MACHT oder DIENST?

Einem Menschen wurde die Gelegenheit geboten, Himmel und Hölle zu besichtigen. In der Hölle sah er lauter abgemagerte, verhärmte Gestalten um reich gedeckte Tische sitzen. Die herrlichsten Speisen standen vor ihnen, aber der ganze Reichtum war für sie unerreichbar, denn ihre Arme waren so mit Gipsbinden umwickelt, dass sie steif waren. Sie bekamen ihre Hand nicht zum Mund. Entsetzt wandte sich der Besucher ab und wurde in den Himmel geführt. Hier fand er eine ebenso reich gedeckte Tafel. Auch hier saßen die Menschen mit geschienten, steifen Armen um den Tisch. Aber im Gegensatz zur Hölle herrschte hier ein fröhliches Treiben. Es schmeckte allen ausnehmend gut. Die Gesichter strahlten Freude und Dankbarkeit aus. Wie das? Einer steckte dem anderen die Leckerbissen in den Mund. „Sie müssen wissen,“ erklärte der Begleiter dem Besucher, „das haben diese Leute schon auf der Erde gelernt und getan.“

Sind wir bereit, es zu lernen, für andere da zu sein? Ich will nicht wissen, ob wir bereit sind, eine weitere Predigt über das Dienen anzuhören, sondern ob wir an diesem Punkt wirklich Jesus ähnlicher werden wollen. Matthäus 20,25-28

1. Die Alternative

Jesus beschreibt in diesen Versen die Art, wie man natürlicherweise in dieser Welt etwas zu erreichen oder zu bewirken versucht, nämlich durch Machtausübung. Dem stellt Er als Alternative die Haltung gegenüber, mit der in der Gemeinde Jesu allein etwas Wesentliches, Bleibendes, Gott ehrendes erreicht werden kann: Dienst. - Machen wir uns die Unterschiede bewusst und lassen wir so unser Denken verwandeln:

Macht wird ausgeübt, wenn ich meine Gaben einsetze, um andere zu beherrschen. Gedient wird, wenn ich anderen helfe, selbst voran zu kommen. Macht wird ausgeübt, wenn ich mich beleidigt zurückziehe, nachdem mir etwas Unbequemes gesagt wurde. Ich diene der Gemeinschaft, wenn ich mich durch das Unbequeme weiterführen lasse. Macht will eigene Ansprüche durchsetzen und meint ein Recht darauf zu haben. Dienst will nicht zuerst etwas für sich, sondern für andere erreichen. Macht wird ausgeübt, wo man glänzen und beachtet werden will, wo man fast um jeden Preis auf sich aufmerksam machen möchte. Dienst wird ausgeübt, wo man Jesus konsequent in den Mittelpunkt allen Interesses stellt. Macht will andere an sich binden, sich verpflichten, abhängig machen. Dienst will befreien, fördern, selbständig machen. Macht ist auf Einfluss und Geltung aus, weil sie die eigene Person in einem helleren Licht erscheinen lassen. Dienst will, dass Jesus allein geehrt wird. Macht will Menschen auf seine Seite ziehen. Dienst will das Vorzüglichere tun, egal ob es den Menschen gefällt oder nicht. Machtausübung degradiert die Mitmenschen zu Objekten. Dienst befähigt sie, ihr Potential zu entfalten. Machtausübung, wie sie in der Gemeinde nicht angetroffen werden sollte, sucht den eigenen Vorteil. Rechter Dienst hat den Vorteil des anderen im Auge.

Nun mag einem auf den ersten Blick etwas wie Machtausübung vorkommen und dennoch ist es Dienst. Wenn Eltern in der Erziehung ihren Kindern Grenzen setzen, so mag das aus der Perspektive der Kinder Machtausübung sein, aber es kann sehr wohl ein nötiger Dienst sein. Die Motivation entscheidet. Die Gemeindeleitung mag Entscheidungen treffen, die wie Machtausübung aussehen, aber dennoch Dienst sind. Die entscheidende Frage ist: Haben wir uns selbst oder das Beste des Anderen im Auge? Wollen wir geehrt werden, oder soll Gott geehrt werden?

2. Die Einstellungen

Welche Einstellungen verhindern oder fördern echten Dienst bei uns?

