Umfassender Glaube

Als Kinder unserer Zeit sind wir beeinflusst und geprägt von der modernen Technik. Wir suchen in der Regel einfache und schnelle Lösungen. Mit den computergestützten Möglichkeiten erscheint deshalb vielen Zeitgenossen kein Problem mehr zu groß und keine Frage mehr zu schwer zu sein, als dass uns nicht in kürzester Zeit präzise Antworten und umfassende Lösungen geliefert werden könnten.

So ist auch vielen Christen ihr Glaube zu einer „Technik der Wunschbefriedigung“, zu einem willkommenen „Sesam öffne dich!“ für komplexe Problemsituationen geworden. - Aber solche Glaubensvorstellungen sind unbiblisch und müssen deshalb zurückgewiesen werden. Gott darf nie als „Mittel zum Zweck“ angesehen und missbraucht werden. Er ist nicht dazu da, das Wohlergehen Seiner Geschöpfe zu sichern. Gott will wohl das Beste für Seine Kinder und die ganze Welt, aber Seine Wert- und Zeitvorstellungen sind oft himmelhoch von unseren entfernt. („Denn wie der Himmel die Erde überragt, so sind auch Meine Wege viel höher als eure Wege und Meine Gedanken als eure Gedanken“ - Jesaja 55,9)

Frage: Erkennen wir Gottes väterliches Wirken nur in den froh machenden, friedeschaffenden Wundern Seiner Gnade, oder auch in den schmerzvollen, enttäuschenden Erfahrungen von Dunkelheit und Verzweiflung? Woran denken wir spontan, wenn wir von „Glauben“ sprechen?

1. Die oft missverstandenen herrlichen Erfahrungen des Glaubens

Was soll ich noch sagen? Die Zeit würde nicht ausreichen, wenn ich alles erzählen wollte, etwa von Gideon, Barak, Simson, Jeftah, David, von Samuel und den Propheten. Durch Glauben haben sie Königreiche niedergezwungen, Gerechtigkeit geübt, die Erfüllung göttlicher Verheißung erlangt, Löwen den Rachen gestopft, Feuersglut ausgelöscht. Sie sind der Schärfe des Schwertes entronnen, sie sind stark geworden in aller Schwachheit (oder: sie sind von mancherlei Krankheit geheilt worden). Im Krieg sind sie Helden gewesen und haben feindliche Heere in die Flucht geschlagen. Frauen haben ihre Toten durch Auferstehung zurückerhalten....“ - (Hebräer 11,32-35a)

Zuerst will ich mit allem Nachdruck betonen: Unser GLAUBE vermag gar nichts! Unser Glaube IST keine Kraft und HAT keine Kraft! Biblischer Glaube lebt allein von der Kraft, der Macht und der TREUE des großen, wunderbaren GOTTES, der in Jesus Mensch wurde, für unsere Sünden starb und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt worden ist.

Glaube ist also keine Psychotechnik, die das Beste aus dem Menschen herausholt. Glaube ist nicht die „Kraft des positiven Denkens“, die mit guten Mächten neben Jesus rechnet. Glaube ist auch keine Autosuggestion, die versucht, aus dem, was man sich selbst einredet, Kraft zu schöpfen. Biblischer Glaube ist eine vertrauensvolle, persönliche Beziehung zu Jesus Christus, dem lebendigen Gott der Bibel.

Durch Menschen, die auf diese Weise mit Seinen Möglichkeiten rechneten, hat Gott in der Vergangenheit die Dinge getan, die in Hebräer 11 beschrieben werden. Und auch heute tut Gott durch gläubige Menschen Großes zu Seiner Ehre. Deshalb betonen wir in Übereinstimmung mit dem Zeugnis der Heiligen Schrift, dass der lebendige Gott auch in unserer Zeit nichts von Seiner Wirksamkeit verloren hat und wir mit Recht Großes von Ihm erwarten sollen.

Dabei hüten wir uns jedoch vor 2 Missverständnissen:

1. Wir dürfen aus der Tatsache, dass Gott segnet oder Wunder wirkt, nicht den falschen Schluss ziehen, dass Er damit den untadeligen Wandel Seines Mitarbeiters bestätigt, durch den Er wirkt! - Das wäre pure Selbstgerechtigkeit, denn alles Wirken Gottes durch Menschen ist und bleibt Gnade, d.h. unverdientes Geschenk um Jesu willen.

