Gideon, der Richter

Gewohnheiten können hilfreich aber auch hinderlich sein. Wenn wir z.B. jede notwendige Bewegung erst bewusst durchdenken müssten – z.B. wenn wir unsere Schuhe zubinden oder Autofahren - wären wir bereits nach einem halben Tag total erschöpft!

Unsere Gewohnheiten können Gelerntes bewahren, so dass wir uns auf das konzentrieren können, was noch gelernt werden muss (Daniel 6,11). Unsere Gewohnheiten können uns aber auch daran hindern weiter zu lernen, weil wir stolz meinen, schon genug zu wissen. Das gilt auch im Hinblick auf unser Glaubensleben. Deshalb sind Biographien so lehrreich.

Von allen Richtern Israels wird Gideon am ausführlichsten beschrieben. Wir erfahren, wie Gott ihn beruft und sorgfältig vorbereitet gute Gewohnheiten zu entwickeln, damit er in die Lage versetzt wird, Gottes Gedanken für Sein Volk umzusetzen. Wie Gott dabei vorgeht, kann uns noch heute Gedankenanstöße dafür geben, wie Er Menschen für Seinen Dienst zubereitet. - Hört des Herrn Wort: Richter 6,1-10

1. Die Situation Israels

Immer wieder stolpern fromme Menschen in die Fallen Satans. Das Schlimmste dabei ist, dass sie es häufig gar nicht bemerken. Man hat sich so sehr an eine Lebensweise, die Gott ablehnt oder, was noch gefährlicher ist, einfach übersieht „gewöhnt“, dass man im Alltag nur zu leicht wieder in sie zurückfällt. Das zeigt, dass sie nicht wirklich als falsch und böse erkannt wurde.

Aber ob wir das glauben oder nicht: Gott steht zu Seinem einmal gegebenen Wort – in Segen und Fluch. Er muss Sich Selbst treu bleiben und deshalb ließ Er Israel viele „Klassen“ wiederholen, damit sie die Lektionen lernten, die zu ihrem Überleben wichtig waren. Lernen ist ja nichts anderes als hilfreiche „Gewohnheiten“ einzuüben. Als sie ungehorsam waren, erlebten sie genau das, was nach Gottes Wort zu erwarten war: Unterdrückung, Mangel, Hunger und Lebensgefahr. - Aber dabei dürfen wir nie aus den Augen verlieren, dass Seine Züchtigungen ein Hinweis auf Gottes Hass gegen die Sünde und zugleich ein Beweis Seiner Liebe zu Seinem Volk sind.

Wie hart und stur das fromme Menschenherz werden kann, erkennen wir in Vers 2: „Und als die Hand der Midianiter zu stark wurde….“ - Man sollte meinen, dass sie das veranlassen würde zu Gott um Hilfe zu rufen – aber nein – sie versuchten sich zuerst einmal selbst zu helfen: „..richteten die Israeliten sich die Schlupfwinkel ein, die sich in den Bergen befinden, und legten Höhlen und Burgen an.“ - Wie viel Zeit verschwenden Christen auch heute damit, sich in schwierigen Situationen, in Beziehungsproblemen, Süchten usw. selbst helfen zu wollen oder ausschließlich mit menschlicher Hilfe zu rechnen. Wir können erkennen, dass sich dieser Prozess jahrelang hinzog, denn es wird von mehreren Erntejahren gesprochen, die immer in demselben Desaster endeten.

Durch ihren „Sündendienst“, d.h. ihre falschen Gewohnheiten, wurde Israel sehr geschwächt. Ungehorsam Gott gegenüber raubt Menschen die Lebenskraft. Erst als sie überhaupt keine Kraft mehr hatten, schrien sie zum Herrn. Obwohl sie den Weg zurück kannten, zögerte ihr stolzes, ermattetes, träge gewordenes Herz die Besserung hinaus, die sie doch zu gleicher Zeit so sehr ersehnten. In solch einem Zustand sind wir uns manchmal selbst ein Rätsel. Dazu führt geduldete Sünde in unserem Leben.

Aber Gott kann nicht untätig dasitzen und zusehen, wie sich Seine Kinder selbst zerstören. Deshalb ergreift Gott die Initiative, erweckt aber nicht wie früher einen neuen Richter, sondern Er schickt einen Propheten. Israel benötigte in dem Augenblick also nicht in erster Linie Hilfe, Rettung durch große Wunder, sondern die Erinnerung an Gottes Wort und Gottes Taten. Keine äußere Veränderung der Umstände, sondern eine innere Veränderung der Herzen. Das ist noch heute so: Nur die innere Erneuerung unserer Gewohnheiten schafft die Voraussetzung für äußere Erneuerung.

