Was ist die wichtigste und größte Bitte?

Wohl jeder, der auch nur ein bisschen darüber nachdenkt, wird auf diese Frage hin Wünsche formulieren, die mit ihm oder dem, was ihm wichtig erscheint, zusammenhängen. (Weltklima, Gesundheit, Flüchtlinge, schwer krankes Kind – früher waren es Atomkraft, jetzt CO2) Wir gehen alle von Natur davon aus, dass das Wichtigste und Größte, was es zu erbitten gibt, irgendwie mit uns Menschen zu tun haben muss. - Nur - stimmt das?

Im „Vater-unser“ weist Jesus darauf hin, dass alle, die den Zuspruch des Evangeliums, dass Jesus ihnen ihre Schuld vergibt, dankbar angenommen haben, Gott nun ihren „Vater“ nennen dürfen und sollen. ER soll fortan ihr Denken, Fühlen, Bewerten, Reagieren und Handeln bestimmen. Nach dieser Einleitung weist Jesus Seine Jünger an, fortan drei Bitten ihr Beten beherrschen zu lassen: „Geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe“. So habe ich es gelernt und bisher verkündigt.

Aber als Schüler Jesu gibt es immer noch mehr zu erkennen und dann zu bekennen.

1. Die Entfaltung des Geheimnisses.

Lange konnte ich mit der ersten Bitte: „Geheiligt werde Dein Name“ nicht viel anfangen. Diese Bitte klingt so seltsam abstrakt und scheint meilenweit von den Fragen entfernt zu sein, die uns heute umtreiben. - „Was sind schon Namen?“ „Namen sind Schall und Rauch" sagt Goethe im Faust, - heute gefeiert, morgen gefeuert, - heute in den Himmel gehoben und morgen verdammt und vergessen. - Und was bedeutet es überhaupt, einen Namen zu „heiligen“?

Genau betrachtet, ist diese erste Bitte zunächst einmal nichts anderes als ein Sündenbekenntnis. Sie bringt zum Ausdruck: „Vater, dein Name - und das heißt ja du selbst - spielst in meinem Leben, in meiner Familie, in meinem Beruf, in meiner Gemeinde, in meiner Stadt eine so untergeordnete Rolle, dass es eine Schande ist; d.h. Vater, Du wirst so wenig für etwas Besonderes, Bewundernswertes, Schönes, Kostbares, Einzigartiges, Bedeutendes, Wertvolles gehalten, dass es eine Schande ist. - Zeige mir, wer Du in Wahrheit bist, was ich an Dir habe, damit ich Dich recht ehren, d.h. Deinen Namen heiligen lerne.“

Denn der Kern aller Sünde ist nach Römer 1,21 („weil sie Gott zwar kannten, Ihm aber doch nicht als Gott Verehrung und Dank dargebracht haben, sondern in ihren Gedanken auf nichtige Dinge verfallen sind...“) ja die Weigerung, Gott die Ehre zu geben, d.h. Seinen Namen zu heiligen. Als der Mensch „sein wollte wie Gott“, d.h. als er aufhörte, Gott „heilig“ (d.h. für seinen einzigartigen Schatz, für den Grund und Anlass allen Lichts, aller Freude und allen Glücks) zu halten, brach das Chaos der Sünde über die Schöpfung herein.

Die neue Schöpfung, die Jesus schafft, trägt deshalb als größten Wunsch im Herzen und als erste Bitte auf den Lippen: „Geheiligt werde Dein Name“ (heiligen = für etwas Besonderes halten, weihen, verehren, erheben). Dieses Verlangen, dass Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus und damit unser Vater, wieder umfassend zu Seinem Recht kommt, dass IHM die Ehre, die Anerkennung zuteil wird, die Ihm gebührt, dass Er so geliebt wird, wie Er es verdient, kennzeichnet jeden echten Christen! (Dich auch?) Deshalb sollten wir uns stets zuerst selbst prüfen, ob etwas in unserem Leben den Vater verunehrt d.h. Ihm die Anerkennung als höchstem Wert streitig macht.

Wenn sich schon jeder normal empfindende Mensch gegen eine Beleidigung seiner Mutter wendet, um wie viel mehr sollte jeder Christ jeder Verunehrung seines himmlischen Vaters entgegentreten!

2. Unser höchster Schatz

Jahrelang hatte ich aber Wichtiges übersehen. Allmählich wurde mir klar, dass die erste Bitte „Geheiligt werde Dein Name!“ - nicht nur eine von den dreien am Anfang des Vater-unsers war. Sie war und ist nicht zufällig die erste Bitte! Sie bringt explizit (= betont, deutlich) die kennzeichnende Reaktion des menschlichen Herzens zum Ausdruck, die Gott von allen Menschen in diesem Gebet erwartet: das Heiligen, Verehren, Hochschätzen, Bewundern und Rühmen des Namens Gottes, d.h. von Ihm selbst, mehr als alles andere in der Welt. Keine andere der fünf Bitten bringt die tragende Grundstimmung im Herzen derer, welche dieses Gebet sprechen sollen zum Ausdruck.

Hier wird deutlich gemacht: Die Heiligung des Namens Gottes ist die einzig angemessene Antwort auf die Erkenntnis Gottes des Vaters unseres Herrn Jesus Christus. Wer IHN noch nicht als seinen größten, wertvollsten Schatz erkannt hat, der hat IHN noch nicht richtig erkannt.