2. Obwohl ich fest mit den unbegrenzten Möglichkeiten Gottes rechne, halte ich Wunder nicht für das Normale im Alltag eines Christen. Jesus konnte z.B. auf dem Wasser gehen und machte es sogar Seinen Jüngern möglich (Matthäus 14,29), aber NORMALERWEISE benutzte Er ein Boot. - Jesus konnte eine riesige Menschenmenge mit fünf Broten und zwei Fischen speisen, aber NORMALERWEISE kauften Seine Jünger ihr Essen bei einem Händler. Jesus hat zwar einen Sturm gestillt, aber der Apostel Paulus hat in einem Sturm Schiffbruch erlitten (Apostelgeschichte 27).

Wir sehen in solchen Zeichen und Wundern keinen Hinweis darauf, dass hier und jetzt schon die „volle Erlösung“ erfahrbar wäre. - Das wäre ein Irrtum, der die verheißene, aber noch ausstehende Vollendung schon hier und heute vorwegnehmen wollte. Jesus hat nicht versprochen, schon heute „alle Tränen abzuwischen“ (Offenbarung 21,4). Hier und heute geschieht noch manches mit Seufzen und Klagen (Römer 8,23).

Ich möchte mit dem Gesagten jedem Zuhörer Mut machen, zuversichtlicher mit Gottes Verheißungen in seinem Leben zu rechnen und von Jesus Größeres zu erwarten als bisher. - Ich möchte darauf hinweisen, dass der Glaube kein „Zaubermittel“ ist, mit dem sich alle Probleme unseres Lebens hier und heute schnell lösen lassen. - Ich möchte unsere Geduld und Hoffnung stärken, auf die noch ausstehende Vollendung des Heils zu warten, das Christus erworben hat.

2. Die häufig unverstandenen notvollen Wege des Glaubens

Andere aber haben sich martern lassen und die angebotene Freilassung ausgeschlagen, um dafür eine bessere Auferweckung zu erlangen. Andere haben Spott und Geißelung, Fesseln und Kerkerhaft über sich ergehen lassen; sie wurden gesteinigt, verbrannt, gefoltert, zersägt oder kamen durchs Schwert um. Sie zogen umher, in Schafpelze und Ziegenfelle gehüllt. Sie litten Mangel, Entbehrung und erfuhren Misshandlungen. Sie waren Menschen, deren die Welt nicht wert war. Sie mussten in Wüsten und auf Bergen umherirren und sich in Höhlen und Klüften der Erde verborgen halten. Sie alle bekamen (von Gott) ein gutes Zeugnis wegen ihres Glaubens, aber die Erfüllung der ihnen gegebenen Verheißung haben sie nicht erlebt. Gott hatte etwas Besseres für uns vorgesehen, und ohne uns sollten sie nicht zur Vollendung kommen.“ - (Hebräer 11,35b-40)

Mit Vers 35a ist dieses große Glaubenskapitel noch nicht zu Ende. Denn es gab und gibt „ANDERE“, die ganz andere GLAUBENSERFAHRUNGEN machen. Da ist scheinbar genau das Gegenteil von dem passiert, was wir gerade beschrieben haben: sie wurden von Löwen gefressen, sie wurden verbrannt, sie fielen durchs Schwert, sie starben kraftlos, sie wurden im Kampf besiegt usw. Und doch heißt es auch von ihnen: „Sie alle erhielten (von Gott) ein gutes Zeugnis um ihres Glaubens willen, aber sie sahen nicht die Erfüllung der Verheißung, die ihnen gegeben war“ (Vers 39)! Ja, ihnen wird sogar das Zeugnis ausgestellt: „...sie, deren die Welt nicht wert war...“ (Vers 38)! Wir sollten beachten, dass gerade ihr Glaube, ihre Treue, ihre Leidensbereitschaft und ihre Standhaftigkeit besonders rühmend hervorgehoben werden. Und nur wenn unser Glaube auch diese Eigenschaften zeigt, werden wir nicht durch unbiblische Überzeugungen erheblichen Schaden erleiden und/oder bei anderen Christen verursachen.