STOLZ oder DEMUT - Am häufigsten wird wahrer Dienst durch unseren Stolz verhindert. Wir halten viele möglichen Dienst einfach für unter unserer Würde. Wir meinen: Wenn DER nicht, dann ich auch nicht! Wir machen das Verhalten anderer Mitmenschen zum Maßstab für unser Verhalten, anstatt Jesus und Sein Vorbild für uns verpflichtend sein zu lassen (Matthäus 11,28-29). Viele Christen leben nach dem Grundsatz: Wie du mir, so ich dir! Wenn der eine seine Liebe auf 45 reduziert, sinkt sie beim anderen automatisch auf 40 ab. Nach einer Weile ist die Liebe bankrott. Hier ist echte Dienstbereitschaft nötig: wenn dein Partner auf 30 geht, so gehe du auf 70. Wenn du genug Liebe in deine Beziehungen einbringst, dann wirst du sie retten.

Demut (= Verzicht auf eigene Ehre) zeigt sich darin, dass man den echten Wunsch hat, anderen zu helfen. Ein wahrer Diener wird von den Nöten, die andere haben, berührt. Stolze, von sich selbst eingenommene Herzen lassen sich nicht leicht für etwas anderen einnehmen. Ein sicheres Zeichen wahren Dienens ist Anonymität. In dem Maße, wie wir es lernen, selbstlos zu leben und zu dienen, wollen wir lieber anonym bleiben. Unseren Dienst zu verbessern, beinhaltet, unseren Dienst zu vergessen.

GLEICHGÜLTIGKEIT oder LIEBE - Oft kommt es einfach deshalb nicht zu einem helfenden Dienst, weil uns die Menschen, die Hilfe brauchen, gleichgültig sind. „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ Die Gleichgültigkeit weiß von sich zu sagen: „Ich bin mächtiger als alle Armeen der Erde. Ich vernichte mehr Güter als alle Bomben und Kanonen. Ich töte mehr Menschen als alle Kriege. Ich verschone nicht Kind noch Greis, nicht Haus noch Hof. Ich schenke nichts - aber ich nehme alles. Ich bin der schlimmste Feind der Menschen. Du solltest dich vor mir in acht nehmen, aber es ist dir egal.“ Gleichgültigkeit ist das Gegenteil von Liebe (1. Korinther 13,4-5; Matthäus 6,24).

HEUCHELEI oder EHRLICHKEIT - Manchmal verhindert auch fehlende Ehrlichkeit, dass ein Dienst getan werden kann. Man will dem anderen nicht wehtun und verweigert ihm dadurch den lebensrettenden Eingriff. Man ist so sehr darauf aus, geschätzt, geliebt und anerkannt zu werden, dass man es mit der unbestechlichen, aber allein rettenden Wahrheit Gottes nicht mehr so ernst nimmt.

Ehrlichkeit zeigt sich in einer wohltuenden Natürlichkeit, sie hat keine versteckten Beweggründe, keine verborgenen Absichten, keine politischen Machenschaften, keine oberflächliche Redensarten, keine Schönfärberei (2. Korinther 13,8). Sie mag manchmal wehtun, aber nur sie bringt wirklich voran. Wir sind als Diener der Wahrheit verpflichtet. Das Echte und Bleibende, was vor Gottes Thron Bestand hat, soll von uns gefördert werden. Jemand der fortwährend auf die Empfindlichkeiten, den Stolz, die Ehrsucht, die fleischlichen Wünsche derer, mit denen er es zu tun hat, Rücksicht nimmt und darauf eingeht, dient nicht im Sinne Jesu (Johannes 8,32). Manche wünschen zwar stets, die Wahrheit zu hören, können sie aber nicht immer in dem gleichen Maße vertragen. - Menschen, die Masken tragen, können nicht recht dienen, weil Ehrlichkeit ein ganz wesentlicher Bestandteil wahren Dienstes ist.

SORGEN oder VERTRAUEN - Ein Diener sorgt sich nicht. Sorgen ist eine typische „Herreneigenschaft“. Diener wissen, dass nicht sie, sondern ihr Herr die letzte Verantwortung trägt. Sorgen machen einen wirklichen Dienst unmöglich (1. Petrus 5,7).

NACHTRAGEN oder VERGEBEN - Jeder, der ernsthaft anderen dienen will, muss sich dazu entschließen, anderen zu vergeben. Vergeben ist ein absolutes Pflichtfach im Stundenplan eines Dieners. Als wahrer Diener bist du nicht nachtragend, denn du kannst demjenigen, dem du etwas nachträgst nicht dienen.- Wie lernt man vergeben? Konzentriere dich auf Gottes Vergebung für dich. In dem Maß, wie du dir Gottes Vergebung für dich vorstellen kannst, wirst du die Fähigkeit erhalten, anderen zu vergeben.