Jesus möchte uns dahin bringen, dass unser höchster Wunsch und Wille darin gipfelt, dass Gottes Name wieder geheiligt wird, wie es ursprünglich Gottes Plan war. Er soll von uns allgemein erkennbar als der Außergewöhnlichste, Schönste, Erstrebenswerteste und Kostbarste geachtet werden. Das soll DIE Motivation unseres Lebens sein. Dabei „machen“ wir Gottes Namen ja nicht „heilig“, sondern wir schätzen Seine Besonderheit, Einmaligkeit, Seinen Wert und Seine Herrlichkeit und zwar weil Er einzigartig ist, d.h. eine Klasse für sich ist. „Gottes Heiligkeit - Sein heiliger Name - ist der höchste und absolute Schatz im Universum.“

Wenn man Gottes unendlich reines, transzendentes Wesen in eine Waagschale legt, und alles andere im Universum - alle Wasser der Ozeane, den Sand der Wüsten, die Felsen der Berge, die ganze Menschheit, alle Dämonen der Hölle und alle Engel des Himmels - in die andere Waagschale, dann verpufft alles in der zweiten Schale wie Luft, denn Gottes Heiligkeit - Sein heiliger Name - ist und bleibt der höchste und absolute Schatz im Universum. Alle anderen Schätze sind im Vergleich dazu nichts.

3. Unsere größte Aufgabe

Deshalb sollte die Bitte „Geheiligt werde Dein Name!“ DAS Gebet, DIE Sehnsucht, DAS Flehen der Christen zu Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus sein. Er möge doch dafür sorgen, dass Seinem Namen auf der ganzen Erde und im ganzen Universum wieder Ehre, Achtung, Liebe, Wertschätzung und die Bewunderung Seiner unendlichen Schönheit, Seines Wert und Seiner Größe entgegengebracht wird.

So fasst die erste Bitte des Vaterunsers alle anderen Bitten zusammen und gibt ihnen das Ziel und den Endpunkt vor. Mir wurde klar, dass diese Bitte der Hauptpunkt oder der ultimative Zweck des „Vater-unsers“ ist, und alle anderen Bitten dazu gedacht sind, dieser einen zu dienen. Ja mehr als das! Es ist der Zweck der ganzen Schöpfung, des ganzen Universums, Gott zu ehren, zu schätzen und zu lieben:

Sein Reich komme in mir und durch mich, damit Sein Name geheiligt wird.

Sein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden, damit Sein Name geheiligt wird.

Dafür versorgt uns Gott mit Brot, damit Sein Name geheiligt wird.

Unsere Sünden werden vergeben, damit Sein Name geheiligt wird.

Wir vergeben unseren Schuldnern, damit Sein Name geheiligt wird.

Und führe uns nicht in Versuchung, damit Sein Name geheiligt wird.

Sondern erlöse uns von dem Bösen, damit Sein Name geheiligt wird.

Die Heiligung des Namens Gottes ist das Ende und das letzte Ziel aller Dinge.

Deshalb: Möge das große, übergreifende, allumfassende, alles durchdringende Thema deines und meines Lebens die Großartigkeit Gottes sein - Seine Heiligkeit, Seine Schönheit, Sein Wert.

Bete darum, dass Gott dies in dir und mir bewirkt (Hebräer 13,21). Das ist es, was Jesus uns als höchstes Ziel unseres Lebens zu tun aufträgt. Bete darum, Er wird es tun (Philipper 2,13). Zuerst in dir und dann durch dich, dass Sein Name geheiligt werde.

Jesus steckt uns in diesem Leben vorletzte Ziele, zieht aber unsere Perspektive aus auf die letzten Ziele Gottes. Und alle anderen Ziele Gottes dienen diesem einen Ziel: der Heiligung, dem Schätzen, dem Lieben des Namens Gottes - das heißt, Gottes selbst.

Natürlich sind alle anderen Bitten unerlässlich, damit Gottes Name geheiligt wird.

Wenn Sein Reich nicht kommt, wird Sein Name nicht geheiligt werden.

Wenn Sein Wille nicht getan wird, wird Sein Name nicht geheiligt werden.

Wenn wir keine Nahrung haben, wird unsere Stimme bei der Heiligung von Gottes Namen auf der Erde verschwinden.

Wenn unsere Sünden nicht vergeben werden, gehen wir in der Hölle zugrunde, wo niemand den Namen Gottes heiligt.

Und wenn wir nicht vor dem Bösen beschützt werden, werden wir uns daran beteiligen, den Namen Gottes zu hassen und ihn nicht zu heiligen.

Sie sind alle wesentlich. Aber sie sind alle vorletzte, nicht letzte. Sie sind alle Mittel, nicht der Zweck. Es gibt nur ein ultimatives Ziel: ER muss in allem der Erste sein (Kolosser 1,18b), das bedeutet, dass in Wahrheit Sein Name geheiligt wird. In der Ewigkeit wird es jeder einsehen: „Daher hat Gott Ihn auch über die Maßen erhöht und Ihm den Namen verliehen, der jedem anderen Namen überlegen ist, damit im Namen Jesus sich jedes Knie aller derer beuge, die im Himmel und auf der Erde und unter der Erde sind, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ Daraus erkennen wir, dass die Heiligung des Namens Gottes das letzte Ziel aller Dinge ist. Amen.

Manfred Herold




Manfred Herold