Sind Christen tolerant?

Ein Bürgermeister musste eine schwierige kommunale Angelegenheit regeln. Er lud die Vertreter der unterschiedlichen Positionen zu Einzelgesprächen ein. Nachdem er den ersten Interessenvertreter angehört hatte, meinte er: „Sie haben recht.“ Nachdem er die zweite Position zur Kenntnis genommen hatte, sagte er zu deren Vertreter: „Ich kann Sie gut verstehen. Sie haben völlig recht.“ Der dritten Partei sagte er ebenfalls: „Selbstverständlich haben Sie recht.“ Sein Sekretär stellte ihn hinterher zur Rede: „Wie können sie denn zu allen sagen: ´Sie haben recht´? Das geht doch nicht; das kann doch gar nicht sein.“ Die Antwort des Bürgermeisters: „Da haben sie ganz recht.“ - Alle haben recht! Wie schön! - Aber so geht das doch nicht! - „Doch, doch, - wenn wir alle ein wenig toleranter sind, dann geht es bestimmt!“ So die heute weit verbreitete Meinung.

1. Die Herausforderung der Toleranz Gottes

Toleranz - was ist damit gemeint? - Das Wort „Toleranz“ kommt von dem lateinischen Wort „tolerare“, „tragen, ertragen“. Deshalb hat das Wort „Toleranz“ heute bei uns allgemein die Bedeutung von „Duldung, Duldsamkeit, Nachsicht“.

In den letzten Jahren hat sich jedoch ein Wandel des Begriffes „Toleranz“ vollzogen. War man früher davon ausgegangen, dass „Toleranz“ in einem eindeutig festgelegten Bezugsrahmen geübt werden sollte, so wird „Toleranz“ mehr und mehr zu einem Wert an sich. - Wie tolerant sind Christen?

Für uns ist Gottes Einstellung zum Thema maßgebend, deshalb schauen wir in die Bibel. Wenn wir fragen: „Finden wir bei Gott eine solche Eigenschaft?“ - dann müssen wir nicht lange suchen, um feststellen zu können: Ja, Gott ist duldsam und nachsichtig! Er trägt, ja ER erträgt die Menschen bis zum heutigen Tag!

Weshalb ist Gott tolerant? Weil er LIEBE ist und von der Liebe heißt es in 1. Korinther 13,5-7: „Die Liebe ... freut sich mit der Wahrheit, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.“ - Hat also Gottes Liebe über seine Heiligkeit gesiegt?

Nein - Jesus Christus hat durch sein Opfer auf Golgatha sowohl der Liebe als auch der Heiligkeit Gottes völlig Genüge getan. Diese Gute Nachricht soll jetzt allen Menschen mitgeteilt werden. Das ist der Grund für Gottes Geduld. (Römer 3,23-26)

Weil Gott um des Opfers Jesu willen „tolerant“ ist, wir Christen selbst Tag für Tag von dieser „Toleranz“ oder Geduld Gottes leben, sind Christen verpflichtet, dieselbe Haltung anderen Menschen gegenüber an den Tag zu legen.

Toleranz muss in Familie und Gemeinde eingeübt werden. Es ist eine Schande für die Kirche Jesu Christi, dass Kreuzzüge, Ketzerverbrennungen und Diffamierung Andersgläubiger und Andersdenkender sie zeitweise mehr charakterisierte, als die von ihrem Gott praktizierte Toleranz. Das gilt auch heute noch: Jesus stellt uns mit seiner Liebe die Aufgabe der Toleranz.

Deshalb sollten in jeder christlichen FAMILIE die Kinder im Geiste recht verstandener Toleranz erzogen werden. Es sollte im Kleinen, wie im Großen deutlich gemacht werden: Wir sagen JA zu allen Menschen, weil Gott zu allen Menschen JA sagt. Egal welche Hautfarbe sie haben, gleichgültig welcher Nationalität oder Religion sie angehören, unsere Achtung und Wertschätzung hat ihren Grund nicht in übereinstimmender Meinung, Nationalität oder Religion, sondern in der Tatsache ihres Menschseins. Eine an solchen Grundwerten ausgerichtete Kindererziehung ist geboten und von Christen zu erwarten.

Daneben sollte auch in der GEMEINDE Jesu Christi eine am Wort Gottes ausgerichtete Weitherzigkeit und Großzügigkeit die Regel sein. Wenn man in der Gemeinde noch nicht einmal genügend Tragkraft aufbringt, um unterschiedliche Erkenntnisse oder Frömmigkeitsstile zu bejahen, dann ist das ein Armutszeugnis und unseres Gottes unwürdig.

