Ist die Ökumene die von Jesus erbetene Einheit?

Das Thema „Einheit“ ist heute in aller Munde. So wird auch in vielen christlichen Kirchen und Freikirchen heute gelehrt, Jesus habe für die Einheit aller Menschen gebetet und als Christen sei es unsere Aufgabe, auf eine solche Einheit hinzuwirken. Wenn man jedoch liest, was Jesus zu diesem Thema sagte, stellt man fest, dass diese Behauptung falsch ist, denn im betreffenden Bibeltext steht etwas ganz anderes.

Ich weiß, dass ich mich mit meinen warnenden Worten außerhalb der größten kirchlichen Bewegung unserer Zeit stelle. Ich weiß, dass man mich dafür kritisieren und einen unliebsamen Störer nennen wird. Aber ich bin nun einmal auch hinsichtlich dieses Themas allein dem Worte Gottes verpflichtet.

Ich möchte heute einige Aussagen der Heiligen Schrift betrachten und sie mit gängigen Meinungen der ökumenischen Bewegung vergleichen. Denn ich halte eine Überzeugung nicht schon deshalb für wahr und richtig, weil sie von vielen vertreten wird. Für mich ist das Wort Gottes, so wie es uns in der Bibel überliefert ist, verbindlich und nichts sonst. Johannes 17

1. Die Grundlage der Einheit

Jesus betete für Seinen Dienst (17,1-5). In Johannes 17,3 beschreibt Er die Seinen als solche, welche „dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ Die Grundlage des Verhältnisses von Jesus und Seinen Jüngern war und ist echte Gotteserkenntnis: Erkenntnis des Vaters und des von Ihm gesandten Retters Jesus. In den folgenden Versen spricht Er ganz eindeutig von der Einheit dieser Seiner Jünger. Jesus denkt hier also weder an ein konturenloses allgemeines „Christsein“, noch an eine „Kirchenmitgliedschaft“ als Grundlage der Einheit!

Nun definieren aber sowohl die orthodoxe, die römisch – katholische, als auch die evangelischen Kirchen ihre Kirchenmitglieder, d.h. ihre „Christen“, nicht nach dem maßgeblichen Zeugnis der Bibel, sondern verstehen sie in erster Linie als Empfänger des kirchlichen Sakraments der Taufe, das sie in der Regel als Kleinkinder empfangen haben.

Was aber sagt die Bibel zur Frage: „Wer ist ein Christ?“ - In Apostelgeschichte 11,26 kommt das Wort „Christ“ zum ersten Mal im Neuen Testament vor und beschreibt einen klar fassbaren Personenkreis. Christen sind Jünger Jesu die:

1. das Evangelium von Jesus Christus gehört und verstanden haben (Vers 20). Es sagt uns wer Gott ist (Johannes 1,18); es sagt uns wer wir sind: verlorene Sünder (Römer 3,10-12); es sagt uns wie wir gerettet werden können: aufgrund des Erlösungswerkes Jesu Christi (2. Korinther 5,19); aus Gnaden (= geschenkweise Römer 3,24); durch den Glauben (= persönliches Vertrauen Römer 3,28) Also: Ohne das Evangelium von Jesus Christus gehört zu haben, ist Christ werden und Christsein unmöglich. - Das ist keine baptistische Sondermeinung, sondern grundlegender Bestandteil wahren d.h. biblischen Christentums.

2. die Buße getan und sich bekehrt haben. (Vers 21) Das Evangelium fordert eine Reaktion heraus: Glaube oder Unglaube. Christen glauben Jesus, kehren von ihren selbst gewählten Wegen um (= Buße, Bekehrung) und unterstellen sich ihm als ihrem Herrn (= Glaubensgehorsam). Das bringen sie in der Taufe zum Ausdruck. Dieser Glaube ist keine Leistung des Menschen, sondern ein Geschenk Gottes. Also: Ohne persönlichen Glauben, d.h. ohne eine erkennbare Hinwendung zu Jesus, kann niemand mit Recht „Christ“ genannt werden.

3. die Gemeinschaft mit anderen Christen in der Gemeinde leben. Verse 23+26a Niemand kann und soll für sich allein Christ sein. Glaubende ohne verbindliche Gemeindezugehörigkeit sind nach Meinung des Neuen Testamentes keine „Christen“.