Denn zu allem Überfluss sind es meist die Starken und Gesunden, welche die Schwachen, Kranken und Beladenen belasten oder schädigen. Es ist m.E. entweder blanker Schwachsinn oder pharisäische Arroganz, wenn z.B. jemand behauptet: „Wer als Christ richtig glaubt, dem bleibt Krankheit und Leid erspart“.

Christen bleiben Leiden nicht erspart, sie sind ihnen geradezu verheißen („Sie - Paulus und Barnabas - stärkten und ermutigten die Gläubigen, am Glauben festzuhalten, und erinnerten sie daran, dass wir alle durch viele Bedrängnisse hindurch zum Reich Gottes gelangen müssen.“ - (Apostelgeschichte 14,22). Wer von Christus, dessen ganzes Erdenleben in der Formel „gelitten unter Pontius Pilatus" zusammengefasst ist, Leidensfreiheit erwartet, wird enttäuscht werden (Matthäus 5,4). Ich habe den Eindruck, dass wir auf eine Zeit zugehen, in der unsere Stellung zum Leiden unsere Stellung zu Jesus bestimmen wird.

Wenn wir Gott nur erkennen, wenn die Sonne scheint, bleibt unsere Erkenntnis oberflächlich. Nur wenn wir lernen, Ihm in stürmischen Zeiten zu vertrauen, wird unsere Beziehung zu Ihm reifen. Das am weitesten entfernte Objekt, das wir am Tag sehen können, ist die Sonne. Aber in der Dunkelheit der Nacht sehen wir unzählige Sterne, die viel weiter entfernt sind als die Sonne.

Heute leben viele Christen, wie die Welt, nach dem Motto: Nur Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Spaß, Kraft und Vitalität zählen. Krankheit, Not und Leid werden verdrängt, überspielt, als störend empfunden, nicht zur Kenntnis genommen. Eine solche Haltung ist falsch und gefährlich (Jesus sagt in Lukas 5,31: „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken“).

Ich möchte mit dem Gesagten helfen, nicht ALLEIN in der Heilung ein Zeichen des Glaubens zu sehen, nicht NUR im Wunder das Wirken Gottes zu erkennen. - Ich möchte zur Umkehr aufrufen, d.h. zum Umdenken. Wir dürfen nie mehr so über den Glauben reden, dass Kranke, Traurige, Leidende unter uns ein schlechtes Gewissen bekommen oder sich gar in ihrer Beziehung zu Gott in Frage gestellt fühlen, nur weil sie krank sind. - Ich möchte vor leichtfertigen, billigen „Vertröstungen“ warnen, ohne die wirkliche Situation des Betroffenen auch nur annähernd erfasst zu haben. Hier wird leicht Mitgefühl vorgetäuscht, das gar nicht vorhanden ist.

3. Die stets wohlverstandene hilfreiche Fixierung des Glaubens

Deshalb wollen auch wir, da wir uns von einer solchen Wolke von Zeugen umgeben sehen, alles, was uns beschwert, und (besonders) die uns so leicht umstrickende Sünde ablegen und mit standhafter Ausdauer in dem uns verordneten Wettkampf laufen, indem wir dabei hinblicken auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um den Preis der Freude, die Ihn (als Siegeslohn) erwartete, den Kreuzestod erduldet und die Schmach für nichts geachtet hat, dann sich aber zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat.“ - (Hebräer 12,1-2) - In diesen beiden Versen wird uns gesagt, wie wir diese Standhaftigkeit im Glauben bekommen können. Wenn wir aufmerksam auf Jesus schauen, können wir wichtige Lektionen lernen:

Jesus wurde durch etwas stark motiviert, angetrieben, gezogen, das Kreuz zu ertragen und die Schande (die damit verbunden war) nicht zu beachten.

Dieses „etwas“ war die Erwartung wahrer, voll befriedigender, bleibender Freude. Jesus hatte gelernt, über diese sichtbare, zeitliche Welt hinauszublicken. Weil also die ewige Freude und Herrlichkeit für Ihn Wirklichkeit war, verlor Er in aller Traurigkeit, Not und Qual nie die Hoffnung und verzweifelte nicht.

