Was sollte die Gegenwart und die Zukunft jedes Christen bestimmen?

Wenn man sich heute in der Welt umhört, könnte man meinen: Nur wer Angst hat, ist ein Realist! Es gibt so vieles, was uns Angst macht und Christen bilden dabei keine Ausnahme. Aber normalerweise nehmen sie die Zusagen Jesu, ihres Herrn, ernster als all das Geschehen um sie herum. Denn Jesus hat gesagt: „Erschreckt nicht, habt keine Angst! Vertraut auf Gott, und vertraut auch auf Mich! (Gegenwart)... Ich komme wieder (Zukunft) und werde euch zu Mir nehmen, damit auch ihr seid, wo Ich bin.“ (Johannes 14,1+3+18+28) Das Neue Testament spricht in diesem Zusammenhang von der „parousia“ Jesu (meist mit „Wiederkunft“ oder „Ankunft“ übersetzt).

Wir müssen jedoch die Bedeutung dieses Bildwortes kennen, um sowohl unsere Gegenwart als auch unsere Zukunft angemessen gestalten zu können.

1. Die Bedeutung des Wortes verstehen

Es kam in der Antike häufiger vor, dass ein König längere Zeit außer Landes war (Krieg, Verhandlungen, Besuche). Diese Zeit der Abwesenheit des Königs, die von seiner Abreise bis zu seiner erneuten Ankunft reichte, wurde „parousia“ genannt.

Während seiner Abwesenheit regierte der König durch seine Vertrauten. Wenn er wieder zurück war, bedeutete das den Abschluss der „parousia“.

Wenn es sich um einen guten Herrscher handelte, der gut und weise regierte, war man erleichtert, wenn er zurück war. Dann nahm er nämlich die Regierungsgeschäfte wieder in seine Hände.

Während seiner Abwesenheit musste man immer wieder einmal befürchten, dass seine Vertrauten in der einen oder anderen Situation überfordert waren oder gar in die eigene Tasche arbeiteten und so nur auf ihren eigenen Vorteil und nicht den des Volkes aus waren.

2. Die richtige Anwendung des Wortes einüben

So verstanden wird deutlich, dass „parousia“ sowohl Abwesenheit als auch Anwesenheit, ja sogar Ankunft bedeuten kann. Jesus ist in der Zeit zwischen Seiner Auferstehung und Seiner Wiederkunft, d.h. Seinem erneuten Kommen, nicht körperlich, nicht sinnlich wahrnehmbar anwesend. Er greift nicht direkt in das Weltgeschehen ein. Dennoch ist Er durch den Heiligen Geist, Sein Wort und das Reden und Wirken Seiner Nachfolger präsent, gegenwärtig.

So ist die „parousia“ Christi keine Ankunft nach einer langen, totalen Abwesenheit, sondern die Vollendung Seiner jetzt schon realen, oft spürbaren, aber wahrscheinlich noch häufiger nicht merkbaren Anwesenheit. Dies sollte deshalb stets unser Denken und Handeln bestimmen.

Wohl wissen Christen, dass Jesus heute überall und zu jeder Zeit anwesend ist d.h. sie leben in Seiner Gegenwart. Sie erleben Ihn in ihrem Alltag, wie Er zu ihnen redet, ihnen Gedanken schenkt, sie warnt oder bestätigt. Aber gleichzeitig leben wir heute in der Hoffnung auf Seine Ankunft, wir erwarten Seine Wiederkunft, wenn Seine Anwesenheit für alle Menschen unbestreitbar sein wird, wenn Er alle Tränen abwischen wird, wenn Er Gericht abhält, wenn Gerechtigkeit und deshalb Friede herrschen werden, wenn Er die Erde, ja den Kosmos erneuert.

So leben Christen heute also „schon“ in der Gegenwart Christi, zugleich aber auch „noch nicht“ in der uneingeschränkten Anwesenheit Christi. Die erwarten wir (hoffentlich). Nur wenn wir beide Wahrheiten der Wortbedeutung von „parousia“ in unserem Alltag berücksichtigen, leben wir so, wie es sich für Christen gehört. Von den Thessalonichern konnte gesagt werden: „Die Leute erzählen, wie ihr euch von den Götzen abgewandt und dem lebendigen und wahren Gott zugewandt habt, um Ihm zu dienen und auf Seinen Sohn zu warten, der vom Himmel zurückkommen wird – auf Jesus, den Er von den Toten auferweckt hat und der uns vor dem kommenden Gericht rettet.“ (1. Thessalonicher 1,9-10)

So geht es uns im Übrigen mit allen geistlichen Wahrheiten! Wir haben schon das ewige Leben und doch warten wir noch darauf (1. Johannes 5,12 – 1. Thessalonicher 1,10). Wir sind gerecht und warten auf die Gerechtigkeit Gottes (Römer 10,10 – Galater 5,5). Wir haben die Anzahlung des Geistes empfangen und warten auf den Empfang der Fülle (2. Korinther 1,22 – Kolosser 2,10). (Wir haben Freude, Glück, Reinheit, Trost, Zufriedenheit etc. und dennoch warten wir noch auf deren Vollendung.)