4. die sich in der Gemeinde in die Lehre Jesu einführen lassen. (Vers 26) Darauf wurde von den ersten Christen sehr viel Wert gelegt. Fast alle Briefe im Neuen Testament sind Lehrbriefe. Sie wollen Jünger Jesu alles das halten lehren, was er befohlen hat (Matthäus 28,19-20). Wir stellen fest: Die Hauptaufgabe der christlichen Gemeinschaft ist die Unterweisung, d.h. die Einübung in den Gehorsam des Glaubens und die Zurüstung zum Dienst in der Welt. (Epheser 4,11-13). - Diese Punkte sind sowohl für das Christwerden als auch für das Christsein konstitutiv (d.h. das Wesen einer Sache bestimmend). Hier gibt es keine von Gottes Wort legitimierte „andere Sichtweise“. Es geht nicht darum, ob Menschen „gläubig in unserem Sinne sind“ - es geht darum, ob sie gläubig im Sinne des Wortes Gottes sind.

Genau so wenig wie es an der Person Jesu vorbei eine Annahme beim „Herrgott“ gibt (Johannes 14,6), genau so wenig gibt es am Evangelium vorbei Rettung und Erlösung (Römer 1,16). Wer Gottes Angebot der Gnade und Vergebung ausschlägt, der bleibt unter dem Zorn und Urteil Gottes (Johannes 3,36). Jesus ist und bleibt der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (1.Timotheus 2,5). Niemand wird durch die bloße Teilnahme an „Sakramenten“ Christ. Niemand kann durch die Fürbitte der Maria oder der „Heiligen“ Christ werden. Die Bibel lässt uns hier keinen Spielraum für eigene Wege (Römer 10,13f).

Wenn also bei ökumenischen Begegnungen die wesentlichste und entscheidende Grundvoraussetzung (gemeinsames Christsein) nicht vorhanden ist, mache ich mich, der ich es durch die Gnade Gottes besser weiß, schuldig, wenn ich andere Menschen als Christen behandle, obwohl sie es doch nicht sind. - Hast du Jesus schon einmal ganz bewusst um Sündenvergebung gebeten? - Gibt es christliche Einheit ohne echten Glauben an Jesus? Nein!

2. Der Charakter der Einheit

In Johannes 17,6-19 betete Jesus für Seine Jünger. Er bat den Vater darum, dass sie in Übereinstimmung mit Ihm und Seinem Wort leben sollten. Das „Eins sein“ bezog sich auf die Einheit des Vaters mit dem Sohne. Wie der Sohn das Ebenbild des Vaters war, so sollen die Gläubigen als Ebenbilder Jesu Christi eins sein (Römer 8,29).

In Johannes 17,17 bat Jesus den Vater: „Heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit“. Er sagte nicht, wie es heute viele tun: „Dein Wort enthält Wahrheit“, sondern: „Dein Wort ist die Wahrheit.“ Das Wort Gottes hat eine heiligende, d.h. reinigende, absondernde Wirkung auf die Gläubigen. Wenn sie darin lesen und Ihm gehorchen, werden sie für Gott abgesondert, d.h. gereinigt und brauchbar. Jesus wollte und will ein Volk, das für Gott von der Welt abgesondert und ihm deshalb nützlich ist.

Es genügt einfach nicht, dass ein Mensch „auch glaubt“, „auch einen Glauben hat“, „auch gläubig ist“ (Jakobus 2,19). Der Glaube lebt von dem, woran er glaubt (an sich selbst, Horoskop, Jesus). Und der rechte Glaubensinhalt wird allein in der Bibel zuverlässig dargestellt. - Und wieder geht es hier nicht darum, dass wir selbstsicher und überheblich unsere Deutung der Bibel in einer sektiererischen Weise absolut setzen, sondern um die Tatsache, dass es neben dem in der Bibel beschriebenen Weg zum Glauben an Jesus Christus, keinen anderen Zugang zum himmlischen Vater gibt.

Die Art WIE jemand zum Glauben kommt, kann sehr unterschiedlich sein. Nicht jeder Glaubende kann von einem Bekehrungserlebnis berichten. Das ist auch nicht entscheidend! Entscheidend ist, dass du HEUTE Jesus vertraust, HEUTE mit ihm lebst und HEUTE Frucht für ihn bringst (Matthäus 7,16). Wenn das der Fall ist, zeigen diese Fakten deutlich, dass du irgendwann in diese Glaubensgemeinschaft mit Jesus eingetreten bist.

