Geheimnisse des Leidens

Der neunjährige Leo Tolstoj sprang, überzeugt, dass Gott ihm helfen würde zu fliegen, kopfüber aus einem Fenster im dritten Stock. Das brachte ihm seine erste große Enttäuschung über Gott ein. Glücklicherweise überlebte er die Bruchlandung. - Was war schiefgelaufen?

Viele Menschen meinen, dass Gott schon in diesem Leben die Guten belohnt und die Schlechten bestraft. Aber wir wissen, dass diese Annahme falsch ist. Ebenso sind viele Christen davon überzeugt, dass jeder Mensch Gott wie ein treuer Schoßhund folgen würde, wenn dieser - für den Menschen erkennbar - immer gerecht handeln, klar und deutlich reden und sich unverhüllt zeigen würde. - Wieso ist das nicht so?

Weshalb nimmt Gott solche Missverständnisse in Kauf? Weil Er EINEN großen Wunsch hat: Er möchte, dass jeder Mensch Ihn liebt, Ihm vertraut und gehorcht. Dazu kommt es jedoch nur, wenn der Mensch eine freie Entscheidung treffen kann. - Darüber wollen wir heute anhand der Bibel nachdenken. - Wir fragen uns:

1. Wird Vertrauen immer belohnt?

Jesus fragte: „Wird wohl der Sohn des Menschen, wenn Er kommt, Glauben finden auf der Erde?“ (Lukas 18,8)

Wir wünschen es uns aus tiefstem Herzen, dass unser Vertrauen stets erwidert und nicht missbraucht oder enttäuscht wird. Aber wir wissen: So verläuft das Leben nicht. Und manchmal verursacht ein solches Enttäuschungserlebnis tiefe Leiden, die uns lange beschäftigen. Vertrauen, auch Gott gegenüber, bleibt letztlich immer ein Wagnis! Dennoch müssen wir uns täglich neu entweder dafür oder dagegen entscheiden.

Stellen wir uns nun einmal vor: Jede Sünde, die wir begehen, würde uns sofort einen tüchtigen Schmerz und jeder Gehorsam augenblicklich ein besonderes Glücksgefühl verursachen. Wäre auf diese Weise nicht eine sichere Steuerung menschlichen Verhaltens möglich? Wäre das Leben nicht viel lebenswerter, wenn Gott immer spontan den Guten belohnen und die Bösen bestrafen würde?

Wenn wir ins Alte Testament schauen, finden wir ein göttliches Experiment, das fast genau so funktionierte. Gott schloss mit Israel einen Bund, bei dem alles bis ins Detail geregelt wurde. Gott versicherte Israel Seines messbaren Segens. Die einzigen Bedingungen waren: Absolutes Vertrauen und absoluter Gehorsam Gott und Seinen Worten gegenüber (5. Mose 28). Gott zeigte Israel einen Weg, auf dem sie Krankheiten, Leiden und den größten Teil ihrer Probleme vermeiden konnten. - Waren das nicht herrliche Aussichten? War das nicht das Leben, wonach Menschen sich sehnen? Man sollte meinen, der Preis sei nicht zu hoch, bei solchen Chancen!

Hat diese Möglichkeit bei Israel nun aber wirklich zu unerschütterlichem Vertrauen und frohem Gehorsam Gott gegenüber geführt? Nein! - Hielt das die Israeliten auf den Wegen Gottes? Nein! - Wir stellen also fest: Der Schaden des Menschen sitzt tiefer, als dass er mit Zuckerbrot und Peitsche ausgemerzt werden könnte. Deshalb ließ Gott Seinen Propheten ankündigen: „Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Ich nehme das versteinerte Herz aus eurer Brust und schenke euch ein Herz, das lebt.“ (Hesekiel 36,26)

Gott musste den Menschen einen neuen Persönlichkeitsmittelpunkt, ein „neues Herz“, schenken, das den Gehorsam Gott gegenüber sowohl will, als auch tut. Das kann heute durch die Wiedergeburt geschehen. Jesus schenkt jedem, der Ihn darum bittet durch Seinen Geist ein solch „neues Herz“, das aus freien Stücken in einer gelebten Beziehung mit Gott das Gute wollen und tun lernt und so das Böse mehr und mehr überwindet!

Wenn jedoch stets sofortige Belohnung winken oder sofortige Bestrafung drohen würde, wären wir Menschen nicht in der Lage, unser Leben so eindeutig auf Gott auszurichten, wie es geschehen kann, wenn dies einige Zeit in der Schwebe oder gar ausbleibt. Denn in Aussicht stehender Segen, Heilung, Schutz ließe uns all dies leicht um unseretwillen erwarten und schon würden unsere Gedanken wieder mehr um uns als um Gott kreisen.