Der Prophet, dessen Namen wir nicht kennen, wies sie im Auftrag Gottes auf grundlegendes hin:

  • Ich habe euch aus Ägypten herausgeführt.

  • Ich habe euch aus der Hand der Ägypter errettet.

  • Ich habe eure Bedränger vor euch vertrieben.

  • Ich habe euch ihr Land gegeben.

  • Ich bin der HERR, euer Gott!

  • Ihr sollt die Götter der Amoriter nicht verehren, in deren Land ihr wohnt!

  • Aber ihr habt Meiner Stimme nicht gehorcht!

Der Prophet war zu ganz Israel gesandt. Er sollte seine Botschaft dem ganzen Volk ausrichten. Er gab eine umfassende und vollständige Erklärung ihrer derzeitigen Misere. An diesem Punkt sollte das Volk, allen voran Gideon, umkehren, Buße tun, ihr Denken und das sich daraus ergebende Handeln, d.h. ihre Gewohnheiten umstellen.

Auch wir Christen müssen uns immer wieder an die uns von Christus erworbenen und durch die Lebensgemeinschaft mit Ihm ermöglichten Wahrheiten erinnern und unser Leben von ihnen prägen lassen. Das ist der praktische Nutzen jeder biblischen Unterweisung

2. Gideons Berufung

Richter 6,11–24 - Der Engel des Herrn kam um zu bleiben – Er setzte sich! Er wollte im wahrsten Sinn des Wortes in Israel wieder Fuß fassen.

Um dieses Zweck zu erreichen, spricht Er einen Mann an, der gerade damit beschäftigt ist, sein Überleben zu sichern. Gideon war ausschließlich mit seiner persönlichen Zukunft beschäftigt. (Er drosch seinen Weizen.) Der Engel sprach zu ihm: „Der HERR ist mit dir, du tapferer Held!“ Es war ein ermutigender Zuspruch. Die Ermutigung wurzelte ausschließlich in Gott, in all dem, was Gott für Sein Volk war, ist und sein würde.

Wir haben, wie Gideon damals, auch heute noch mit demselben Problem zu kämpfen: Er stellte aufgrund seiner eigenen Befindlichkeit, seines eigenen Dafürhaltens Gottes Wort in Frage. „Ich fühle aber nichts dergleichen!“ - „Dem kann ich nicht zustimmen, meine Situation ist völlig anders, als das Wort Gottes es sagt!“

Gideon denkt: „Es wäre ja wirklich schön, wenn der Herr mit uns wäre! Aber wie passt das zu unserer Lage? - WARUM geht es uns so schlecht? WO sind Seine Wunder?“ - Gideons Antwort: „Der Herr hat uns verlassen! Er ist schuld!“ (Vers 13) Wir Menschen finden gewohnheitsmäßig immer wieder Schuldige und wenn es Gott selbst sein muss. Alle sind schuld, nur wir nicht! Alle müssten für die Verbesserung der Lage etwas tun – nur wir nicht!

Der Engel des Herrn diskutiert nicht mit Gideon, sondern Er gibt ihm einige Befehle: „Gehe hin in dieser deiner Kraft und rette Israel aus der Gewalt der Midianiter! Ich sende dich ja!“ (6,14)

Zuerst: „Gehe hin in dieser deiner Kraft...“ d.h. so wie du bist, so wie du dich einschätzt, wie du Dich fühlst – gehe hin! Was zählt, ist nicht die Einschätzung deiner selbst, deines Einflusses, deiner Kraft, deiner Schlauheit, sondern allein mein Befehl!

Gott sagt hier: Ich weiß genau wer du bist! Ich gebe mich keinen Illusionen hin, was dich betrifft. Ich weiß, dass du keine Kraft hast, keine Ahnung von Heerführung und dem Kriegshandwerk. Aber genau so einen will Ich haben, um Meine Ziele zu erreichen, um Meinen Willen durchzusetzen. Andere könnte ich gar nicht gebrauchen. Weil andere mir den Ruhm und die Ehre streitig machen würden. „...rette Israel aus der Gewalt der Midianiter..“

Gideon sollte sich daran gewöhnen, allein auf den Gott Israels zu vertrauen. „Weil Ich mit dir sein will, wirst du die Midianiter schlagen..“ (Vers 16) „Lerne es mit Mir allein zu rechnen. Schau nicht auf dich oder auch die Anzahl derer, die mit dir ziehen. Ich bin der entscheidende Faktor bei dieser ganzen Angelegenheit.“ Und Gott gab Gideon nicht nur diesen Befehl, diesen Auftrag – Er gab ihm auch ein deutliches Zeichen (Feuer verzehrte die Mahlzeit - Vers 21). - Gott übte dieses Verhalten auch mit Gideon ein. Gott trainierte Gideon.

