen Sinnes in euren bösen Werken wart, jetzt aber hat Er euch in Seinem Leib durch Seinen Tod versöhnt, um euch als heilig, untadelig und unanklagbar vor Ihm (d.h. vor Gottes Angesicht) darzustellen, sofern ihr im Glauben fest gegründet und unerschütterlich beharrt und euch nicht von der Hoffnung abbringen lasst, die in der Heilsbotschaft beschlossen liegt.“ (Kolosser 1,21-23) „Wer bis ans Ende (im Glauben) ausharrt, der wird gerettet werden.“ (Matthäus 24,13)

Sei also nicht stolz, sondern fürchte dich davor, dass es dir ebenso ergehen könnte!“ Der Hauptgrund, weshalb Israel ausgebrochen wurde war die stolze Selbstsicherheit, welche sie die Gabe der geschenkten Gottesgerechtigkeit gering achten und ablehnen ließ.

So musste Jesus in Matthäus 8,10f in Bezug auf den römischen Hauptmann feststellen: „Wahrlich, ich sage euch: Einen so großen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden! Ich sage euch aber: Viele werden kommen vom Osten und vom Westen und werden im Reich der Himmel mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tisch sitzen, aber die Kinder des Reiches werden in die äußerste Finsternis hinausgeworfen werden; dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.“ Matthäus macht hier klar, dass die Mehrheit der Israeliten Gottes ewiges Gericht erwartet, weil sie nicht an Jesus glauben, sondern Ihn zurückwiesen und immer noch zurückweisen. Hier deutet Matthäus an, dass Israel als Volk im Himmelreich von einem Volk, dem Gott das Herz erneuern konnte und das Ihn wirklich liebt, ersetzt werden wird.

Das spricht sehr deutlich in unsere Situation: Die Überheblichkeit und dieser Stolz tritt uns heute im Raum der Gemeinde sehr subtil entgegen. Zum Beispiel in der Gleichgültigkeit gegenüber dem Alten Testament oder in der oberflächlichen Aussage, die Geschichten des Alten Testaments seien ja doch zum großen Teil ungenießbar. - Kann ein Christ so über seine Wurzeln, über die Bibel Jesu reden? - Denken wir an die maßlose Kritik am heutigen Israel, an die Gleichgültigkeit vieler Christen gegenüber dem Existenzkampf dieses Volkes! Paulus tritt dem allem entschlossen entgegen. Es ist schon richtig: Viele Zweige aus Israel, d.h. diejenigen, die nicht an Jesus als den Messias glaubten, wurden wegen ihres Unglaubens ausgebrochen, du aber stehst nur fest im andauernden, fortwährenden Glauben an den Herrn Jesus Christus! „Deshalb seid vorsichtig! Gerade wenn jemand denkt: „So etwas kann mir doch nicht passieren!“, muss er besonders aufpassen, dass er nicht fällt.“ (1. Korinther 10,12) Ebenso unsinnig ist es auf der anderen Seite, wenn Christen meinen durch einen Übertritt zum Judentum oder der Auswanderung nach Israel ihr geistliches Leben bereichern zu können.

Der Glaubende steht eben nur dann fest, wenn er die Überheblichkeit und den Stolz immer wieder ablegt, in demütigem Empfangen lebt und sich vor Gott in rechter Weise fürchtet (Römer 3,18; Philipper 2,12). Bilden wir uns ein, Gott würde uns verschonen, wenn Er noch nicht einmal die natürlichen Zweige verschont hat? Deshalb fürchte dich!

3. Vorzug: Israel bleibt eine ernste Mahnung für Glaubende.

So sieh nun die Güte und die Strenge Gottes; die Strenge gegen die, welche gefallen sind; die Güte aber gegen dich, sofern du bei der Güte bleibst; sonst wirst auch du abgehauen werden! Jene dagegen, wenn sie nicht im Unglauben verharren, werden wieder eingepfropft werden; denn Gott vermag sie wohl wieder einzupfropfen. Denn wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum herausgeschnitten und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist, wie viel eher können diese, die natürlichen [Zweige], wieder in ihren eigenen Ölbaum eingepfropft werden!“ (Römer 11,22-24) – Wir sollen also zweierlei tun: Wir sollen die Güte Gottes anschauen und bewundern und wir sollen die Strenge Gottes anschauen und uns fürchten!