In der Gemeinde ist auch deshalb Toleranz angesagt, weil wir den großen Vereinfachern nicht glauben, die behaupten, alles ließe sich auf wenige einfache Formeln bringen. So einfach ist das Leben nicht und wir müssen es lernen, uns in einer angemessenen Weise mit vorhandenen Unterschieden auseinander zusetzen. - Sind wir dazu bereit?

Toleranz ist für Gott kein Selbstwert. Unsere heutige Zeit ist noch von Gottes Geduld gekennzeichnet. Er hält seinen Zorn, trotz der unglaublichen Frechheiten seiner Geschöpfe, noch zurück. Diese Haltung sollten wir achten und ehren, indem wir die für uns nötigen Konsequenzen aus ihr ziehen: „Oder verachtest du den Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?“ (Römer 2,4)

Gott duldet noch vieles, weil er uns zu besseren Einsichten führen möchte. Wir sollen unsere Fehlerhaftigkeit deutlicher erkennen und im Vertrauen auf seine Kraft unser Leben ändern. Dazu sollen wir die uns gegebene Zeit nutzen.

In 2. Petrus 3,9-10 können wir spätestens feststellen, schwingt auf einmal noch ein ganz anderer Ton mit. Es ist von Gericht die Rede! Dann ist also Schluss mit lustig! Wie passt das zum Thema?

2. Die Grenzen der Toleranz Gottes

Die Bibel zeigt uns, dass Gott in unserer Zeit (!) die Menschen im allgemeinen nach dem Grundsatz der Toleranz behandelt. Das heißt für uns: Wir sollen den Menschen lieben, aber nicht den Schmutz, in dem er sich befindet und sich vielleicht wohl fühlt. Wir sollen den Egoisten lieben, nicht jedoch seine egoistische Einstellung. Wir sollen den Homosexuellen lieben, nicht jedoch seine Lebensweise. Wir sollen den Rassisten lieben, nicht jedoch den Rassismus. Wir sollen diejenigen lieben, die in wilder Ehe leben, nicht jedoch diese Form der Gemeinsamkeit. Wir sollen die Alkoholiker, die Raucher und die Drogenabhängigen lieben, nicht jedoch ihre Sucht. Wir lieben die Evolutionisten, die Nationalisten, die Kommunisten, die Atheisten... aber wir hassen die Sünde, die sie verführt und ihr Denken versklavt hat. - Hier haben wir in der Gemeinde noch viel zu lernen.

Aber aufgepasst: Denen, die sich in die Gemeinschaft mit Gott haben rufen lassen, die Vergebung und Neues Leben mit all ihren Möglichkeiten empfangen haben, also den Gliedern seiner Gemeinde, begegnet Gott ANDERS. Auch sie trägt Jesus in Geduld. Aber weil Christen durch den Heiligen Geist befähigt sind, ein Leben nach Gottes Willen zu führen, sollen sie es auch tun und sind dafür verantwortlich es zu tun. Jeder Christ kann sich von der Sünde abwenden, wenn er will. Dieser Wille zur Heiligung wird bei jedem Christen vorausgesetzt und deshalb kann das Festhalten an der Sünde bei Christen nicht geduldet werden. (1. Korinther 5,11)

Früher war man der Überzeugung: Es gibt nur eine Wahrheit und man kann im Prinzip genau sagen, was die Wahrheit ist. Heute treffen wir in fast allen Bereichen des öffentlichen und kirchlichen Lebens eine Einstellung an, die immer mehr an Einfluss gewinnt und die besagt: „Es gibt nicht nur eine Wahrheit, sondern viele Wahrheiten. Jeder hat seine Wahrheit. Wäre es da nicht intolerant, dem anderen seine Wahrheit zu bestreiten? Kann und darf nicht jeder denken, was und wie er will?“

Selbstverständlich darf jeder denken und glauben, was er will. Deshalb ist aber noch längst nicht alles, was jemand denkt, schon deshalb Wahrheit, weil er es denkt. Christen, die sich dem Wort der Heiligen Schrift verpflichtet wissen, bekennen nicht irgend ein abstraktes Lehrsystem als Wahrheit. Die Wahrheit, der sich Christen verpflichtet wissen ist die Person Jesus Christus, der von sich bekannte:„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich!“ (Johannes 14,6)

Er ist die einzige Wahrheit, weil er der einzige Retter von Sünden, der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist. Das ist eine Tatsache, ob sie Zustimmung findet oder nicht. - Hast du IHN schon angenommen?