Niemand hat diesen Glauben, ohne dass er es weiß (Römer 8,16+9). Daraufhin muss man sich befragen lassen können (2. Korinther 13,5). Es ist kein neugieriger Vorstoß in die Privatsphäre, jemanden auf seinen Glauben hin zu befragen. Nimm solch eine Situation als Gelegenheit wahr, den Echtheitsbeweis deines Glaubens zu erbringen.

Die ökumenische Theologie geht heute jedoch von folgendem aus:

1. Die Menschheit und die Welt sind seit Christus erlöst.

2. Die Bekehrung wird zu einem bloßen Erkennen dessen, was Christus bereits getan hat.

3. Die Bibel ist der unzählbare Schatz der Kirche, aber nicht das einzige unfehlbare Wort Gottes.

4. Wiedergeburt bedeutet lediglich ein größeres Maß an „Licht“, an Erkenntnis zu erfassen, als man bereits besitzt.

Diese Aussagen halten jedoch in keinem Punkt einer ehrlichen Prüfung anhand der Bibel, wenn man sie für Gottes verbindliches Wort hält, stand. Auch hier: Das Wort Gottes ist wohl in einer ganzen Reihe von Aussagen unterschiedlich interpretierbar, aber die Kernaussagen sind unumstritten und da sind wir Menschen nur danach gefragt, ob wir sie so anerkennen, stehen lassen und glauben wollen oder nicht.

Ich kenne z.B. keine Irrlehre der sog. „Großkirchen“, die zur ewigen Verdammnis von mehr Menschen führt, wie die der sog. „Kindertaufe“. Menschen werden gelehrt, sie seien durch die Kindertaufe wiedergeboren und in die Familie Gottes aufgenommen worden. Aus dieser falschen Sicherheit sind sie in den meisten Fällen nie wieder wachzurütteln. Wir Baptisten sollten wissen, dass die Kirchen, welche die „Taufwiedergeburt“ lehren, der Taufe einen weit höheren Stellenwert einräumen, als wir es tun. Denn sie verbinden die Taufe mit dem Heil des Menschen, wir nicht. Wir glauben nicht, dass Menschen durch die Taufe Christen werden, sondern dass dies nur durch Buße und Glauben an Jesus Christus möglich ist, denen die Taufe als sichtbares Zeichen des bereits vorhandenen Glaubens folgt.

Und warum sollte sich irgend jemand durch die Aufforderung Jesu angesprochen wissen: „Ihr müsst von neuem geboren werden!“ (Johannes 3,7), wenn er bei der Säuglingstaufe bereits die Versicherung erhalten hat, dass er durch diese Taufe wiedergeboren ist? Deshalb könnte ich mich z.B. auch niemals als Taufpaten zur Verfügung stellen.

Viele Menschen wollen heute jedoch lieber „über“ das Wort reden, als sich das Wort sagen zu lassen. Sie sprechen und diskutieren über Dinge, die sie nicht richtig verstehen und wundern sich, weshalb bei ihnen die Fragen und Unsicherheiten, anstatt die Klarheiten und Erkenntnisse zunehmen.

In ökumenischen Begegnungen habe ich bemerkt, dass meine Teilnahme, der ich als Mann der Bibel bekannt bin, von manchen Beteiligten nach dem Motto interpretiert wurde: Wenn der mitmacht, der sich so gut in der Bibel auskennt, dann wird, was wir hier machen schon in Ordnung sein. Wenn dann sogar eine ganze Gemeinde dieses Markenzeichens mitmacht ...! (Taufpaten?) Hier können verderbliche falsche Signale gesetzt werden! Das möchte ich nicht, denn wir sind Botschafter an Christi Stelle und haben eindeutige Botschaften abzuliefern. - Gelten heute andere, als die in der Bibel klar herausgestellten Maßstäbe für geistliche Gemeinschaft? NEIN!

3. Das Ziel der Einheit

Jesus gab in Johannes 17,20-21 zugleich mit Seiner Bitte Auskunft darüber, worauf sie abzielte: „Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleich wie du, Vater, in mir und ich in dir; auf dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“