Diese Strenge ist keine Eigenschaft Gottes, sondern kennzeichnet Sein von Liebe geprägtes Handeln. Wir können Gott nie von irgendwelchen Eigenschaften her verstehen, sondern sollen Ihn in Seinem Tun erkennen. Er handelt mit uns nach Seiner Güte, sofern wir in der Gemeinschaft mit Ihm leben, d.h. wenn wir im Glauben bleiben. Und Glaube ist kein lebloser Besitz, sondern wird täglich demütig neu empfangen (Johannes 15,2+4; Hebräer 3,14).

Das geschichtliche Handeln Gottes mit Israel sollte uns Christen eine überaus ernste Mahnung sein. Gerade weil Gott Israel vor allen anderen Völkern zu segnen versprochen hatte, hat Er es auch wie kein anderes Volk mit ernster Strenge behandelt. Aber hier in Römer 11 ist auch ein Ton froher Hoffnung zu vernehmen. Gott ist mit Israel noch nicht fertig. Er handelt weiter mit diesem Volk und Er kann Israel „wieder einpfropfen“.

Wo Israel nicht weiter im Unglauben verharrt, sondern sich zum Glauben an Jesus Christus rufen lässt, wird Gott es wieder einpfropfen. Es gibt keinen eigenen Heilsweg für die Juden. Sie werden nicht anders gerettet als alle Heiden. Gott wartet auf Sein Volk. Seine Strenge ist nicht Sein letztes Wort. Er will sich erbarmen. Der klar bezeugte Christusglaube der Gemeinde (d.h. aller Glieder der Gemeinde) ist für Israel, wie für jeden Menschen die ausgestreckte Hand Gottes, die es zu ergreifen gilt!

In unserem Wellnesszeitalter haben wir viel Freude daran,die Güte Gottes anzuschauen. Und das ist gut so. Aber wir haben die Güte Gottes als solche nur dann richtig verstanden, wenn wir auch ihre Kehrseite, die Strenge Gottes ins Auge fassen. Denn das für uns entscheidend Wichtige ist der Hinweis auf die Adressaten der Güte und der Strenge Gottes. Hier heißt es nicht, dass Gott allen Menschen auf Dauer Güte erweist, sondern nur den Glaubenden, d.h. denen, die in Seiner Güte bleiben und dass Er den Gefallenen gegenüber mit Strenge verfährt. Weshalb tut Er dies? Um die Glaubenden bei sich zu halten und die Gefallenen und die Fernen zur Umkehr zu bewegen, damit auch sie zurecht kommen und Anschluss an das Leben in Christus gewinnen (2. Petrus 3,9).

Das bedeutet dann unter anderem auch, dass wir in der Nachfolge Jesu nicht nur unsere Rechte, sondern auch unsere Pflichten kennen und wahrnehmen lernen. Nicht nur den Segen, sondern auch den Fluch. Nicht nur die Gnade, sondern auch das Gericht. Nicht nur die Liebe, sondern auch den Zorn Gottes. Nicht nur die Freude, sondern auch die Trauer. Nicht nur das Glück, sondern auch das Leid. Nicht nur die Bewahrung, sondern auch das Ausgeliefert-sein. Nicht nur den Schutz, sondern auch das Preisgegeben-sein. Nicht nur Führung, sondern auch Orientierungslosigkeit. So will uns Christus zu reifen geistlichen Persönlichkeiten machen.

Zusammengefasst sagen wir:

NEIN zu jedem Antisemitismus und Antijudaismus, NEIN zu jeder Enterbungstheologie, die von der alten Kirche formuliert, die Kirche oder Gemeinde an die Stelle Israels setzte und alle AT-Verheißungen der Kirche geltend zuschrieben.

NEIN zu jeder Gleichstellung von Kirche und Israel. Auf Grund dieser Überzeugung glauben heute die meisten Evangelischen Kirchen, dass auf Grund der AT-Bundesverheißungen Israel einen eigenen Heilsweg zu Gott habe. Deshalb lehnen sie jede Judenmission ab.

Wir bekennen mit Paulus im Gegensatz zu den genannten Überzeugungen, dass die Gemeinde die in den Ölbaum Israel eingepfropften Zweige sind, die auf diese Weise allein durch den Glauben an Jesus Christus, den Messias Israels Anteil an dem Segen Abrahams bekommen. - Deshalb bleibt nur eins wichtig: Bleibe im Glauben mit Jesus verbunden! Denn Galater 3,7 sagt: „Die aus Glauben sind, diese sind Abrahams Kinder.“

Manfred Herold

Manfred Herold