Wenn wir nicht aufhören, schlecht übereinander zu reden, weshalb sollten wir uns dann noch bemühen, Außenstehende in unsere Gemeinde einzuladen? Wenn sie uns reden hören, werden sie schnell wieder verschwinden, denn die Art, wie unter uns manchmal übereinander geredet wird, wird oft genug sogar von Nichtchristen als beschämend gefunden. Dann ist es m.E. besser, die Menschen Lübecks bekommen gar keinen Eindruck von unserer Gemeinde, als sie bekommen einen solch negativen.

3. Die Kraftquelle

Immer wieder wird gefragt: Wie geht denn das? Woher soll ich denn die Kraft nehmen, die ein Diener braucht? Durch den Glauben empfangen wir die Fähigkeit zu dienen.

Das Bewusstsein der GLAUBENSABHÄNGIGKEIT. - Es beginnt mit und in unserem Denken. Ich fange an so über dieses Thema zu denken, wie Jesus über dieses Thema denkt. Ergebnis: „Ich will dienen!“- Dann wird mir klar: „Ich kann es nicht! Manchmal will ich es auch gar nicht. Aber ich will es um Jesu willen lernen!“ Nur ER kann mich zu einem Diener machen und ER will es auch tun (Hebräer 13,21). Er wohnt durch seinen Geist in mir und kann in mir die Bereitschaft zu dienen wirken! Ich bin dazu berufen Gottes Diener und nicht der Menschen Knecht zu sein. Ich will es lernen, auf IHN zu hören, zu achten, von IHM Weisungen für Dienste zu erbitten und entgegenzunehmen. Dann ist eine wichtige Voraussetzung erfüllt (Psalm 123,2). Der Geist der Liebe Gottes wird mich von meinem Egoismus befreien (Titus 3,15).

Mit jedem neuen Tagesanbruch wird an deine Tür ein frisches, neues Paket geliefert, das „Heute“ heißt. Gott hat uns so geschaffen, dass wir gleichzeitig nur ein Paket brauchen können. Und alle Gnade, die wir brauchen, wird Er uns geben, um diesen Tag nach dem Willen Gottes zu leben.

In erster Linie bestimmt das Leben eines echten Dieners Christi seine beständige Abhängigkeit vom lebendigen Herrn Jesus Christus. (Gebet)

Fange mit kleinen Schritten an, die GLAUBENSHINGABE zu praktizieren (Römer 6,19). Wage es, Dinge, die Gott dir zeigt (diesen Besuch machen, diesen Rat geben, dieses Trostwort sagen) im Vertrauen auf Seinen Beistand zu tun. Die Echtheit der Liebe ist an dem Maß Hingabe ablesbar. Gott hat versprochen, dass Er Seine Kraft in uns ausgießen (Philipper 4,13) und uns mit allem, was wir brauchen, versorgen wird, wenn wir unter Seiner völligen Herrschaft leben wollen. Hingabe bedeutet rückhaltlose Auslieferung an Gott, Seine Herrschaft und Seine Kraft. Einsicht in unseren Mangel, unser Unvermögen, unsere Schwachheit bewirkt Bereitschaft zur Hingabe. Jesu großes Erlösungswerk kann nur durch unsere tägliche Hingabe an Ihn durch uns ausgeführt werden.

Gehe den Weg des GLAUBENSGEHORSAMS. Sei fest entschlossen, als Kind Gottes nichts als den Gehorsam des Glaubens auszuleben. So wirst du nicht mehr in jedem Einzelfall diskutieren müssen: „Will ich das jetzt oder will ich das nicht!“ - Obwohl du sie vlt. nicht spürst, hast du die Kraft zu gehorchen in dir: Christus selbst! Glaube es und wage zu tun, was du tun sollst. Wie? Versuche nicht, allen zu helfen. Fange bei einem an. Suche Wege, den anderen zu unterstützen, zu ermutigen, aufzubauen und zum Guten anzuregen. Das erfordert die Haltung, die lieber gibt als nimmt. Lerne deinen Bruder/Schwester höher zu achten, als dich selbst. Anstatt immer zu denken, was man bekommen könnte, wollen wir anfangen, Wege zu suchen, um zu geben. Anstatt denen etwas nachzutragen, die uns beleidigt haben, wollen wir darauf aus sein, zu vergeben. Das ist Dienst im neuen Wesen des Geistes (Römer 7,6). - Gewöhne dich an den Gedanken, gehorsam zu sein. Rechne damit, dass Gottes Geist dir den Willen Gottes bekanntmacht. Tue aus Gehorsam zu Gott was recht ist und du wirst gesegnet sein. Gehorsam vereint uns mit Gott. Es ist nie zu spät, anzufangen, das Richtige zu tun!



Manfred Herold

Manfred Herold