Befürworter der Ökumene meinen, durch den Zusammenschluss von Organisationen die von Jesus erbetene Einheit schaffen zu können. Aber ich frage: „Wie können Menschen, die selbst keine Christen sind, zusammen die Einheit, welche Christus meinte, darstellen?“ Sie können es nicht! - Die Einheit unter Christen ist Gottes Werk. Mit der Wiedergeburt (Johannes 3,3-10) versetzt Gott den Bekehrten in sein Reich, d.h. in Christus. Der Gläubige wird in die EINE (noch unsichtbare) Gemeinde eingepflanzt, wird Glied an dem EINEN (noch unsichtbaren) Leib Christi und ein Stein in dem EINEN (noch unsichtbaren) geistlichen Tempel. - Er genießt eine innige Gemeinschaft der Verbundenheit mit Gott und dadurch mit den anderen Gläubigen. Dem Gebet Jesu zufolge beinhaltet die Einheit aber, dass die Jünger „geheiligt“ werden in der „Wahrheit des Wortes Gottes“ (Vers 17). Christen werden also dadurch untereinander eins und einig, wenn sie das Wort Gottes hören, lesen, studieren, glauben und befolgen. Dann sind sie auf einer Wellenlänge. Dann trennen sie auch keine unterschiedlichen „Frömmigkeitsstile“ mehr, sondern sie sind Nachfolger Jesu.

Jeder, der dies noch nicht ist, soll zu Buße und Umkehr aufgefordert und zum Glauben an Christus aufgerufen werden. Dies untersagt die ökumenische Bewegung jedoch ausdrücklich. Bereits die 3. Vollversammlung des ÖRK 1961 in Neu-Delhi beschloss, dass Angehörige von Mitgliedskirchen nicht missioniert werden dürften (der so genannte „Proselytenbeschluss“), weil vorausgesetzt wurde, dass sie bereits Christen seien. Von der Notwendigkeit der persönlichen Wiedergeburt (Johannes 3) war in Neu-Delhi schon keine Rede mehr. Auf der 4. ÖRK-Vollversammlung 1968 in Uppsala wurde dann auch klargestellt: „Dienst und Kampf um soziale Gerechtigkeit haben deshalb Vorrang vor der Verkündigung.“

Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin davon überzeugt, dass es in den verschiedensten Kirchen wahre Christusgläubige gibt, mit denen ich Gemeinschaft haben kann und möchte. („Ich möchte nicht weniger Geschwister haben, als mein Vater im Himmel Kinder hat.“) Aber an eine „institutionelle Gemeinschaft“, gleichgültig von welcher Kirche glaube ich nicht. Meine Überzeugung von Christsein bezieht sich auch nicht anmaßend auf eine Volksgruppe oder auf ein bestimmtes kulturelles Umfeld.

Die mich bedrängendste Frage in diesem Zusammenhang lautet: Kann ich mit Menschen ehrliche christliche Gemeinschaft haben, die sich hinsichtlich der wichtigsten Frage ihres Lebens in einem lebensgefährlichen Irrtum befinden, ohne es zu wissen und ohne dass ich sie darauf hinzuweisen darf? Kann ich die Gemeinschaft guten Gewissens pflegen, wenn sie es mir gleichzeitig verbietet mit diesen Menschen über diese wichtigste Frage ihres Lebens offen und ehrlich zu sprechen?

Eine Einheit zeichnet sich nicht nur durch Verbunden sein aller Glieder aus, sondern auch durch die Abgrenzung dieser Glieder von allem anderen. Beispiel: Sind siamesische Zwillinge eine oder zwei Personen? Natürlich zwei, aber die Einheit des einen ist durch seine Verbindung mit dem anderen gestört. - In einer Ehe sind Mann und Frau nur dann wirklich „eins“, wenn keiner von beiden noch andere intime Beziehungen hat, sonst wird ihre eheliche Einheit unterwandert und zersetzt. - Die Trinkwasserversorgung einer Stadt ist eine Einheit, die durch verbundene Rohre gebildet wird. Wenn nun aber versehentlich eines der Rohre gleichzeitig mit dem Abwassersystem verbunden ist, bildet das Trinkwassersystem keine Einheit mehr, sondern ist offen und mit allen anderen, schmutzigen Gewässern verbunden. Verbindungen, die gebotene Abgrenzungen auflösen, darf es aber für Christen nicht geben, denn „welche Verbindung haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen?“ (2. Korinther 6,14-15). Für diese biblische Absonderung ist sowohl der Einzelne verantwortlich als auch die ganze Ortsgemeinde, insbesondere ihre Hirten.

Wer „Ja“ zu Jesus und der Einheit der wahren Gemeinde sagt, der muss „Nein“ sagen zu einer organisatorischen Vereinigung von Kirchen, die auf einem menschlichen Fundament aufgebaut ist, die von einem menschlichen Geist beherrscht wird und ein menschliches Ziel verfolgt. - Kann ein richtiges Ziel auf einem falschen Weg erreicht werden? - NEIN!

Manfred Herold

Manfred Herold