Unsere Frage muss von zwei Seiten her bedacht werden: von der Seite Gottes und der Seite der Menschen. Gottes Vertrauen, das Er in uns setzt, wird nicht immer belohnt. Damit schneiden wir uns zwar ins eigene Fleisch, aber der Mensch ist nun einmal durch die Sünde dumm und unsensibel geworden. Eben sowenig ist des Menschen Vertrauen zu anderen Menschen stets gerechtfertigt.

Aber wenn du Jesus dein Vertrauen schenkst, dann wird dies sicher belohnt werden. Nicht unbedingt in der „Währung“, wie du sie dir vorstellst. Auch nicht immer in der Zeitspanne, die du im Auge hast. Da Gott uns jedoch Sein Wort gegeben hat, können wir sicher sein, dass Jesus menschliches Vertrauen belohnt.

„Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen. Wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass es ihn gibt und dass er die belohnt, die ihn aufrichtig suchen.“ (Hebräer 11,6)

2. Wird Liebe immer erwidert?

Gott spricht: „Ach, Ephraim und Juda, was soll Ich bloß mit euch machen? Eure Treue ist so flüchtig wie ein Nebelschleier am Morgen, eure Liebe zu Mir verschwindet so schnell wie Tau unter der Sonne!“ (Hosea 6,4)

Wir haben alle das tiefe Verlangen, dass unsere Liebe erwidert und nicht zurückgewiesen wird. Aber wir wissen, manchmal passiert es dennoch. Und das verursacht tiefe Schmerzen und verletzt uns sehr. Aber es liegt in der Natur der Sache: Auch Liebe bleibt auf dieser Erde letztlich immer ein Wagnis, und dennoch können wir uns ihrer Herausforderung nicht entziehen.

Im Alten Testament erwies Gott den Israeliten seine Liebe u.a. in einer klaren und sicheren Führung. Als sie in der Wüste Sinai lagerten mussten sie sich nicht mehr fragen: „Sollen wir jetzt weiterziehen oder noch einige Tage hier lagern?“ Gott entschied das für sie. Sie mussten nur auf die Wolke achten, wenn sie sich weiterbewegte, dann hatte sich das Volk auch zu bewegen, wenn sie stehenblieb, hatte das Volk zu bleiben.

Aber, so fragen wir wieder: „Stärkte diese klare Führung die Liebe und den Gehorsam des Volkes zu Gott? Verließen sie sich entspannter auf Ihn und Seine Vorgaben?“ - Anscheinend nicht, denn wir lesen: „Da sprach der HERR zu mir (Mose): Sprich zu ihnen: Zieht nicht hinauf und kämpft nicht, denn Ich bin nicht in eurer Mitte; damit ihr nicht vor euren Feinden geschlagen werdet! So redete Ich zu euch, aber ihr hörtet nicht. Und ihr wart widerspenstig gegen den Befehl des HERRN und handeltet vermessen und zogt in das Gebirge hinauf. Da stellten sich euch die Amoriter entgegen, die dort wohnten und besiegten euch....“ (5. Mose 1,42-44)

Aufs Ganze gesehen haben die Israeliten damals der klaren und eindeutigen Führung Gottes ebenso misstraut und waren ihr ungehorsam, wie das heute noch geschieht. Die Eindeutigkeit des Willens Gottes hemmte das liebende Vertrauen der Israeliten. Denn wozu sollte man Gott lieben und vertrauen, wenn Er den Erfolg sowieso garantierte? Weshalb sollten sich die Israeliten wie Erwachsene verhalten, wenn es völlig ausreichte, sich wie Kinder zu benehmen?

Gott ist an einer persönlichen Beziehung, die von Liebe und Vertrauen geprägt ist, interessiert. Beides, Liebe und Vertrauen, kann sich jedoch nur in einem Freiraum entfalten, der mich nicht zwingt. Dieser Freiraum beinhaltet auch Probleme und Leiden. Denn wenn Gott alle Menschen, die sich zu Jesus halten, stets vor allen unangenehmen Ereignissen beschützen würde, - wäre es dann noch eine freie Entscheidung, Gott zu lieben und Ihm zu vertrauen? Oder wäre es nicht nur einfach ein gutes Geschäft, das sich niemand entgehen lassen würde?

Bei Israel können wir das besonders deutlich sehen. Klare Gebote und eindeutige Führungen machten jede Entscheidung eher zu einer Frage von Gewinn und Verlust, als von Vertrauen und Liebe. Dieses traurige Ergebnis erklärt m.E. auch die Tatsache, warum Gott heutzutage nicht öfter direkt eingreift. Einige Christen sehnen sich nach Wundern als Zeichen der Gegenwart Gottes. Aber würde ein ständiges Feuerwerk von Wundern wirklich die Liebe zu Gott stärken? Jedenfalls nicht die Art Liebe, an der Gott interessiert ist. Die Israeliten lieferten den Beweis dafür.