3. Gideons Vorbereitung

Richter 6,25-40 - Wir sehen, Gideon war kein Mann starken Glaubens oder großen Mutes. Gott musste geduldig an ihm arbeiten, um ihn auf die Führungsrolle vorzubereiten, die er ausüben sollte. Gideon musste lernen: Zuerst muss das eigene Verhältnis zu Gott stimmen, bevor wir dem Feind mit Zuversicht entgegentreten können. Wenn Gott uns einen Auftrag gibt, dann schenkt Er uns auch die Kraft, ihn aufzuführen.

Glauben heißt: Gott Gott sein zu lassen und sich Seinem Wort unterzuordnen; das bedeutet damals wie heute Gott zu gehorchen – ungeachtet all dessen, was wir sehen, was wir fühlen, oder welche Folgen es haben kann. Gideon jedoch meinte, dass Gott nichts durch ihn tun könnte, weil er und seine Familie nichts waren. Er musste seine Denkgewohnheiten ändern.

Gideon musste sich klar darüber werden: Wenn er die Midianiter im Namen des Herrn herausforderte, dann bedeutete das nicht nur, seinem Vater zu trotzen, sondern auch seiner Familie, seinen Nachbarn und den Tausenden in Israel, die ebenfalls Baal verehrten. Gideon freute sich zwar darüber, dass Gott Israel von der Fremdherrschaft befreien wollte, aber er bekam Angst bei dem Gedanken, der Anführer in diesem Plan zu sein.

Weil Gott das wusste, wies Er ihm zuerst einmal eine Aufgabe zu Hause zu. Wenn wir unseren Glauben nicht zu Hause in unserem Alltag praktizieren, dann können wir ihn auch nicht anderswo beweisen. Gideon musste seine familiären und verwandtschaftlichen Gewohnheiten ändern. Er musste es lernen, seinen Glauben zu Hause unter Beweis zu stellen, bevor er es wagen konnte, dem Feind anderswo erfolgreich entgegentreten zu können.

Ehe Gott Seinen Dienern Erfolge in der Öffentlichkeit schenkt, werden sie in der Regel zu Hause in kleinen Dingen vorbereitet (Lukas 16,10). Wenn wir unter Beweis stellen, dass wir in kleinen Dingen treu sind, wird Gott uns mit größeren Aufgaben betrauen.

Gideon soll zuerst einmal zu Hause mit dem Götzendienst aufräumen, bevor er an die Beseitigung des Götzendienstes in Israel gehen soll. Er sollte zuerst den Familienaltar Baals zerstören und ein seiner Stelle einen Altar für den Herrn bauen. Dazu hatte er jedes Recht, denn der Herr hatte dies selbst in Seinem Gesetz befohlen (2. Mose 34,12-13). Er sollte das Glaubenswagnis eingehen, den wertvollsten Ochsen der Familie dem Herrn zu opfern und ihn mit dem Holz des familieneigenen Ascheragötzenbildes verbrennen.

Da Baalsaltäre meist auf landschaftlich gut sichtbaren Punkten errichtet wurden, war es schwierig, bei deren Beseitigung unbemerkt zu bleiben. Da er, wie wir bereits gesehen haben, nicht der Mutigste war, führte er sein Vorhaben bei Nacht durch (Vers 27). Ihm war klar: Ehe er Midian den Krieg erklären konnte, musste er Baal den Krieg erklären. Ehe er Israel helfen konnte, musste er seiner eigenen Familie helfen.

Und Gideon erlebte es, dass der Herr für ihn eintrat, indem er das Herz seines Vaters anrührte, der ihn, statt ihn für seine Tat zu verurteilen, ihn vor den Leuten seines Dorfes in Schutz nahm und darauf hinwies: Baal soll für sich selbst kämpfen, wenn Gideon etwas Falsches getan hat. - Das war die erste sichtbare Frucht seines Gottvertrauens.

Gott ergreift für Seine Gemeinde Partei, indem Er Menschen beruft, ausrüstet und vorbereitet, Seinen Retterwillen durchzuführen. Dabei sollen und können wir im Vertrauen auf Gottes Wort mitwirken: „Gestaltet eure Lebensführung nicht nach der Weise dieser Weltzeit, sondern wandelt euch um durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr ein sicheres Urteil darüber gewinnt, welches der Wille Gottes sei, nämlich das Gute und (Gott) Wohlgefällige und Vollkommene.“ (Römer 12,2) Ändere deine Gewohnheiten, damit du brauchbarer für Jesus wirst.



Manfred Herold

Manfred Herold