3. Die Konsequenzen aus dieser Einsicht ziehen

Jesus hebt in Matthäus 24 zwei Konsequenzen heraus, die aus der Einsicht, dass Er wiederkommt, zu ziehen sind: „Darum seid wachsam! Denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommen wird.“ (Vers 42)

Ein wacher Autofahrer wird den Sicherheitsabstand vergrößern, wenn vor ihm jemand Schlangenlinien fährt oder häufig unmotiviert bremst. Er erkennt die Gefahr und handelt entsprechend.

Wenn Christen also z.B. gesagt wird, dass falsche Propheten und Lehrer (Matthäus 24,11) in der letzten Zeit ein besonderes Gefährdungspotenzial darstellen, dann werden sie sich besonders darauf konzentrieren, all das, was ihnen zu hören und zu sehen angeboten wird, ernsthaft zu prüfen (1. Thessalonicher 5,21) und auszusortieren, was nicht in guter Weise aufbaut.

Wenn Gottes Wort Christen darauf hinweist, dass in der letzten Zeit „die Gesetzlosigkeit überhand nehmen wird“ (Matthäus 24,12) ist es wichtig, die grundlegenden, ewigen Lebensordnungen Gottes zu kennen und zu wissen, wie ein Leben auf ihrer Basis heute aussehen kann. Das Wichtigste ist dabei: Selbst gute Vorbilder sein!

Wenn gesagt wird, dass sich die Christen in den letzten Tagen untereinander „hassen und verraten“ werden, wenn sie unter Druck geraten, muss man besonders viel in die Beziehungen untereinander investieren, damit man vor dieser Gefahr möglichst gut geschützt ist. („Viele werden vom Glauben abfallen; sie werden einander verraten, sie werden einander hassen.“ Matthäus 24,10)

Die zweite Konsequenz, die wir zu ziehen haben lautet: „Darum seid jederzeit bereit; denn der Menschensohn wird zu einer Stunde kommen, wenn ihr es nicht erwartet.“ (Vers 44) Bereit für den wiederkommenden Herrn Jesus Christus ist nicht der, welcher sich ständig über weitere Zeichen, die auf die baldige Wiederkunft Jesu hinweisen informiert, sondern der jeden Augenblick in der vertrauensvollen Gemeinschaft mit Jesus lebt. Wenn ich jeden Augenblick des Tages, von meiner Stillen Zeit am Morgen an, mit Jesus verbunden lebe, dann wird mich Seine Wiederkunft nicht überraschen können, egal wann sie passiert. Für den wiederkommenden Herrn bereit zu sein heißt nicht, ständig etwas Außerordentliches zu erleben oder zu tun, sondern das Normale in unserem Leben ernsthaft und konzentriert zu verwirklichen.

Christen glauben zwar, dass der Sieg über Sünde, Tod und Teufel von unserem Herrn Jesus Christus auf Golgatha schon errungen wurde, sie wissen aber auch, dass der endgültige, alle Zweifel ein für allemal beseitigende Sieg noch aussteht. Aber der Tag, an dem sich alle Knie vor Jesus beugen und alle Zungen bekennen werden, dass Er der Herr ist, kommt gewiss. Diese Gewissheit erfüllt uns mit Freude und Dank.

Wer ist für die Olympiade bereit? Wer alle seine Bemühungen in der Vorbereitung auf den Tag seines Wettkampfes erfolgreich abgeschlossen hat und zu seinen besten Leistungen fähig ist. Es nützt nichts, dass er ein Wochenende zuvor ein bedeutendes Leichtathletiksportfest gewonnen hat, jetzt aber davon noch müde ist.

Dass du deine Gegenwart von einer geduldig gelebten engen Gemeinschaft mit Jesus und deine Zukunft von der Erwartung des wiederkommenden Herrn Jesus Christus bestimmen lässt, das wünsche ich dir von ganzem Herzen.

Amen



Manfred Herold


Manfred Herold