Lobgesänge in der Nacht

Apostelgeschichte 16,23-34

Laut krachend fiel die Zellentür hinter Paulus und Silas ins Schloss. Ihre Füße waren im Stock eingeschlossen. Eine schrecklich ungemütliche Stellung. Ihr Missionseinsatz in Europa war offenbar zu Ende.

Dabei hatte alles so verheißungsvoll angefangen: Gott hatte sie selbst gerufen (Vers 9). Sie hatten gehorcht (Vers 10). Mit günstigen Winden waren sie gesegelt (Vers 11). Gott hatte sie zu vorbereiteten Menschen geführt (Vers 13) und der Lydia das Herz aufgetan (Vers 14f). Sie konnten ungehindert in aller Öffentlichkeit predigen (Vers 16). Eine junge Sklavin wurde im Namen Jesu von ihrem Dämon befreit (Vers 18).

Aber dann auf einmal die ganz unerwartete Wende: Falsche Anschuldigungen und vorläufige Festnahme. Man riss ihnen die Kleider vom Leib und vollstreckte eine völlig willkürliche Prügelstrafe, die längst nicht jeder Delinquent überlebte. Danach hieß es: „Ab ins Gefängnis! Da könnt ihr verrotten!“

Der Bibeltext empört sich nicht, er berichtet nur. - Viele Fragen standen im Raum: „Was wird aus uns werden? Und aus den eben Getauften? Mussten die nicht denken, Christus lasse die Seinen im Stich? Konnte oder wollte Jesus Seine Boten vor dieser grausamen Behandlung nicht retten? War Europa vielleicht doch ein zu schwieriges Pflaster?“ - In den folgenden Versen wird gezeigt, wie der auferstandene Herr Jesus Christus durch alle Widerstände hindurch selbst dem Evangelium den Weg bahnt, wie trotz allem und zuletzt erst recht gesungen und damit Gott gelobt wird.-- Der lebendige Herr setzt sich durch:

1. Der Lobgesang des Glaubens erklingt.

Es war Mitternacht geworden. Gebetszeit. Betend singen die beiden Männer Hymnen, also Lieder, die sie auswendig können. Eine eigenartige Situation. So etwas hatte es in diesem Gefängnis gewiss noch nie gegeben. Es fällt auf, dass die beiden Männer auch in dieser so misslichen Lage an ihren Gebetsgewohnheiten festhalten. Sie hatten geübte Sinne (Hebräer 5,14). Das kam ihnen jetzt zugute.

Wer darauf wartet, dass es ihn zum Beten treibt, wird nie wirklich beten lernen. Wir brauchen Ordnung, Regelmäßigkeit, Einübung, Disziplin. Bewusste Gewöhnung kann uns in Krisen ein Stück hindurch tragen. Jesus hat am Kreuz Psalmen gebetet. Natürlich dürfen wir unserem Gott auch geradeheraus sagen, was uns auf dem Herzen liegt, aber besonders in solchen Ausnahmesituationen können gute Gewohnheiten eine nicht zu unterschätzende Hilfe sein. Lieder, Verse, mit denen die Gemeinde Gottes durch viele Jahrhunderte gelebt hat, können uns in Stunden des Schwachwerdens eine Hilfe sein.

Ihre Freude war unabhängig von ihren irdischen Umständen. Die Ursache ihres Singens war der Auferstandene. Jeder kann singen, wenn die Gefängnistüren offenstehen und er frei ist. Jene Nachfolger Jesu jedoch konnten auch im Gefängnis noch singen. (Mütter) Ich vermute, dass Paulus ein Solo hätte singen müssen, wenn ich an Silas´ Stelle gewesen wäre.

Dieses Lob in der Nacht, das trotz allem mit der Übermacht Gottes rechnet, ist Ausdruck echten Glaubens und ehrt Gott. Hier erkennt der Glaube, wie sich der Auferstandene im Leben der Seinen durchsetzt. Nicht als der Wunder tuende Gott, sondern als der auch in äußerst misslichen Situationen friedenschaffende Herr. - Derselbe Herr ist auch heute da und will im Glauben von dir wahrgenommen, in deiner notvollen Situation entdeckt werden. Wie deine Lage auch aussehen mag: Der Herr hat sich heute genau so wenig von dir zurückgezogen, wie Er sich damals von Paulus und Silas zurückgezogen hatte.