Es gibt Wahrheiten, die völlig unabhängig von unserer Zustimmung oder Ablehnung ihre normative Bedeutung behalten. Nehmen wir z.B. die Mathematik. Wir haben gelernt 3 + 5 = 8. So rechnet die ganze Welt, so ist es eben. Wenn nun jemand käme und sagen würde: „Nun lasst uns doch etwas toleranter sein. Warum sollte 3 + 5 manchmal nicht auch 7 oder 9 sein? Wir sind doch nicht so engstirnig! Viele Menschen würden uns applaudieren.“ - Die Welt würde in ein Chaos stürzen.

Oder stellen wir uns vor, im Zuge der allgemein um sich greifenden Toleranz würde vom Gesetzgeber die Aufhebung der Gravitationsgesetze täglich von 8 bis 9 Uhr verfügt werden. Wer würde mit mir vom Dach springen, um es auszuprobieren? Die Folge dieser „Toleranz“ würde jeder am eigenen Leibe erleiden müssen. Er kann noch so sehr von der Bedeutung der Toleranz überzeugt sein, es bliebe die Tatsache, dass man ihn mit dem Besen zusammenfegen muss, wenn er vom Dach springt.

Verpflichtung und Grenzen der Toleranz - Toleranz kann also niemals bedeuten, die feststehende Wahrheit, dass Jesus Christus der einzige Retter aus dem Dilemma der Sünde ist, zur Disposition zu stellen. Das legitime Toleranzdenken wird heute dahingehend pervertiert, dass die Frage nach gültiger Wahrheit kaum noch gestellt wird. Es kommt zu einer Gleichgültigkeit gegenüber Wahrheitsansprüchen. Auf Bewertungen wird verzichtet. Toleranz wird hierbei nicht mehr als respektvolle Verhaltensweise verstanden, sondern zu einem religiösen Letzt-wert erhoben. Solch eine falsch verstandene Toleranz lehnen Christen ab.

Christen werden darum dem Andersdenkenden im Blick auf die Wahrheit, die allein zu retten vermag, ebenso intolerant begegnen, wie sie ihm als Person mit unbedingter Toleranz, Freundlichkeit, ja der Bereitschaft zum Leiden begegnen werden. Nur so entsprechen wir dem Vorbild dessen, der um der Wahrheit willen sein Leben für die opferte, die seine Feinde waren. Diese Wahrheit IST zwar nicht tolerant, aber sie MACHT tolerant!

3. Die Gefahren der allgemeinen Toleranz

Alles wird „gleich – gültig“. In Deutschland haben die großen Kirchen ihre weltanschauliche Monopolstellungen längst eingebüßt. Die Menschen leben faktisch und bewusstseinsfähig in einer multikulturellen, vor allem aber multireligiösen Gesellschaft. Die Lebenseinstellung des „erlaubt ist, was gefällt!“, gilt zunehmend auch für den Bereich, der eigentlich am wenigsten subjektiver, persönlicher Beliebigkeit ausgesetzt sein sollte: für das Verhältnis des Menschen zu Gott.

Einem solchen Wahrheitspluralismus erscheint eine Auseinandersetzung um DIE Wahrheit nicht nur müßig, sondern geradezu überflüssig zu sein. Denn wenn es viele Wahrheiten gibt, wäre es arrogant und letztlich eine Bedrohung des Friedens, wenn eine Partei der anderen unbedingt „ihre Wahrheit“ aufdrängen will. Es wird alles „gleich gültig“. Sehen wir diese Gefahr?

Wie intolerant diese allgemeine Toleranzforderung ist, zeigt sich daran, wenn Christen im Namen der Toleranz aufgefordert werden: „Verzichtet doch gegenüber anderen Religionen auf euer intolerantes Bekenntnis, dass in keinem anderen Namen das Heil sei außer im Namen Jesus (Apostelgeschichte 4,12)!“ Hier steht ja nicht bloß ein Detail, sondern der Kern des christlichen Glaubens auf dem Spiel. Hier dürfen wir nicht zurückweichen!

Und weiter: Sind Muslime noch Muslime wenn sie das Bekenntnis zu Allah als dem Alleinherrscher aufgeben sollen? Sind Hindus noch Hindus, wenn sie die Vorstellung der Seelenwanderung durch Reinkarnation nicht mehr als allgemeingültig bekennen sollen?

Das pluralistische Wahrheitsallerlei kann die eine Wahrheit also nur bestreiten, indem es sich selbst als die eine und einzige Wahrheit darstellt. Sie nimmt also für sich in Anspruch, was sie im gleichen Atemzug bestreitet. Sie gebärdet sich als die eine Wahrheit, von der sie doch behauptet, dass es sie gar nicht gibt. (Seelsorgekongress) Im Namen der Toleranz wird häufig schon massive Intoleranz ausgeübt. - Durchschauen wir dieses Diktat?