Wir überschätzen den Menschen, wenn wir denken, die menschliche Liebe wäre so leicht zu erringen. Wir wollen den tiefen Schaden der Sünde nicht wahrhaben, wenn wir meinen, menschliches Vertrauen und unsere Liebe seien so leicht zu haben.

Wir sehen: Gottes Liebe, wird von uns nicht immer erwidert. Auch damit schaden wir uns selbst. Aber der Mensch hat durch die Sünde so sehr die Orientierung verloren, dass er nicht einmal mehr weiß, was gut für ihn ist und was nicht. Auch die Liebe von Menschen untereinander wird, wie wir wissen, nicht immer erwidert.

Aber wenn du anfängst, Jesus zu lieben, dann wird deine Liebe sicher erwidert. Nicht unbedingt in der Art und Weise, wie du dir das vorstellst oder wünschst. Auch nicht immer dann, wenn du meinst, dass du sie nötig hättest. Aber Gott lässt sich sein einmal gegebenes Wort etwas kosten. Darauf kannst du dich verlassen!

3. Werden Erwartungen immer erfüllt?

Jesus sagte: „Bittet Gott, und Er wird euch geben! Sucht, und ihr werdet finden! Klopft an, dann wird euch die Tür geöffnet!“ (Matthäus 7,7)

Viele Bibelstellen hören sich an wie die Eintrittskarte zum Paradies. Ist das wirklich so? Wird uns da ein Universalschlüssel zu umfassender Wunscherfüllung in die Hand gelegt? Oder kann man Gott doch nicht immer so ernst nehmen? Hat Er da nicht manchmal etwas übertrieben? - Nein! Aber wir dürfen nie vergessen, dass wir es mit Gott zu tun haben und Er der Chef auch über unsere Wünsche, über unser Leben, unsere Pläne und Gedanken ist und bleibt.

Gott liefert sich nicht an uns aus, unterstellt sich auch nicht als „Wunscherfüllungsautomat“ unserem Willen. Das zu glauben wäre ein großer Irrtum und eine fatale Fehleinschätzung. Wir gingen dann von einem Gott aus, den es überhaupt nicht gibt, der bestenfalls in unseren Gedanken existiert. Im Gegenteil: Gott erwartet, dass wir uns Ihm ausliefern, dass wir uns Ihm unterstellen und Seinen Willen für uns gelten lassen. Manchmal werden unsere frommen Erwartungen nicht erfüllt, weil wir von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen sind. Dann haben wir unsere Enttäuschungen unserem fehlerhaften Denken zuzuschreiben.

Gott meint zwar alles genau so, wie es in der Bibel steht, aber wir wissen nicht immer, was das im konkreten Einzelfall bedeutet. Es ist so wie bei Kindern. Wohl können sie sich auf das Wort ihrer Eltern verlassen (hoffentlich), aber sie können nicht immer überschauen, was diese Versprechen im Einzelnen beinhalten und was nicht. („Ich bringe dir eine Kleinigkeit mit!“) Fehlinterpretationen können Leiden verursachen. Du hast dir etwas unter dem Gesagten vorgestellt, was nicht zutraf. Du hast Erwartungen in eine Verheißung hineingelegt, die gar nicht von ihr abgedeckt waren.

Wir müssen erkennen, dass wir in dieser Beziehung keine gleichberechtigten Partner sind. Gott bleibt Gott und wir bleiben Menschen. Wir können es Ihm immer nur glauben, dass Er uns liebt. Und manchmal fällt uns das schwer. Aber da müssen wir durch. Das ist dann in der Regel eine Prüfung der Echtheit unserer Beziehung zu Ihm. Nur an meinen Grenzen, zeige ich mein wahres Gesicht.

Wir sollen Ihm freiwillig und gern gehorchen lernen. Nicht, weil wir dafür dann stets sofort belohnt und belobigt werden, sondern weil wir dadurch unter Beweis stellen können, dass wir Jesus unseren Herrn sein lassen. Wir unterstellen uns Ihm, weil Er eben der Chef ist und besser weiß, wie Leben funktioniert und gelingt, als wir.

Die Bibel sagt in Römer 5,5: „Und diese Hoffnung wird uns nicht enttäuschen. Denn durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt wurde, ist Gottes Liebe in uns.“

Zwar müssen Christen wie alle Menschen mit unbeantworteten Fragen, Leid, Krankheit, Tod und anderen Problemen leben, aber sie halten Jesus dabei die Treue, denn sie wissen sich, ob nun eintrifft was sie sich wünschen oder nicht, von Gott geliebt. Ohne immer alles zu verstehen, wissen sie, woran sie bei Gott sind. Er selbst schenkt und erhält ihnen diese tröstliche Gewissheit durch den Heiligen Geist. - Nimm Jesus heute als deinen Herrn und Erlöser an! Er wartet auf deine Antwort!

 

 

Manfred Herold

Manfred Herold