Mit ihrem Singen und Beten bekennen sie wider allen Augenschein, dass sogar diese schreckliche und aussichtslos erscheinende Lage nicht an Gott vorbei eingetreten ist. Nicht, dass die Prügel Christen weniger schmerzen würden als andere Menschen. Aber wer im Glauben an der Trotz-allem-Übermacht Gottes festhält, der hat einen starken Halt außerhalb seiner selbst, der ihn hält.

Wer glaubt, weiß, „dass wir durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen müssen“ (Apostelgeschichte 14,22). Nicht, weil Christus daran leider nichts ändern kann, sondern weil Christus nirgends so deutlich zum Zuge kommen kann, wie da, wo wir nur noch Ihn haben und sonst nichts und niemanden mehr. Für Christen sind Schmerzen, Leid, Wut, Verzweiflung, ja sogar der Tod nichts Letztgültiges oder Unabänderliches. Das Gotteslob wird dort am glaubhaftesten gesungen, wo es aus den Tiefen menschlichen Erlebens zu Gottes Thron dringt.

2. Die Befreiung der Glaubenden geschieht.

Der auferstandene Herr setzt sich durch, indem die Gefängnistüren aufspringen. „Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist.“ (Psalm 24,1). Er kann sie schütteln wie und wann Er will. Die Türen springen auf, die Fesseln fallen ab. Der Kerkermeister erwacht, läuft hinunter zu den Zellen, sieht die offenen Türen, nimmt an, dass die Gefangenen, für die er verantwortlich ist, geflohen sind - und will sich umbringen.

Da hört er aus einer der Zellen die Stimme des Paulus, tritt in die Zelle, sieht alle Gefangenen noch anwesend und ist überwältigt. Er wusste genau, warum Paulus und Silas eingekerkert waren, aber die Ereignisse der letzten Minuten vermitteln ihm eine ganz neue Einstellung zu diesen Gefangenen. Gott wollte damals in Philippi wohl deutlich machen: Menschenwillkür kann und darf Meine Boten nicht an der Durchführung ihres Auftrags hindern. Wenn Ich offene Türen gebe, kann niemand zuschließen! Es wird, wenn wir die Bibel in ihrem Zusammenhang lesen, klar, dass Gott nicht immer Seine Gefangenen aus den Gefängnissen dieser Welt herausgeholt hat und herausholt. Damals jedoch tat Er es und Er kann es noch heute tun.

Der auferstandene Herr setzt sich durch. Auch noch so fest verschlossene Türen vermögen Ihn nicht aufzuhalten. Nur vor einer Tür macht Er Halt, sie aufzubrechen ist für Ihn tabu. Das ist die Tür deines Herzens, der Zugang zu deiner Person. Ihn erzwingt Er nicht. (Offenbarung 3,20) Davor wartet Er, dass du Ihn einlässt, damit Er auch in deinem Leben Sein rettendes, erneuerndes und zurechtbringendes Werk tun kann und Ihm auch von dir Lob und Dank dargebracht wird.

Lobpreis ist ein Zeichen der Liebe zu Gott. Liebe und Lobpreis bedingen einander und wurzeln beide im Glauben. Glaube bedeutet nicht einfach, die Wahrheit des Wortes Gottes anzunehmen, sondern aufgrund dieser Wahrheit zu handeln. - Wir dürfen nun aber nicht meinen, Lobgesang sei ein Zaubermittel, das richtig angewandt, sofort die wunderbarsten Ergebnisse zeitigt. Dennoch ist es wahr: wer so betet, singt und Gott lobt, der ist oder wird im Glauben gewiss, dass der lebendige Herr zu Seiner Stunde, so oder anders, Sein Werk weiterführt, die Seinen hindurch trägt oder, wenn Er sie weiter gebrauchen will, zu neuem Dienst befreit. In solchem Vertrauen gründet das Lob der Gemeinde.