In Leid und Not zeigt sich, wie real unsere Hoffnung ist. „Darum lasst uns zu Jesus hinausgehen vor das Lager und die Schmach auf uns nehmen, die auch Er getragen hat. Denn hier auf Erden gibt es keinen Ort, der uns wirklich Heimat ist und an dem wir für immer bleiben können. Unsere ganze Sehnsucht gilt der zukünftigen Stadt, zu der wir unterwegs sind“ (Hebräer 13,13-14).

Zum Leben in dieser Welt gehört für die Jünger Jesu ein Schmerz, den wir annehmen müssen. Jesus hat den Schmerz nicht geleugnet. Er hat sich ihm gegenüber nicht immunisiert, sondern Er hat über ihn hinausgeschaut. Jesus wurde durch Sein Leiden nicht verbittert und enttäuscht. Seine Liebe zum Vater bewahrte Ihn vor Verzweiflung und Depression (Lukas 23,34).

Jesus wusste, dass in diesem Leben viele Wünsche unerfüllt bleiben und manche Hoffnungen enttäuscht werden. Aber Er wusste auch, dass Er deshalb nicht lieblos, kraftlos und mutlos werden musste. Weil Er konsequent für den Vater und für die anderen lebte, sah Er sein höchstes Lebensglück gerade nicht in der Befriedigung Seiner eigenen Wünsche, sondern darin, in Liebe für den Vater und für die anderen da zu sein.

Darum versuche nicht, alles verstehen zu wollen, was dir widerfährt. Auf viele Fragen werden wir in diesem Leben keine Antwort bekommen (Psalm 73,16). Auch wenn du dein Leid vor Gott bringst, wird es dadurch nicht in jedem Fall verständlicher und erklärbarer, aber auf jeden Fall erträglicher (Psalm 73,23+26). Aus anklagenden Fragen an Gott wird ein ruhiges Gespräch mit Gott.

Der wahre Trost liegt in der Treue, mit der der Tröstende den Leidenden begleitet (Jesaja 66,13). Gott holt uns nicht aus allem Leid heraus, aber Er kommt gewiss in unser Leid hinein. Jesaja 41,10: „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir. Fürchte dich nicht, denn ich bin dein Gott! Ich stärke dich und helfe dir und halte dich aufrecht mit meiner siegreichen rechten Hand.“ Diese Gewissheit trägt. Auch wenn du zu schwach bist, Gottes Hand zu ergreifen - Er hat sie längst ergriffen und lässt dich nicht mehr los.

Vielleicht wird es einmal dunkel in deinem Leben. Aber wenn ein Zug durch einen Tunnel fährt und es dunkel wird, dann wirfst du auch nicht deine Fahrkarte weg und springst schreiend aus dem Zug. Du bleibst ruhig sitzen und vertraust dem Lokführer.

Glaube heißt: Ich vertraue mich Jesus an und weiß, dass Er mich trägt, auch wenn ich nichts mehr kann.

Glaube heißt: Ich habe nichts - Du hast alles!

Glaube heißt: Ich lerne mit Fragen zu leben, auf die ich in dieser Zeit keine Antwort bekomme!

Ich möchte uns mit dem Gesagten einladen, das Hoffnungsgut der Bibel besser kennen zu lernen, damit wir gerade in schweren Tagen die Freude und Kraft der Hoffnung erfahren können. - Ich möchte daran erinnern, dass der Glaube die einzige Haltung ist, die es Gott ermöglicht, in uns Wohnung zu nehmen (Epheser 3,17), um Sein Werk an und in uns zu tun. - Ich möchte dazu ermutigen, das „Ja“ Gottes zu uns nicht an Gesundheit, Erfolg und Wohlstand abzulesen, sondern allein am Kreuz von Golgatha. - Ich möchte uns neu bewusst machen, dass erst vollkommene Beziehungen zwischen vollkommenen Menschen in einer vollkommenen Welt vollkommenes Glück ohne Schmerz und Leid Wirklichkeit werden lassen können. - Amen



Manfred Herold

www.heroldbotschaften.de

Manfred Herold