Christen werden zu Störenfrieden erklärt. Dieser Wahrheitspluralismus wird weltweit immer deutlicher zu DEM Mittel der Problemlösung (Bürgermeister). Denn, so wird gefragt, wie können Gruppen verschiedener religiöser Überzeugungen mit - und nebeneinander auf einer immer kleiner werdenden Erde existieren? Die Antwort lautet: „Ganz einfach: Es gibt doch nicht nur EINE Wahrheit, sondern viele Wahrheiten. Jede Gruppe soll die Wahrheit der anderen respektieren; keine Gruppe darf der anderen ihre Wahrheit absprechen.“

Mehr und mehr werden Christen, die z.B. der Bibel als absoluter göttlicher Norm glauben als „Fundamentalisten“ und „ewig Gestrige“ an den Rand unserer Gesellschaft geschoben. Wir werden so zu Feinden einer Weltordnung erklärt, in der alle Religionen gleichberechtigt nebeneinander existieren dürfen und keine mehr einen Alleinvertretungsanspruch für sich geltend macht. Wer sich dann also noch nicht vom Massengeist gelöst hat, wird mit der Masse untergehen. - Stellen wir uns konkret darauf ein?

Verpflichtet uns die Liebe zu Gott noch zum Gehorsam? Wem wissen wir uns in unserem unser Denken, Reden und Verhalten verpflichtet? Ist es tatsächlich Gott, oder sind es unsere Mitmenschen? „Was werden wohl die anderen sagen? Was werden sie von mir denken?“

  • Wir müssen es lernen, unsere eigene Meinung und unseren Glauben nicht aufdringlich, aber mit Nachdruck zu vertreten, statt nur darauf bedacht zu sein, ja nicht aufzufallen!

  • Wir müssen es lernen, uns mutig einzumischen, wenn ansonsten nationalistische oder rassistische Sprüche unwidersprochen bleiben, statt nur ja nicht aus der Reihe zu tanzen.

  • Wir müssen es lernen, frei von Menschenfurcht zu werden, anstatt immer weiter die Ächtung durch die Gesellschaft zu fürchten und Angst vor Liebesentzug zu haben. Menschenfurcht macht uns zu Menschenknechten (Galater 1,10), was zum Untergang führt. Sogenannte Toleranz ist manchmal nur eine Tarnkappe für Feigheit.

  • Wir müssen es lernen, uns nicht mehr widerspruchslos dem herrschenden Lebensgefühl, der totalen Konsumhaltung, dem allgegenwärtigen Egoismus, dem Anspruchsdenken, der Dienstleistungsmentalität, der Erfolgsorientierung, der Bequemlichkeit zu beugen, sondern biblische Alternativen der Lebensführung zu entwickeln. Den meisten Menschen wird heute nicht das Rückgrat gebrochen, wie in den Diktaturen früherer Zeiten, sondern es wird ihnen einfach, manchmal ohne dass sie es bemerken, heraus manipuliert.

Wenn wir davon überzeugt sind, dass man Gott aus Liebe mehr gehorchen muss als den Menschen, müssen wir uns fragen, ob wir konkret gehorchen WOLLEN. Viele Christen kennen die große Rolle nicht, die Gott ihrem handelnden Willen zuerkennt. Sie sind in dem Missverständnis gefangen, unser Glaube habe in erster Linie etwas mit unserem Denken oder unseren Gefühlen zu tun. Gott ist jedoch an unserem Denken nur insofern interessiert, als richtiges Denken unseren Gehorsam ermöglicht. Aber der Gehorsam kommt nur zustande, wenn ich um jeden Preis gehorchen WILL. Glaubensgehorsam ist immer Willensbetätigung (Johannes 7,17; Matthäus 7,21).

So lautet die entscheidende Frage also: WILLST du gottgemäße Toleranz üben? WILLST du biblische Toleranz einüben? WILLST du die Wahrheit des Evangeliums ungeschmälert bezeugen? WILLST du daran arbeiten, deine Menschenfurcht zu überwinden?

Natürlich erfordert das MUT. Aber ist es Christus nicht wert, dass man mutig für ihn eintritt? Es erfordert Mut, seine Sünden zu bekennen, sich zu bekehren, sich taufen zu lassen, wenn man viel lieber so weiterleben würde, wie bisher. Es erfordert Mut, andere Menschen zu Jesus zu führen, wenn sie vielleicht mit ihrem unerlösten Leben ganz zufrieden sind. Apostelgeschichte 4,12



Manfred Herold

Manfred Herold