3. Das Wunder der Bekehrung passiert.

Wir müssen festhalten: Das Erdbeben war das KLEINE Wunder, die Umkehr des Kerkermeisters hin zu Christus war das GROSSE Wunder. Alles Vorausgegangene erweist sich nun als merkwürdig kompliziertes Vorspiel dieser Bekehrung. Für Gott ist kein Aufwand zu groß, kein Umweg zu weit, um Menschen zu erretten. In Paulus und Silas findet Er willige Mitarbeiter für dieses Unternehmen.

Uns sind leider manchmal schon kleinste Anstrengungen zu viel, geringste Leiden um des Evangeliums willen zu groß, nur ein wenig Selbstverleugnung zu schwer und die Folge ist, dass viele Menschen nicht mit dem Evangelium erreicht werden. An dieser Begebenheit können wir deutlich ablesen, wie wertvoll ein einzelner Mensch in Gottes Augen ist. Erinnern wir uns doch daran, was Christus alles aufgeboten hat, um uns zu retten und wie steht es um unsere Einsatzbereitschaft in Seiner Gemeinde zur Rettung anderer?

Der Gefängnisaufseher nahm in den Vorgängen rund um das Erdbeben etwas von Gottes Größe und Herrlichkeit wahr. Das löste bei ihm Selbsterkenntnis aus, die ihm wiederum seine Erlösungsbedürftigkeit eindringlich vor Augen führte. Er fürchtete sich auf einmal, Gott mit seinen Sünden begegnen zu müssen. So rief er: „Was muss ich tun, um gerettet zu werden?“ Diese Frage muss jeder echten Bekehrung vorausgehen.

Beim Christwerden geht es ja nicht darum, dass man eine neue Vorstellung von Gott, über die Welt und die Menschen bekommt oder sich einer bestimmten Kirche anschließt - beim Christwerden geht es um „Rettung“! Und die schlichte Antwort weist auf den alleinigen Herrn und Retter hin: „Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du und dein Haus gerettet!“ Glauben, das schließt ein: Entscheidung für Jesus, Vertrauen zu Jesus, Gehorsam Jesus gegenüber, Treue zu Jesus! Die ganze Familie des Kerkermeisters lässt sich zu Jesus rufen, fasst Vertrauen zu Ihm, alle werden getauft und alle preisen Gott für ihre Rettung.

Das Lob Gottes muss ihnen nicht entlockt werden, es muss nicht gefordert werden, sie müssen sich nicht dazu zwingen. Die Dankbarkeit Gott gegenüber, das Staunen über Seine Retterliebe, die Verwunderung, dass Er sich der Menschen in solch einer Art und Weise annimmt, bringt das Lob Gottes hervor. Echter Glaube findet im Gotteslob eine vortreffliche Ausdrucksmöglichkeit (Psalm 106,12). Gott erwartet und freut Sich über unseren Lobpreis und unsere Anbetung.

Nirgendwo wird angedeutet, dass seine Familie automatisch errettet werden würde, wenn er sich Christus anvertraut. Gemeint ist, wenn er „an den Herrn Jesus“ glaubte, würde er gerettet werden, und auch sein „Haus“ d.h. alle die zu seinem Haushalt gehörten, würden auf die gleiche Weise „errettet“ werden. „Glaube . . . und du wirst errettet, und dein Haus soll dasselbe tun, um gerettet zu werden.“

Alle drei in unserer Geschichte geschilderten Ereignisse (der Lobgesang, die Befreiung und die Bekehrung) loben Gott, indem sie klar vor Augen führen, dass und wie der auferstandene Herr Sich und Seine Heilsbotschaft wirksam erweist. Wird dein Alltag mehr und mehr vom Lob Gottes durchdrungen? Merken Menschen in deiner unmittelbaren Umgebung etwas davon, dass du einen wunderbaren Gott hast und große Stücke von Ihm hältst?


Manfred Herold

Manfred Herold